Die neuen Herausforderungen

  

In der Silvesternacht kam es in verschiedenen Großstädten, darunter vor allem in Berlin, zu verstörenden Szenen. Rotten von Gewalttätern lockten Einsatzkräfte – darunter Polizei, Rettungssanitäter und Feuerwehrleute – in Hinterhalte und attackierten sie auf brutale Weise. Wer einen Pulverlöscher, Pflastersteine, Wurfgeschosse und Feuerwerkskörper gezielt gegen Menschen einsetzt, der nimmt schwere und sogar tödliche Verletzungen in Kauf. So ein Verhalten lässt sich nicht rechtfertigen und schon gar nicht als Bagatelldelikt abtun, wie es in verschiedenen sonntäglichen Debatten zu hören war. Es geht in dieser Sache auch nicht um Nationalitäten, Ausländer oder Hautfarbe – es geht ausschließlich um die Menschen. Und vor allem um den Schutz unserer Einsatzkräfte, Zivilschützer und ehrenamtlicher Kräfte. 

 

Die öffentliche Hand muss in dieser Frage eine klare Position einnehmen. Da braucht es klare Kante. Leider vermisse ich diese in der aktuellen Debatte. Dabei werden Staatsverachtung und enthemmte Gewalt als gesellschaftliche Probleme weiter zunehmen und sind längst kein Phänomen der Großstädte mehr. Auch bei uns machen sich entsprechende Tendenzen bemerkbar. Die teils rigorosen Freiheitsbeschränkungen im Zuge der Corona-Pandemie haben viele Menschen von der öffentlichen Struktur weiter entfremdet und das Problem noch verschärft. Zudem wirkt sich auch die demografische Entwicklung negativ aus, die dazu führt, dass wegen des Arbeitskräftemangels die Kinder nicht mehr von den Höfen geholt werden, die Pflege- und Gesundheitsdienste ausgedünnt werden und auch die hauptamtlichen Einsatzkräfte oft nicht in der gewünschten Anzahl und  Zeit intervenieren können. Der Südtiroler Unternehmerverband warnt darüber hinaus, dass auf absehbare Zeit zusätzlich 30 Prozent der Arbeitskraft fehlen wird. 

 

Die Probleme liegen also auf der Hand. Überall tun sich Löcher auf. Und es braucht Menschen, die diese Lücken füllen. Es gibt mittlerweile auch bei uns viele Schulklassen, wo die Lehrkräfte immer mehr Schülerinnen und Schüler unterrichten, deren Muttersprache nicht mehr Deutsch oder Italienisch ist. Gerade diese Menschen bräuchten aber eine Begleitung, die jedoch kaum umgesetzt werden kann, weil der Anteil der Fachlehrer ebenfalls im Sinken begriffen ist. Bildungs- und Sozialpolitik sind jedoch die wichtigsten Bausteine für die Lösung dieses gesellschaftlichen Problems. Zwar bemühen sich die Bildungsverantwortlichen, ihren Auftrag zu erfüllen, aber sie brauchen mehr Geld und mehr Personal. Und beides fehlt. Vielerorts gelingt es nicht einmal mehr, die hohe Zahl an Lehrkräften, die in den Ruhestand gehen oder aus anderen Gründen aus dem Dienst ausscheiden, mit – eventuell weniger qualifizierten – Quereinsteigern zu kompensieren. Stellen für Schulpsychologen und -sozialarbeiter bleiben ebenfalls unbesetzt. 

 

Die enthemmte Gewalt und der Verlust der Achtung vor öffentlichen Institutionen ist nicht allein in die Kategorie „Ausländerproblem“ zu legen, denn das greift zu kurz. Fakt ist, dass wir ohne ausländische Mitmenschen gar nicht mehr in der Lage sind, unser Wirtschafts- und Gesellschaftssystem am Laufen zu halten. Zudem werden immer mehr dieser Menschen für immer bleiben, weil sie entweder hier geboren wurden oder bereits seit Jahren hier leben. Viele von ihnen leisten auch einen wertvollen Beitrag und sind längst Teil unserer Gesellschaft. Zudem leben auch viele Menschen hier, die aus Kriegsländern stammen, in die sie laut Gesetz nicht abgeschoben werden können. Wir werden also mit diesen Menschen umgehen lernen müssen. Diese neuen Herausforderungen müssen aber im Sinne von „fördern und fordern“ angegangen werden. Dafür braucht es neben der ausgestreckten Hand auch klare Vorgaben für alle!

 

 

Reinhard Weger

 

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