Natürlicher Zugzwang

  

Vor exakt zehn Jahren wurden die Dolomiten zum „UNESCO Dolomiti“-Welterbe gekürt. Die Freude war groß und so manche Sektflasche sprudelte ebenfalls über. Denn es war gelungen, Gebiete von fünf Provinzen (Bozen, Trient, Belluno, Pordenone und Udine) unter einen Hut zu bringen. Kein leichtes Unterfangen. Denn die Gesamtfläche im Ausmaß von 142.000 Hektar ist nicht eine zusammenhängende Fläche, sondern musste wegen der vielen touristischen Erschließungen und Abfahrtspisten gestückelt werden. Am Ende klappte es und alle waren zufrieden. Gar mancher witterte sogar das ganz große Geschäft und die wenigen Mahner wurden rasch an den Rand gedrängt. Wie Michael Wachtler in Innichen. 

 

Mittlerweile sind zehn Jahre vergangen und vor kurzem wurde das Ereignis gefeiert. Mit dem gebührenden Elan. Zuerst in Cortina und dann wenige Tage später in St. Vigil in Enneberg. Auffallend war, dass bei beiden Veranstaltungen vor allem die Schutzfunktion und resultierend daraus die Eindämmung des Verkehrs im Interesse der Ortsbevölkerung in den Vordergrund gerückt wurde, wie Kollege Willy Pöder beobachten konnte. Dabei wird von denselben Funktionären und genauso von den Politikern bei jeder Gelegenheit klargestellt, die Etikettierung „Welterbe“ sei einerseits zwar mit großer Verantwortung für den Erhalt der Natur und die Sicherstellung des örtlich-kulturellen Gesellschaftslebens behaftet, andererseits sei die Schutzmaßnahme keineswegs mit wirtschaftlichem Stillstand gleichzusetzen.

 

Damit stellt sich aber gleichzeitig die Frage, wer die Natur zu dem gemacht hat, was sie heute ist. Da spielen vor allem unsere Bergbauern eine ganz große Rolle. Sie haben mit ihrer täglichen und harten Arbeit dafür gesorgt, dass wir die Natur in vollen Zügen genießen dürfen und die Täler in ihrer unbeschreiblichen Schönheit als Visitenkarte der besonderen Art ihren Weg in die Welt finden. Nun geht es darum, diese natürliche Schönheit zu erhalten. Das geht aber nur, wenn nicht jeder touristische Hosenträger mit dem eigenen Auto auf die Gipfel tuckert. Es braucht endlich nachhaltige, also mutige, Entscheidungen. Die Sperrung der Bergpässe für den motorisierten Verkehr wäre ein guter Anfang. Natürlich mit den gebotenen Ausnahmen, aber die Zeit ist reif für konkrete Schritte. Zu lange wurde dieses Thema auf der sprichwörtlichen langen Bank hin- und hergeschoben. Nun ist Handeln angesagt, denn auf der langen Bank bleiben diese Dinge meistens liegen. 

 

Ich kann durchaus verstehen, dass die Lenkungsmöglichkeit des motorisierten Touristenstromes kein leichtes Unterfangen ist. Es steht aber zu viel auf dem Spiel. Enrico Vicenti, der Generaldirektor von UNESCO Italia, brachte es in St. Vigil auf den Punkt: „Die Berge, die halten den Verkehr schon aus. Sie ‚denken‘ in Millionen von Jahren. Nicht aushalten werden ihn hingegen auf Dauer die Menschen dieser Täler“. Tiere und Pflanzen sind ebenfalls massiv betroffen. Es gilt also, unseren gemeinsamen Lebensraum umfassend zu schützen. Tut endlich was!

 

                         

Reinhard Weger

 

 

 

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