Der Sextner Claus Gatterer, Jahrgang 1924, gestorben 1984, war in Wien als Journalist und Schriftsteller tätig und erfolgreich. Hierzulande kennt man ihn besonders wegen seines kritisch-humorvollen Buches „Schöne Welt, böse Leut“ und anderer Werke über Südtirol. Vor kurzem wurde der Claus-Gatterer-Preis an den österreichisch-türkischen Journalisten Yilmaz Gülüm vergeben. Die preisgekrönten Artikel betreffen ausnahmslos die Flüchtlingsthematik.
Die verschiedenen Preisträger. Dahinter Bildungsminister Philipp Achammer, Armin Gattererm, sowie die Jury-Verantwortichen.
Minderheiten und Menschlichkeit bildeten das zentrale Thema bei der Verleihung des Prof. Claus Gatterer Preises für sozial engagierten Journalismus im Stadttheater Bruneck am 29. Juni 2016. Hausherr Klaus Gasperi und Peter Banninger, Vizepräsident des Österreichischen Journalisten Clubs (ÖJC), der den Preis zusammen mit dem Land Südtirol vergibt, begrüßten ihre Gäste persönlich.
Unmissverständlich wies Kulturlandesrat Philipp Achammer in seiner Rede auf die Wirkung von Sprache hin, auf die mit der Wortwahl verbundenen Folgen und Gefahren. Das russische Sprichwort „Die Zunge hat keine Knochen, aber sie kann Knochen brechen,“ mit dem Zusatz „und sie hat schon viele Knochen gebrochen“, bildete den Kern der Überlegungen. Der Gegenwart falle die Aufgabe zu, in der Vergangenheit begangene, oft mörderische Fehler zu korrigieren. Die heutige Berichterstattung in den Medien zeuge leider von erschreckendem sozialem Analphabetismus, Unwissenheit werde gewinnbringend ausgenutzt. Dem Claus Gatterer Preis zur Förderung sozial engagierter Journalisten kommt wegen seiner ganz anderen, verantwortungsbewussten Ausrichtung große Bedeutung zu.
Engagierter Journalismus
Jury-Vorsitzender Fred Turnheim spann den Grundgedanken in der Laudatio weiter. Claus Gatterer war, so Turnheim, einer der Journalisten, die sich am meisten für benachteiligte Minderheiten einsetzen. Gatterer würde sich allerdings über die heutige Welt mächtig wundern. Zu seiner Zeit gab es Solidarität, Geradlinigkeit, Werte. Heute berichtet der Journalismus vor allem schrilles Tagesgeschehen und spielt so den Rattenfängern unserer Gesellschaft in die Hände. Die Medien seien zum Vernichtungsinstrument in der Hand der Mächtigen verkommen. Die Leistungen unabhängiger Journalisten seien demnach ganz besonders schätzenswert, sie tragen C. Gatterers soziale Einstellung weiter. Solchen Journalismus finde man leider fast ausschließlich in privaten Medien.
Einfühlsame Sprache
Der von Turnheim vorgestellte Preisträger 2016, Yilmaz Gülüm, ist 27 Jahre jung. Vorbildlicher Journalismus und vor allem die außergewöhnlich einfühlsame Sprache waren ausschlaggebend für seine Ehrung. Sohn politischer Flüchtlinge aus der Türkei, in Wien geboren, hat er schon drei universitäre Studien mit Auszeichnung abgeschlossen, ist seit 2009 journalistisch tätig, inzwischen Redakteur von NEWS und Lektor an der Universität. Prämiert wurde er für drei Flüchtlingserzählungen, Geschichten von Menschen, die niemand kennt, die man nicht im Fernsehen oder auf Titelseiten sieht. Aber zu jedem Menschen gehört ein Schicksal, manchmal ein unvorstellbar schreckliches.
Die Ehrende Anerkennung wurde Frau Katharina Weinmann verliehen. Sie gehört zu einer der in den letzten Jahrzehnten entstandenen Journalistengruppen, die mutig gegen den Strom schwimmen. Die Ehrung verdankt sie einer 15-minütigen Dokumentation mit dem Titel „Sind Sie vom Islam? - Rassismus und Zivilcourage in Wien“. Darin zeigt sie Alltagserfahrungen von Migranten in einem zunehmend antiislamischen Umfeld. Claus Gatterer selbst hat den Begriff des „Antisemitismus ohne Juden“ für eine Situation geprägt, in der Ablehnung und Abneigung infolge gezielter Hetze gegen Minderheiten entsteht, gegen Menschengruppen, die in Wirklichkeit wenig oder keinen gesellschaftlichen Einfluss haben.
Vorurteile abbauen
In seiner Dankesrede erzählte Preisträger Yilmaz Gülüm kurz die Geschichte seiner Familie. Migranten bereichern seiner Meinung nach das gesellschaftliche Leben und werden die Zukunft Europas zunehmend mitgestalten. Medien berichten heutzutage, so Gülüm, übertrieben viel über Ausnahmen und Extremfälle und viel zu wenig über das „normale“ Leben. So viel sieht, hört und liest man z.B. über Flugzeugabstürze, dass, gemessen an der öffentlichen Aufmerksamkeit, normalerweise fast alle Flugzeuge abstürzen müssten. In Wirklichkeit verlaufen normalerweise aber jeden Tag Millionen Flüge völlig problemlos, der Absturz ist eine extrem seltene Ausnahme. Auch bei den Flüchtlingen sei es ähnlich: Extremfälle würden reißerisch breitgetreten, Ängste geschürt. In Wirklichkeit suchten fast alle Migranten einfach nur nach Möglichkeiten, ein ganz normales Leben zu führen. Würden die Medien weniger über extrem negative Ausnahmen berichten, gäbe es auch viel weniger Vorurteile.
Gegen den Strom
Frau Weinmann, mit der Ehrenden Anerkennung ausgezeichnet, meinte, die prämierte Dokumentation beweise, dass man auch mit wenig Zeit und wenig Geld gehaltvollen Journalismus machen könne. Es sei also möglich und angebracht, in dieser Richtung mehr zu unternehmen. Ihr Sender habe ihr eine Chance dazu gegeben, in vielen anderen Redaktionen liefen die Dinge aber anders.
Die ansprechende Feier umrahmte das Duo Dorigatti & Hofmann gekonnt mit zum Teil gewollt kitschig-volkstümlichen, zum Teil abgewandelten oder verjazzten Volksliedern und Musikstücken.
Margareth Berger