Von den Suffragetten bis heute...

Die diesjährige Auflage der Brunecker Veranstaltungsreihe „Frauen.Gespräche“ rund um den Internationalen Tag der Frau am achten März widmet sich einem einst heiß umkämpften Thema. Zum 70-jährigen Jubiläum des Frauenwahlrechtes in Italien stellen die Organisatorinnen die entscheidende Frage in den Raum „70 Jahre Wahlrecht der frau. Wo steht frau heute?“

 

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RA Angelika Kofler

 

Was hierzulande als selbstverständlich gilt, ist in Wahrheit noch gar nicht so lange Wirklichkeit. Vielen mag nicht bewusst sein, dass noch die Generation unserer Großmütter vom Wahlrecht ausgeschlossen war, denn bis vor einigen Jahrzehnten waren die Gesellschaft und auch des Gesetz patriarchalisch, von der Vorherrschaft des Mannes geprägt. Die Frauen stellten in Bezug auf die Männer lediglich „die andere Hälfte der Menschheit“ dar. Über Jahrhunderte hindurch waren die Frauen nicht nur in der Gesellschaft und im täglichen Leben, sondern eben auch im Gesetz den Männern untergeordnet. Mit den sogenannten Suffragetten (von engl./franz. „suffrage“, also Wahlrecht) traten Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts zum ersten Mal Frauenrechtlerinnen auf den Plan, die sich für ein allgemeines Frauenwahlrecht einsetzten. Nur schleppend wurden allerdings die Ergebnisse des bedingungslosen Engagements sichtbar. 1893 erteilte Neuseeland den Frauen das Wahlrecht, allerdings nur das aktive. Somit durften die Frauen zwar wählen, sich aber nicht der Wahl stellen. Als erstes europäisches Land gestand Finnland im Jahre 1906 den Frauen uneingeschränkte politische Partizipation zu. 1918 taten Deutschland und Österreich es den Finnen gleich. In den USA gelang den Frauen die definitive Errungenschaft jenes Rechts im Jahre 1920.

 

Spätes Wahlrecht

In Italien wurde erst 1945 die Gesetzesverordnung erlassen, mit der den Frauen das aktive Wahlrecht zuerkannt wurde. Ein Jahr später, am 10. März 1946, also genau vor 70 Jahren, wurde mit einer weiteren Gesetzesverordnung das Frauenwahlrecht vervollständigt, indem den Frauen auch das passive Wahlrecht, also das Recht, gewählt zu werden, zugestanden wurde. In der italienischen Verfassung von 1948 wurden dann auch die wesentlichen Grundsätze für die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau verankert, vor allem in den bedeutenden Artikeln 3 (Gleichheitsgrundsatz), 29 (Familie), 37 (Arbeit) und 51 (Zugang zu den öffentlichen Ämtern und zu den Wahlämtern).

Das Wahlrecht der Frau und das in der neuen Verfassung formell verankerte Prinzip der Gleichberechtigung reichten aber noch nicht aus, die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau in der Gesellschaft und im Gesetz auch konkret umzusetzen. Das politische, kulturelle und gesellschaftliche Klima der Nachkriegszeit war für eine echte Gleichberechtigung noch nicht bereit. Erst die gesellschaftliche Entwicklung in den Fünfziger und Sechziger Jahren schufen die tatsächlichen Voraussetzungen dafür, dass die Gleichberechtigung Schritt für Schritt Fuß fassen konnte. Der Aufschwung der italienischen Wirtschaft in den Fünfziger-Jahren veränderte auch die sozialen Bedingungen der Frauen. Neue und mehr Arbeitsplätze wurden geschaffen, moderne Haushaltsgeräte wie Waschmaschine & Co. erleichterten den Frauen die Hausarbeit und setzten die nötigen Ressourcen frei, auch außer Haus arbeiten zu können. Aber erst im Jahre 1963 wurden die Frauen zu allen Berufen und Ämtern zugelassen.  

 

Feministische Bewegungen

Mit der Gründung feministische Bewegungen in ganz Europa Ende der Sechziger bis Anfang der Siebziger Jahre änderten sich das Bild und die Rolle der Frau grundsätzlich. Der wachsende Druck der Frauenbewegung hatte auch in Italien zahlreiche Gesetzesreformen zu „Frauenthemen“ zur Folge, einige begleitet von heftigen Diskussionen: Die Einführung der Ehescheidung, das Recht auf Schwangerschaftsabbruch, das neue Familienrecht mit dem Grundsatz der Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau in der Ehe oder die Gleichbehandlung von Frauen in allen Bereichen der Arbeit mit dem Verbot von jeglicher Form von Diskriminierung aufgrund des Geschlechts.

 

Ungleiche Gleichstellung

In den Achtziger Jahren schien die formale Gleichberechtigung im italienischen Gesetz zwar erreicht, in der Realität waren die Frauen von einer Gleichstellung mit dem männlichen Geschlecht jedoch noch weit entfernt. Vor allem auf Anstoß der Europäischen Union wurden in Folge Maßnahmen ergriffen, welche die faktische Gleichstellung der Geschlechter bewirken sollten. Der Begriff „Chancengleichheit“ wurde geboren. 1991 wurde das erste italienische Frauenförderungsgesetz („positiven Aktionen“) verabschiedet mit dem Ziel der Gleichstellung zwischen Mann und Frau bei der Arbeit. Zudem wurde die Position der Gleichstellungsrätin geschaffen, welche die Aufgabe hat, die Arbeitswelt für Frauen zu verbessern und geschlechtsspezifische Diskriminierung in der Arbeitswelt zu bekämpfen. Im Jahre 2003 wurde schließlich dem Art. 51 der italienischen Verfassung folgender Satz hinzugefügt: „Die Republik fördert demzufolge die Chancengleichheit von Frauen und Männern durch spezifische Maßnahmen.“ Dennoch ist die Gleichstellung noch immer ungleich.       

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Guter Zweck 

Organisiert werden die Frauen.Gespräche von der Stadtgemeinde Bruneck in Zusammenarbeit mit der Stadtbibliothek Bruneck, dem Club „Soroptimist Pustertal“ und der Raiffeisenkasse Bruneck. Nach dem enormen Zuspruch im vergangenen Jahr gibt es auch in der aktuellen Auflage eine Benefizaktion. Unter dem Motto „Schwimmen für einen guten Zweck: 1,00 €/100 Meter - 500 Km gilt es zu erschwimmen“ können engagierte Schwimmerinnen und Schwimmer noch bis zum 6. März im Hallenbad Cron4 Schwimmlängen zurücklegen. Das „erschwommene“ Geld wird von der Raiffeisenkasse Bruneck gesponsert und kommt einem Projekt der Sozialgenossenschaft „JAI“ Jugend Arbeit Integration Bruneck zugute. Ebenfalls im Rahmen der Frauen.Gespräche 2016 ist im Rathaus Bruneck noch bis zum 31. März die Ausstellung „Vote for women - Frauengeschichte von der Antike bis zur Gegenwart“ zu sehen, sowie in der Stadtbibliothek Bruneck eine Medienausstellung.


 

RA Dr. jur. Angelika Kofler:

Noch ein weiter Weg

 

Ob wir nun im Jahre 2016 tatsächlich eine Gleichstellung zwischen Frau und Mann erreicht haben und welchen Einfluss das Frauenwahlrecht auf diesen steinigen Weg hatte, stehen als Themen im Mittelpunkt der Frauen.Gespräche 2016. Die PZ hat schon mal im Vorfeld bei der Brunecker Rechtsanwältin Angelika Kofler nachgefragt, die im Rahmen der Frauen.Gespräche am siebten März das Impulsreferat halten und an der Podiumsdiskussion teilnehmen wird.

 

PZ: Welche Rolle spielt das Frauenwahlrecht aus heutiger Sicht?

Angelika Kofler: Die Errungenschaft des Wahlrechts vor 70 Jahren kann als Beginn des Weges zur Durchsetzung der Selbstbestimmung der Frau und des Grundsatzes der Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau bezeichnet werden.

 

Was bedeutete das Wahlrecht konkret für die Frauen?

Das aktive und das passive Wahlrecht der Frau brachte mit sich, dass die Frauen auch in das politische Geschehen mit eingebunden wurden, einerseits als Wählerinnen und andererseits als Mitglieder der Parteien und in der Folge auch als Gewählte.

 

Ein wichtiges Jubiläum also, das im Fokus der Frauen.Gespräche 2016 steht?

Dieses Jubiläum gibt uns Anlass, einen Blick zurück in die Geschichte zu werfen, um aufzuzeigen, unter welchen gesellschaftlichen und rechtlichen Voraussetzungen die Frauen in den vergangenen Jahrhunderten gelebt haben und wie viel Einsatz notwendig war, um für heute selbstverständliche Rechte, wie das Recht auf Bildung, das Wahlrecht und das Recht auf Gleichberechtigung zu erhalten.

 

Wir dürfen auf eine interessante Podiumsdiskussion gespannt sein?

Obwohl sämtliche gesetzliche Maßnahmen zur Förderung der Frauen und zur Gleichstellung von Mann und Frau in der Gesellschaft getroffen wurden, scheint die vollständige Gleichstellung zwischen Mann und Frau immer noch nicht erreicht zu sein. Es ist immer noch so, dass die Männer in Führungspositionen in der Arbeit und in den politischen Ämtern überwiegen. Zusammen mit Expertinnen und engagierten Frauen werden wir in der Podiumsdiskussion versuchen die Gründe hierfür zu erörtern.

 

Interview: Judith Steinmair


 

Podiumsdiskussion „70 Jahre Wahlrecht der frau. Wo steht frau heute?“

 

Datum: 7. März 2016

Uhrzeit: 20 Uhr

Veranstaltungsort: Alte Turnhalle Bruneck

 

Teilnehmerinnen:

Marialuisa Gnecchi, Kammerabgeordnete und Frauenrechtlerin

Sonja Hartner, Leiterin der Stadtbibliothek Bruneck

Karoline Irschara, Studentin der Politikwissenschaften

Angelika Kofler, Rechtsanwältin

Michela Morandini, Gleichstellungsrätin

 

Moderation:

Judith Steinmair

 

Interessierte Zuhörerinnen und Zuhörer sind herzlich willkommen!

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