Noch immer ist der Fortbestand der „Europäischen Theaterschule Bruneck“ nicht gesichert. Stadttheaterdirektor Klaus Gasperi hat die diesbezüglichen Missstände aufgrund des ESF-Skandals schon des Öfteren öffentlich angeprangert und appelliert nun an die Politik, endlich rasch zu handeln. Derzeit hängt eine ganze Reihe von Kulturmenschen in der Luft.
Unsere Schule, ein international anerkanntes Ausbildungs-Vorzeigebeispiel und Spitzenreiter bei den Prüfungserfolgen vor der Österreichischen Paritätischen Schauspielkommission in Wien, steht nun wegen Eurer „Vogel-Strauß-Politik" vor dem definitiven Aus!“ schreibt Gasperi in seinem offenen Brief. Was ihn ärgert: Solange die Schule vom ESF finanziert wurde, hätten etliche Südtiroler Institutionen, nicht nur im Theater- und ganz allgemein im Kulturbereich, sondern auch Tourismusorganisationen, Gemeinden und Landesämter auf das Know-how der Schule zurückgegriffen. Seit dem ESF-Skandal ist nun alles blockiert, und die Auszahlungen sind eingefroren. Auf stattliche 150.000 Euro beläuft sich die Summe beim Stadttheater Bruneck. Vier Mitarbeiter mussten angesichts des Stillstands bereits entlassen werden.
Großes Schweigen
Und von Seiten der Politik? Klaus Gasperi - sichtlich in Rage - fährt starke Geschütze auf: "Nichts als großes Schweigen! Ihr habt im Vorjahr den Schülern zwar das dritte Jahr für den Abschluss ermöglicht, vom zugesagten Beitrag für unsere drei „Quereinsteiger", die noch die Abschlussprüfungen in Wien nachholen müssen, hört man jetzt aber plötzlich nichts mehr! Deshalb haben wir im September 2015 bei der Region Trentino Südtirol angesucht. Die Antwort war, dass das Gesuch erst im April 2016 behandelt wird. Eine beachtenswerte, bürgernahe Effizienz, wenn man sieben Monate braucht, ein Gesuch zu lesen!“ bemängelt Theaterdirektor Gasperi in seinem Schreiben. Sein Fazit: Die Region ist auch zum Vergessen! Die Lokalpolitik bekommt ebenfalls ihr Fett weg: „Und es scheint, dass auch die Stadtgemeinde Bruneck die kulturelle Bedeutung und den wirtschaftlichen Nutzen dieser international geschätzten Ausbildungsstätte nicht gecheckt hat – sonst würde sie sich ein bisschen mehr dafür einsetzen.“
Zahlreiche Betroffene
Schützenhilfe bekommt der wütende Theatermacher von zahlreichen Unterstützern aus dem Kulturbereich. „Was für ein Armutszeugnis wäre das, wenn die Südtiroler Landesregierung der Theaterschule Bruneck jetzt nicht aus der Patsche helfen würde. Was für eine Geringschätzung unseres Berufsstandes! Es geht hier um den einzigen Ort, an dem man sich in Südtirol zum Schauspieler ausbilden lassen kann“, kommentiert der bekannte Südtiroler Schauspieler und Regisseur Georg Clementi die Causa Theaterschule. Von Seiten der Intendanz (Irene Girkinger) und der Dramaturgie (Ina Tartler) der VBB kommt ebenfalls eine eindringliche Befürwortung für den Weiterbestand der Theaterschule in Bruneck: „Sie ist für die weitere Professionalisierung der Südtiroler Theaterlandschaft essenziell, wir brauchen junge, gut ausgebildete Talente aus der Region auf unseren Bühnen. Der Untergang der Schule wäre ein enormer Verlust sowohl für das Stadttheater Bruneck als auch die anderen Bühnen Südtirols. Es wäre jammerschade um die enthusiastische Aufbauarbeit von Klaus Gasperi und seinem Team, und es ist eigentlich nicht zu verantworten, dass Studentinnen und Studenten, die noch ihre Abschlussprüfungen in Wien machen müssen, bald auf der Straße stehen.“
Theaterschule hat guten Ruf
Der Schweizer Regisseur Hanspeter Horner und die japanische Choreografin Yukie Koji, die derzeit an der Inszenierung „Ein Käfig voller Narren“ im Stadttheater arbeiten und dort auch schon als Dozenten tätig waren, sehen das Ganze folgendermaßen: „Die Schule hat im deutschsprachigen Ausland einen außerordentlich guten Ruf. Wir haben diese vielseitige und unkonventionelle Institution immer wieder bewundert. In Südtirol scheint der Prophet im eigenen Land nichts zu bedeuten.
Der gute Ruf wird auch aus Wien bestätigt. Elisabeth Remes, als Vorsitzende „die graue Eminenz“ der Österreichischen Paritätischen Schauspiel-Prüfungskommission in Wien: „Die Leistungen der Schauspielschule Bruneck waren immer herausragend und eine Wohltat für alle anwesenden Prüfer. Es ist wirklich ein Jammer, so gute Ausbildungsstätten am langen Arm verhungern zu lassen.“ Oliver Karbus, Regisseur und als Schauspieler unlängst in einer Hauptrolle in einem Film mit Hannelore Elsner zu sehen, legt noch einen drauf: „Auch die Leistungen der Ausgebildeten an allen Theatern Südtirols und vielen Filmprojekten beweisen: Die Theaterschule Bruneck ist ein Garant für hochklassigen Nachwuchs in der Südtiroler Kulturlandschaft. Es wäre wahrlich eine Schande, diese Institution aufgrund skandalöser Machenschaften einiger verantwortungsloser Elstern schließen zu müssen.“
Südtiroler Kulturpolitik hinterfragen
Klaus Rohrmoser, langjähriger Schauspieldirektor am Tiroler Landestheater, unterstreicht in einem Aufruf an die Politik die Wichtigkeit der Brunecker Theaterschule: „Diesen Ort gefährdet zu sehen, stimmt mehr als traurig und fordert angesichts anderer, viel weniger sinnvoller Aktivitäten der Südtiroler Kulturpolitik geradezu zum offenen Widerspruch heraus...“ Selbst aus Berlin trudeln Stimmen pro Theaterschule ein. „Den Erfolg dieser Schule muss ich nicht betonen, dass es in Bruneck und in Südtirol eine solche gibt, ist besonders wichtig für die junge Gesellschaft; Theater und Theaterspielen ist die wirksamste Form für die individuellen, sozialen und gesellschaftlichen Reifeprozesse, nichts, was dort gefördert wird, geht verloren sondern fließt in die Gesellschaft ein. Wer eine weltoffene Gesellschaft will, wer die Integration will, macht mit einer Theaterschule alles richtig“, unterstreicht Maxi Obexer, Autorin und derzeit Gastprofessorin am Deutschen Literaturinstitut Leipzig.
Wann rührt sich die Politik?
Gegenüber der PZ lenkt Klaus Gasperi ein wenig ein und betont, dass er sehr wohl das Engagement von Seiten der aktuellen Führungskräfte im ESF-Amt als auch im Südtiroler Kulturamt sehe. Gerade Ressortdirektorin Vera Nicolussi-Leck habe sich immer wieder vehement eingesetzt. Dennoch steckt man aufgrund der Altlasten derzeit fest. Und spielt damit den Ball wieder den politisch Verantwortlichen zu: „Es geht nur voran, wenn die Politik das will, es muss sich einfach kulturpolitisch etwas verändern!“ Kulturlandesrat Philipp Achammer war leider für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.
In jedem Fall geht es Gasperi nicht um die Führung der Theaterschule allein. Wichtig sei in erster Linie, dass es so eine Ausbildungsstätte in Südtirol gibt. Den Nordtirolern mag die Südtiroler Unschlüssigkeit auf alle Fälle recht sein, wurde dort unlängst schließlich bereits eine zweite Schauspielschule gegründet...
jst