Die Themen Migration und Flucht sind im Moment brandaktuell. Was den vielen aktuellen Krisenherden weltweit geschuldet ist, betrifft jetzt schon zum zweiten Mal direkt auch Niedervintl: Seit wenigen Wochen leben im „Fischerhaus“ wieder Asylsuchende aus Afrika. Im September kommen des Weiteren bis zu 16 Flüchtlinge ins Josefsheim nach Bruneck.
Im „Fischerhaus“ in Vintl sind wieder Flüchtlinge aus Afrika untergebracht. aw
Das „Fischerhaus“ in Vintl hat eine wechselvolle Geschichte. Auf dem Fundament des alten Hauses wurde vor mehr als einem Jahrzehnt das neue „Fischerhaus“ errichtet, das Platz für mehrere Familien bietet. Im Zuge des Ausbaus der Umfahrungsstraße wurde das Haus geräumt und ging in Landesbesitz über. Ab diesem Zeitpunkt stand das Haus leer und zerfiel zusehends. Als im Jahr 2012 bekannt wurde, dass dort Flüchtlinge aus Afrika untergebracht werden sollten, gab es seitens der Bevölkerung durchaus auch kritische Stimmen. Zu diesem Zeitpunkt wusste niemand, wer denn die Männer waren, die hier vorübergehend ein Zuhause finden sollten.
Diese Unsicherheiten zerstreuten sich dann jedoch schnell. In der Zeit, in der die „Fischerbuibm“ in Vintl untergebracht waren, ließen sie sich nichts zuschulden kommen. Vielmehr freuten sich auch viele Vintler über die Teilnahme der Einwanderer an Festen und ein freundliches Wort auf der Straße.
Ein jähes Ende fand das friedliche Zusammenleben mit dem Brandanschlag auf das Flüchtlingsheim, bei dem drei Molotow-Cocktails von der Straße aus gegen die Fassade des Hauses geworfen wurden. Bis heute ist unklar, wer den Brandanschlag verübt hat. Umso tragischer ist, dass einige – wie später eruiert wurde – unschuldige Bürger über Wochen der Tat verdächtigt wurden und bis heute keine offizielle Entschuldigung erhalten haben, während die wahren Täter offensichtlich unbescholten davonkamen.
Seit wenigen Wochen sind nun bereits zum zweiten Mal Flüchtlinge aus Afrika im „Fischerhaus“ untergebracht. Anders als beim letzten Mal sind die „Fischerbuibm“ diesmal nicht unter sich, sondern haben weibliche Gesellschaft. Die PZ hat mit dem Bürgermeister Walter Huber über das Schicksal der ehemaligen Bewohner und über die aktuellen Flüchtlinge gesprochen.
Die Flüchtlinge sind zum Nichtstun verdammt, solange sie nicht als „Asylanten“ gelten. aw
Interview mit Bürgermeister Walter Huber
PZ: Herr Huber, warum wurde jetzt bereits zum zweiten Mal das Fischerhaus als Unterbringungsort für die Flüchtlinge ausgewählt?
Walter Huber: In den Vorgesprächen, die wir mit den Zuständigen vom Land bzw. von den Landesämtern geführt haben, war die Begründung immer die, dass Strukturen genutzt werden sollen, die in Landesbesitz sind und an denen relativ wenige Umbauarbeiten durchzuführen sind.
Wissen Sie über das weitere Schicksal der Flüchtlinge, die vor drei Jahren im Fischerhaus wohnten, Bescheid?
Ich weiß über das Schicksal einiger Menschen Bescheid, die hier in Südtirol eine Arbeit gefunden haben. Einer arbeitet hier beim Bäcker, einer verdient sein Geld in einem Hotel in Terenten, einer hat in Vahrn bei einem Bauern Arbeit gefunden. Drei der ehemaligen „Fischerbuibm“ wohnen aktuell in der Dienstwohnung der Mittelschule Vintl. Sie haben einen Mietvertrag mit der Gemeinde, bezahlen eine Kleinigkeit und erbringen ansonsten Dienstleistungen in Form von Reinigungsarbeiten im Außenbereich der Gemeinde und der Schulen. Von den anderen Menschen, die damals hier gewohnt haben, weiß ich leider nichts.
Woher stammen die Menschen, die jetzt im „Fischerhaus“ untergebracht sind?
Sie stammen alle aus Afrika, und zwar vorwiegend aus Zentral- und Westafrika. Ich habe mir sagen lassen, dass mehrere aus Nigeria, aus Togo, aus Gambia, aus Mali und aus den benachbarten Staaten kommen.
Wie viele Leute sind aktuell im „Fischerhaus“ untergebracht?
Im Moment leben dort 20 Männer und 10 Frauen.
Wie viele von den Einwanderern im „Fischerhaus“ besitzen bereits den offiziellen Flüchtlingsstatus?
Einige der Leute dort besitzen im Moment eine provisorische Aufenthaltsgenehmigung. Niemand wird bis jetzt jedoch offiziell als Asylant anerkannt.
Wie schaut das weitere Leben dieser Menschen aus? Wohin werden sie gebracht und wie sind ihre Chancen, auch dauerhaft bleiben zu dürfen?
Voraussichtlich werden diese Menschen jetzt erst einmal ein Jahr lang in Vintl bleiben. Sollten sie in dieser Zeit Anrecht auf Asyl bekommen, sind sie anschließend frei und können sich auf dem freien Arbeitsmarkt bewegen. Es ist möglich, dass der eine oder andere bei uns bleiben wird, die Wahrscheinlichkeit, dass alle wieder wegziehen, ist aber insgesamt größer.
Welche Möglichkeit hat die Gemeinde, aktive Integration zu betreiben?
Wir hatten erst vor kurzem ein Treffen mit verschiedenen Vereinen und Verbänden sowie der Caritas, die im Moment die Betreuung innehat. Dabei haben wir angedacht, wer was machen könnte. Die größten Probleme für die Flüchtlinge sind im Moment die Ungewissheit darüber, was mit ihrem Antrag passiert und die Frage, wie sie den Tag verbringen sollen. Die überwiegend jungen Leute sind im „Fischerhaus“ auf engstem Raum untergebracht und haben nichts zu tun. Daher versuchen verschiedene Vereine und Verbände, Kontakt aufzunehmen und zu schauen, welche Möglichkeiten es gibt, um den Menschen dort eine Möglichkeit zur Arbeit und zur Beschäftigung anzubieten. Es werden wohl wieder Sprachkurse organisiert werden, die Zirkusschule Circomix wird ein Angebot unterbreiten, die Schulen werden ein kleines Projekt auf die Beine stellen. Außerdem bemüht sich die Pfarrcaritas um einige Aktivitäten. Die Gemeinde wird zudem mit notwendigen Kleinigkeiten aushelfen und ein paar Arbeiten im Außenbereich finden, die von den Flüchtlingen übernommen werden können. Letztlich geht es darum, die Flüchtlinge als Menschen wertzuschätzen und ihnen eine sinnvolle Tätigkeit anzubieten.
Was würden Sie sich von der Landesregierung wünschen, um möglichst gut auf neue Einwanderer vorbereitet zu sein und um ein friedliches Zusammenleben zu ermöglichen?
Ich glaube, dass das ganze Problem der Flucht und Migration auf höherer Ebene geregelt werden muss. Ich denke, dass das nicht auf Landes- oder Staatsebene diskutiert werden kann, sondern dass dafür europaweit eine Regelung gefunden werden muss, indem alle Nachbarstaaten, die davon betroffen sind, in die Diskussion einbezogen werden. In Bezug auf die Landesregierung freut es mich, dass sie bereits im Vorfeld Kontakt zur Gemeinde gesucht hat und wir schon früh wussten, was auf uns zukommt. Gemeinsam haben wir dann eine Informationsveranstaltung für die Bevölkerung angeboten.
Ich bin der Meinung, dass die Landesregierung ebenso wenig in der Lage ist, adäquat auf die Flüchtlingsproblematik zu reagieren, wie wir es als Gemeinde sind. Die Zusammenarbeit zwischen Land und Gemeinde kann ich jedenfalls wirklich als gut bezeichnen.
Interview: Alexandra Wiegele
Wer ist ein Flüchtling?
Laut UNHCR ist ein Flüchtling eine Person, „die sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt oder in dem sie ihren ständigen Wohnsitz hat und die wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung hat und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht vor Verfolgung nicht dorthin zurückkehren kann.“ Die Tatsache, dass die Bezeichnung „Flüchtling“ in Italien rechtlich erst dann korrekt ist, wenn der so genannte „Flüchtlingsstatus“ der jeweiligen Person anerkannt wurde, widerspricht also im Grunde dieser Definition.