Um das Innichner Krankenhaus ist es vorübergehend ruhiger geworden. Nach den zahlreichen Hiobsbotschaften, mit denen die Hochpustertaler Bevölkerung in den letzten Monaten konfrontiert war, gibt es nun einige positive Entwicklungen. Die Wartezeiten in der Ersten Hilfe betragen oft bis zu fünf Stunden und auch die gynäkologische Ambulanz in Innichen bleibt wegen Ärztemandel vorläufig geschlossen. Das Misstrauen bleibt also.  

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 Die Wartezeiten in der Ersten Hilfe des Innichner Spitals sind oft lang. Die Wartenden entsprechend zahlreich.               ns

 

Die am ersten April des vergangenen Jahres offiziell eröffnete Einrichtung „frauen.gesundheit pustertal“ am Krankenhaus Innichen ist sehr gut angelaufen und wird mittlerweile von Frauen aus nah und fern aufgesucht. Schwangere aus dem oberen Pustertal, die sich wohl oder übel darauf einstellen mussten, ihr Kind in Bruneck auf die Welt zu bringen, können nun zumindest bis zum Geburtstermin in Innichen betreut werden und haben auch nachher die Möglichkeit, sich in der Nähe rund um die Themen Stillen, Rückbildung, Inkontinenz u. Ä. Hilfe und Rat zu holen.

 

Stillfreundliches Krankenhaus

Gerade das Thema Stillen nimmt im Innichner Krankenhaus einen großen Stellenwert ein, was trotz der jahrelangen Schließungsdiskussion dazu geführt hat, dass das Krankenhaus Innichen am 16. März dieses Jahres neben Brixen, Sterzing und Bruneck erneut die Auszeichnung „Stillfreundliches Krankenhaus“ verliehen bekommen hat. Die Anforderungen zur Erreichung dieser Zertifizierung sind sehr hoch. Die Krankenhäuser müssen zehn von der WHO und der Unicef festgelegten Indikatoren erreichen. Diese werden dann von einer externen Expertenkommission überprüft und erhalten bei positiver Begutachtung das drei Jahre lang gültige Siegel „Stillfreundliches Krankenhaus“. Besonders bemerkenswert ist diese Auszeichnung deshalb, weil diese derzeit italienweit nur 23 Krankenhäuser vorweisen können. So haben die jungen Mütter weiterhin die Möglichkeit, die Stillambulanz in Innichen aufzusuchen; sowohl Stillende als auch Frauen, die nicht stillen können oder möchten, können dort auf eine kompetente und einfühlsame Fachberatung zählen.  

 

Spezialsprechstunden

Besonders stolz ist das Frauengesundheitszentrum auch auf die Spezialsprechstunden für junge Mädchen und für Frauen mit Wechseljahrbeschwerden, die an mehreren Tagen in der Woche angeboten werden können. Weiters bildet die traditionelle chinesische Medizin einen wichtigen Meilenstein im Aufbau der „frauen.gesundheit“, die schon einigen Frauen, unabhängig davon, ob es sich um Menstruations-, Schwangerschafts- oder Wechseljahrbeschwerden handelt, geholfen hat. Und schließlich dürfen sich Frauen in jeder Lebensphase über die neueste Errungenschaft freuen, wenn sie am Krankenhaus Innichen eine psychologische Beratung in den verschiedensten Bereichen in Anspruch nehmen können.

 

Noch viele Fragen offen

Trotzdem darf nicht vergessen werden, dass all diese wertvollen Dienstleistungen nur dem Kampfgeist und der Zuversicht vieler Einzelner zu verdanken ist und dass trotz dieser positiven Entwicklung noch viele Fragen in Bezug auf das Krankenhaus Innichen offen bzw. einzelne Dienste noch immer in Gefahr sind. So konnten beispielsweise zwar drei neue Fachkräfte für Innichen gewonnen werden (Primar Dr. Martin Steinkasserer, die Psychologinnen Dr. Winkler und Dr. Reiterer). Die gynäkologische Ambulanz muss aber wegen Ärztemangels jedoch voraussichtlich bis Ende Mai am Freitagnachmittag geschlossen bleiben, was angesichts des großen Andrangs umso bedauernswerter ist und zwangsläufig zu längeren Wartezeiten für die Patientinnen führt.

Auch die Situation in der  Ersten Hilfe ist nach wie vor alles eher als erfreulich:  Für die Patienten sind Wartezeiten von fünf und mehr Stunden (vor allem an Montagen und in der touristischen Hochsaison) eine Zumutung. Und auch die besten Ärzte und das fleißigste und unermüdlichste Pflegepersonal sind aufgrund des Personalmangels und der unsicheren Zukunftsperspektiven überfordert, wenn im Wartesaal dreißig und mehr Patienten Stunden lang warten müssen. Der Unmut über derartige Verhältnisse steigt und droht ab und zu auch zu eskalieren.

Diese Tatsachen kann auch Landesrätin Dr. Martha Stocker nicht schönreden, wenn sie in der Neuen Südtiroler Tageszeitung vom 18.03.2016 behauptet: „Der Südtiroler Sanitätsbetrieb funktioniert besser, als er derzeit manchmal insbesondere in den Medien dargestellt wird.“ Ein Blick hinter die Kulissen schärft oft den Durchblick…                

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Bürgermeisterin Rosmarie Burgmann:

„Wir müssen wachsam bleiben!“

 

PZ: Frau Bürgermeisterin, wie sehen Sie die aktuelle Situation am Krankenhaus von Innichen?

Rosmarie Burgmann: Trotz der einzelnen positiven Entwicklungen vor allem im Bereich „Frauengesundheit Pustertal“ ist die Situation nach wie vor unsicher. So weiß man eigentlich immer noch nicht, wie es mit der Orthopädie und der Chirurgie weitergehen soll. Auch die derzeitige Situation in der Ersten Hilfe ist alles eher als erfreulich. Weiters ist die Zukunft der gynäkologischen Station fraglich. Nun muss erst einmal abgewartet werden, welche Rolle der neue Primar Dr. Martin Steinkasserer der gynäkologischen Abteilung am Innichner Krankenhaus zuweisen und wie das Problem der ärztlichen Unterbesetzung gelöst wird.

 

Worin sehen Sie das Hauptproblem der bereits jahrelangen prekären Situation an Südtirols kleinen Spitälern?

Ein großes Problem liegt momentan zweifellos im chronischen Mangel an Ärzten in allen Krankenhäusern des Landes und anscheinend in allen Bereichen. Aber die kleinen Krankenhäuser haben schon seit Jahren mit stetigen Zentralisierungsbestrebungen, Zertifizierungen von medizinischen Leistungen, wie z.B. der onkologischen Zertifizierung, zu kämpfen. Dazu kommen das Infragestellen der Qualität und Sicherheit und das Schlechtreden von medizinischen Leistungen in den kleinen Spitälern. Dass es Reformbedarf im Sanitätswesen gibt, das bestreitet wahrscheinlich niemand. Allerdings wird durch die jahrelange Untätigkeit, durch die fehlende Überarbeitung des Landesgesundheitsplanes, der schon seit Jahren verfallen ist, ein Klima der Unsicherheit und Ungewissheit geschaffen, welches leider alles andere als motivierend und anspornend auf die Bediensteten im Krankenhaus wirkt. Das sorgt auch bei der Bevölkerung für große und eigentlich vermeidbare Verunsicherung. Und je länger man zuwartet, desto weniger wird sich daran etwas ändern und desto größer ist die Gefahr, dass dadurch der eine oder andere Dienst an Innichens Krankenhaus unter die Räder kommt. Angesichts der langen Wartezeiten, denen sich die Bevölkerung ausgeliefert sieht, lässt sich erkennen, wie notwendig und wie sehr die Dienste in Anspruch genommen werden. Eine Grundversorgung vor Ort muss also ohne große Kompromisse aufrechterhalten werden.

 

Was muss in nächster Zukunft getan werden?

Mit der Erstellung der Leistungsprofile ist ein erster Schritt getan worden. Nichtsdestotrotz liegt noch sehr viel Arbeit vor den Verantwortlichen. Nun sind vor allem der Sanitätsbetrieb und die Mitarbeiter vor Ort gefordert, den Spielraum, der im Rahmen der Leistungsprofile offen bleibt, sinnvoll zu nutzen und auf die Bedürfnisse der Bevölkerung abzustimmen.

 

Wie können neue Ärzte, vor allem Jungärzte, gezielt angeworben werden?

Das ist das Um und Auf. Das Anwerben von Ärzten und Jungärzte ist immens wichtig. In Innichen könnte das dadurch funktionieren, indem die Ausbildungsmöglichkeiten forciert werden. Den Ärzten muss wieder die Möglichkeit geboten werden, auch die Strukturen kleiner Spitäler kennen zu lernen, indem sie einen Teil ihrer Ausbildung in Form eines Praktikums dort absolvieren können. Außerdem muss in solchen Krisenzeiten auch mit der obligatorischen Zweisprachigkeit flexibler umgegangen und eine Übergangslösung gefunden werden, damit auch dadurch Personal gewonnen wird.  Diese Maßnahmen müssten jetzt absolute Priorität haben. Der Ball liegt nun am Sanitätsbetrieb und bei den politisch Verantwortlichen. Wir als Gemeindeverwaltung werden auf jeden Fall weiterhin ein wachsames Auge auf die Entwicklungen im Sanitätswesen haben. Denn wir wollen verhindern, dass unser Grundversorgungskrankenhaus irgendwann zu einer Tagesklinik degradiert wird.

 

Interview: Nicoletta Schneider

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