Kamingespräche
Heuer wurde in Sexten ein kleines, aber gleich doppeltes Jubiläum gefeiert. Es ging um 10 Jahre Unesco-Welterbe der Dolomiten und um die fünfte Auflage der Sextner Kamingespräche. Diese Veranstaltung wurde seinerzeit von Judith und Christoph Rainer, die beiden Kinder des legendären ehemaligen Sextner Bürgermeisters Willy Rainer, ins Leben gerufen. Die ersten Kamingespräche fanden im Jahr 2015 noch auf dem Helm in Sexten statt. Arno Kompatscher, Hans Heiss, Franz Senfter, Prof. Harald Pechlaner und Jakob Wahl vom Europapark Rust diskutieren damals mit rund 160 Gästen über Erlebniswelten. Nach fünf Jahren hat das Format immer mehr Format angenommen und sich seinen Platz in den wissenschaftlich fundierten Plattformen gesichert.
Heuer ging es um das Welterbe „Dolomiten“, um Verantwortung und Schönheit. Zugleich wurde auf das kleine doppelte Jubiläum angestoßen. Damit stellt sich die Frage, wo wir nach zehn Jahren Welterbe nun tatsächlich stehen. Welche Wege sollen bzw. müssen eingeschlagen werden, zum Schutze der Natur, zum Wohlergehen der Menschen und für eine mögliche ökonomische Weiterentwicklung der Region? Das sind wichtige Fragen, denen die illustre Diskussionsrunde heuer auf den Grund gehen wollte. Sowohl bei den Kamingesprächen als auch am Tag danach im Forum.
Die Probleme sind nicht kleiner geworden – im Gegenteil. Das natürliche Welterbe der Dolomiten droht immer mehr in den Touristenströmen zu versinken und unsere traumhafte Bergwelt zu einem Eldorado für geltungssüchtige Tagestouristen zu werden. Harald Pechlaner ist einer jener Menschen, der davor warnt, dass die Grenze des Erträglichen schon längst erreicht ist. „Die Schönheit ergibt sich aus einem tieferen Verständnis des Lebensraumes, einem tieferen Verständnis der Menschen, die in diesen Bergen wirtschaften, leben und arbeiten“, ist er überzeugt. Anders ausgedrückt: Der Kitt zwischen den hier lebenden Menschen und den Touristen darf nicht bröckeln.
Wir brauchen Mut zur Entschleunigung und müssen Grenzen setzen. Sobald genug ist, dann ist genug! Das gilt für den Pragser Wildsee genauso wie für die Drei Zinnen – um nur die beiden brennendsten touristischen „Hotspots“ im Hochpustertal zu nennen. Denn wenn der Bauer mit seinem Milchbehälter nicht mehr weiterkommt, dann wird er wenig Lust verspüren, die vielen Gäste mit einem Lächeln im Gesicht zu begrüßen, die dann auch noch für den besten Schnappschuss auf seinem Feld gerade das beste Grummet zertrampeln. Und es soll ja nicht so sein, wie der deutsche Autor Josef Bordat in seinen Gedanken zu Papier gebracht hat: „Der internationale Tourismus hat in den letzten 50 Jahren mehr Schaden angerichtet als der internationale Terrorismus.“
Das sind fürwahr harte Worte. Es ist aber höchst an der Zeit für ein Umdenken. Denn das Ziel einer bodenständigen Tourismuskultur ist es, das zu erhalten, was wir sind und was wir haben, und nicht ständig das zu bereiten, was der Tourismus gerade verlangt. Denn das ist zu kurzfristig gedacht. In diesem Sinne haben die Kamingespräche etwas Wichtiges angestoßen, was tatsächlich von Nachhaltigkeit geprägt ist. Allerdings müssen den Worten konkrete Taten folgen - auf allen Ebenen!
Reinhard Weger