Brunecker Zahlenspiele
In Bruneck tut sich derzeit unheimlich viel. Vor allem in baurechtlicher Hinsicht. Die Erstellung der Wiedergewinnungspläne ist dabei die Krönung des Ganzen. Bürgermeister Roland Griessmair – in dieser Hinsicht ja durchwegs gut beschlagen – hat in wenigen Jahren etwas auf den Weg gebracht, was vor seiner Zeit stets auf die lange Bank geschoben wurde. Wo früher gewurstelt und geflickt wurde, hat er Fakten geschaffen. Das gilt nicht nur in urbanistischer, sondern auch in baulicher und verkehrstechnischer Hinsicht. Vieles ist derzeit zwar noch nicht sichtbar, aber die Stadt wird bald ein anderes, helleres und vor allem schöneres Gesicht haben.
Im Fokus des Ganzen steht die bürgermeisterliche Überzeugung, dass die sozialen Räume in Bruneck mit Leben gefüllt werden müssen. Es nützt nichts, wenn wir in der Rienzstadt zum Teil zwar schöne Fassaden und nette Gassen haben, die aber menschenleer sind. Hand aufs Herz: Wie oft wird moniert, dass Bruneck „ausgestorben“ sei? Dass zu gewissen Tages- und Nachtzeiten schlicht nichts los sei? Grund für diese Entwicklungen sind Fehlentscheidungen in der Vergangenheit. Zudem wurde viel zu oft über die Köpfe der Menschen hinweg entschieden, ohne sie aktiv einzubinden.
Die Erstellung der Wiedergewinnungspläne ist ein Beispiel, dass es auch anders geht. Dass Transparenz, Partizipation, Offenheit und proaktive Einbindung aller Akteure wesentlich zielführender ist. Als die Wiedergewinnungspläne für Bruneck ausgearbeitet wurden, gingen die Planer auf Geheiß der Ratsstube von Haus zu Haus, sammelten Informationen und redeten mit den Menschen. Nicht über sie, sondern mit ihnen. Das war Griessmair überaus wichtig, denn gerade der Altbaubereich zählt in Bruneck zu den hochsensiblen Gebieten. Da ist besonderes Fingerspitzengefühl vonnöten, wenn man nicht schon im Vorfeld schlafende Hunde wecken will.
Denn die große Unbekannte liefert – wie so oft – das Denkmalamt in Bozen. Dieses wacht darüber, dass die alte Bausubstanz erhalten wird. Eine überaus wichtige Aufgabe, damit nicht alles der Abrissbirne zum Opfer fällt. Es stellt sich aber die Frage, ob mitunter nicht zu viel (tot)geschützt wird? Denn nicht alles was alt ist, ist auch gut. Denn wer möchte heute noch in alten Lehmhütten hausen? Die Zeiten haben sich eben geändert und ein Mindestmaß an Wohn- und Arbeitskomfort muss auch für die alte Bausubstanz zugelassen werden. Dazu braucht es mitunter aber entsprechende Anpassungen. Diese dürfen nicht unbotmäßig blockiert und eingebremst werden.
Es braucht also das rechte Mittelmaß. Denkmalschutz darf nicht als geradezu mystisches Dasein in einem langweiligen Monolog mit lauter stummen Statisten missverstanden werden. Denn dafür sind die Menschen zu mündig. Das gilt für Bruneck genauso wie für den Rest des Landes. Insofern geht es nur gemeinsam nach vorne. Ganz im Sinne des Denkers Justus Vogt, der seinerzeit sagte: „Gemeinsam existieren ist das gefühlte Minimum, gemeinsam leben aber das Maximum!“. Wie passend! Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.
Reinhard Weger