Im Pustertal gibt es mittlerweile einige Gemeinden, in denen der Anteil nicht-italienischer Staatsbürger auf über fünf Prozent angewachsen ist. Tendenz steigend. Die Bezirksgemeinschaft sucht den Schulterschluss mit den Jugendorganisationen und den Gemeinden und will aufklärend aktiv werden. Denn nur so lässt sich das Phänomen langfristig in den Griff bekommen. Bei den politischen Vertretern braucht es aber noch mehr Engagement.
Gruppenfoto der letzten Sitzung der Arbeitsgruppe. ph
Im April organisierte die Bezirksgemeinschaft Pustertal gemeinsam mit den Jugendorganisationen des Pustertals ein Treffen mit Vertretern der Gemeinden, um sich über Migration im Bereich der Jugend auszutauschen. Ziel der Veranstaltung war es, gesammelte Erfahrungen, Informationen und durchgeführte Projekte vorzustellen, Gestaltungmöglichkeiten anzudeuten und Erwartungen auszusprechen. Die Einwanderung von Menschen aus anderen Ländern ist nämlich mittlerweile auch im Pustertal deutlich erkennbar und macht eine Auseinandersetzung und Zusammenarbeit zwischen Jugendorganisationen, Bezirksgemeinschaft und Gemeinden unabdinglich.
Und nachdem es im Pustertal mittlerweile einige Gemeinden gibt, in denen der Anteil von „neuen BürgerInnen“, also von nicht-italienischen Staatsbürgern, auf über fünf Prozent gewachsen ist, erachteten es die Bezirksgemeinschaft und die Jugendorganisationen des Pustertals als wichtig, mit der Politik in Austausch zu kommen und vielleicht auch einen Denkanstoß zu geben. Als Vorarbeit informierten sich die Mitarbeiter der Jugendorganisationen in den 25 Gemeinden des Pustertals über die aktuelle Anzahl von nicht-italienischen Staatsbürgern unter 18 Jahren. Schon allein diese Aktion hat in den Gemeinden und bei den jeweiligen Migrations- oder Jugendbeauftragten Reaktionen ausgelöst.
Politiker glänzen durch Abwesenheit
Beim ersten Treffen am sechsten April wurden erstmals genaue Zahlen und Fakten präsentiert und somit ein Austausch ermöglicht. Wichtig war es den Organisatoren, die Tätigkeiten und die vielen Projekte, die ohnehin schon laufen, aufzuzeigen. Es sollte klargestellt werden, dass es schon viele Initiativen gibt, die zeigen, wie mit dem Thema Migration umgegangen werden kann und wie offene Jugendarbeit sich den verändernden Bedingungen anpasst und diese aufgreift. Ziel war es, die Politik auf solche Initiativen aufmerksam zu machen. Die Jugendorganisationen spüren eine Verantwortung gegenüber Jugendlichen mit Migrationshintergrund und vermitteln diese deutlich: „Wir sind da für euch!“, hieß es quer durch die Bank.
Nun sei es wichtig, dass sich auch die Politik ihrer Verantwortung bewusst wird. Diesbezüglich gibt es aber noch Nachholbedarf. Denn von den 26 eingeladenen politischen Vertretern kamen gerade einmal zehn. Zwar äußerten sich die Organisatoren mit dieser Präsenz durchaus zufrieden, es zeigt allerdings auch, dass das Bewusstsein in Bezug auf Migration, Zusammenleben und Inklusion noch nicht in allen Gemeinden gleichermaßen vorhanden ist. Gleichzeitig ist die Zahl der Einwanderer in manchen Gemeinden aber auch so gering, dass die Situation kein Reagieren von Seiten der Politik notwendig macht.
Begegnung „auf Augenhöhe“
Grundsätzlich war das Treffen „eine Begegnung auf Augenhöhe, ohne Schuldzuweisungen“, so Gunther Niedermair vom UFO Bruneck. Im Vordergrund stand nicht „was man mit den Migranten machen sollte“, sondern viel mehr. Es ging darum „wie wir zusammenleben und an einem Inklusionsgedanken arbeiten können“, betonte Marcello Cont von der Bezirksgemeinschaft.
Die Ergebnisse des Austauschtreffens, die Recherchearbeiten und eine Vision werden nun schriftlich zusammengefasst und im persönlichen Kontakt mit den Gemeindereferenten an die jeweiligen Gemeinden weitergegeben. Wichtig sei es, dass sich die Politik bewusst ist, mit den Jugendorganisationen kompetente und erfahrene Berater und Unterstützer zu haben. Es sollen Ideen weiterentwickelt und umgesetzt werden, sodass einer Parallelgesellschaft, wie sie in vielen Großstädten schon existiert, im Pustertal vorgegriffen werden kann. Die politischen Vertreter müssen sich auf einen Sichtwechsel einlassen, müssen ihre Brillen absetzen und die Situation mit einer anderen Brille, mit der Brille der Migranten sehen, um neue Herausforderungen wahrzunehmen und darauf zu reagieren.
Das Zukunftsthema schlechthin
In die Zukunft blicken die Jugendorganisationen gelassen. Auch wenn das Thema Migration noch aktueller und wichtiger werden wird, sind sowohl die Bezirksgemeinschaft als auch die Vertreter der Jugendorganisationen überzeugt, mit der Situation zurechtzukommen. Gerade in der Jugendarbeit ist Inklusion und Zusammenleben einfacher, da die Jugendlichen oft noch weniger vorbelstet von Vorurteilen Erwachsener sind. Regeln gelten für alle gleich, es gibt keine Unterschiede oder Differenzierungen. Somit kann sich jeder wohl fühlen und ein friedliches Miteinander wird möglich.
Die einzige Sorge, die bleibt ist, dass das kulturelle Thema Migration ausschließlich an den Jugendorganisationen „hängen bleibt“. Und zwar dann, wenn sich die Politik nicht bewusst wird, dass es in erster Linie ihre Aufgabe ist, Zusammenleben zu ermöglichen und die Zukunft zu gestalten.
Patrizia Hainz