Verbale und nicht-verbale Gewalt

  

In der Samstag-Nacht am 27. Juni 2020 kam es in Bruneck zu einem Vorfall. Ein in Gais wohnhafter Afrikaner wurde geschlagen, getreten und rassistisch beleidigt. Schon unmittelbar nach der Tat tauchten entsprechende Videos im Internet auf. In einem der Videos war zu hören, wie ein Mann mit breitem Pustertaler Dialekt den am Boden Liegenden als „schwulen Scheiß-Neger“ betitelte. Zuvor war der 32-jährige Nigerianer offenbar in alkoholisiertem Zustand ausfällig und gewalttätig geworden, hatte dabei Passanten angegriffen und verletzt. Im Zuge seines Ausrasters beschädigte der Rüpel auch verschiedene Fahrräder, Pflanzen und ging auf alles los, was ihm greifbar erschien. Dann traf er auf eine Gruppe von einheimischen Jugendlichen, die schließlich die Fäuste sprechen ließen. Im Handgemenge wurde der Wüterich selbst und drei seiner Opfer leicht verletzt – darunter auch zwei Männer, die den Nigerianer angegriffen hatten. 

 

Das sind die nackten Fakten, die auch von Zeugenaussagen bestätigt und von den verschiedenen Überwachungskameras dokumentiert wurden. In der Folge wurden die Verantwortlichkeiten durch die Carabinieri ermittelt und insgesamt fünf Personen angezeigt. Der Afrikaner wurde wegen Sachbeschädigung und Körperverletzung angezeigt und vier Pustertaler wegen unterlassener Hilfeleistung, Schlägerei und rassistischer Diskriminierung der Staatsanwaltschaft gemeldet. Die Ermittler konnten als Hauptbeweisquelle u.a. just jene Videosequenzen auswerten, die zuvor in das weltweite Netz eingespeist wurden. Offenbar wurden die Videos entweder von den Akteuren selbst oder von Menschen aufgenommen, die zumindest ganz in der Nähe waren. Eine andere Sichtweise lässt die Nähe der Aufnahmen, die Detailtreue und der Aufnahmewinkel nicht zu.

 

Damit stellen sich mir ein paar prinzipielle Überlegungen. Es ist klar, dass körperliche Gewalt niemals ein Mittel der sozialen Auseinandersetzung sein kann. Und schon gar nicht das Nachtreten, wenn jemand bereits auf dem Boden liegt. Es gibt rechtlich probatere Mittel, um einen solch ausgeflippten Rowdy der Justiz zuzuführen. Selbstjustiz gehört nicht dazu. Was hingegen die rassistisch motivierten Äußerungen betrifft, ist aufzuzeigen, dass das ebenfalls Gewalt am Menschen ist – zwar verbal, aber dafür nicht umso weniger schmerzhaft. Egal, was der Auslöser gewesen sein mag: Rassismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen. 

 

Doch es gibt einen dritten Aspekt, der aus gesellschaftlicher Sicht überaus bedenklich ist. Das ist die beklemmende Unsitte, partout alles und jeden aufnehmen zu müssen und ins Internet zu stellen. Ja, tickt ihr Handy-Gaffer denn noch richtig? Leute, das nervt gewaltig und ist rechtlich alles andere als sauber! Fühlt ihr euch dabei besser in der Gesellschaft? Vielfach geht es bei dieser menschlichen Unart letztlich um pure Selbstinszenierung, die Befriedigung von niederen Instinkten und verabscheuungswürdigem Voyeurismus. Doch es geht stets um die Würde des Menschen, die auch in diesem Fall mit Füßen getreten wird.

 

       

Reinhard Weger

 

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