Stürmische Zeiten für Familien: Kürzungen bei Beiträgen und Zuschüssen, zunehmende wirtschaftliche Belastungen, ein konkurrierender Arbeitsmarkt, fehlende Betreuungseinrichtungen. Da heißt das Motto „Kurs halten und volle Kraft voraus“. Das Netzwerk Kinderbetreuung gibt dabei Rückenwind. Am neunten Oktober kamen die Mitglieder unter der Koordination des Bildungsweg Pustertal erneut zusammen und haben konkrete Arbeitsgruppen und Zielstellungen definiert: Für die Qualität in der Kinderbetreuung sind damit erste Schritte für entsprechende Maßnahmen eingeleitet worden.
Die Teilnehmer am jüngsten Workshop: Grundlegende Entscheidungen für die Zukunft getroffen.
Der Bildungsweg Pustertal setzt sich bereits seit mehr als zehn Jahren für Familien im Pustertal ein. Mit seiner Initiative des Netzwerk Kinderbetreuung als Teil des Bündnisses für Familie ist ein Expertennetzwerk entstanden, das mit Menschen aus der Praxis der Kinderbetreuung viel zur Verbesserung der Situation der Familien und ihren Kindern in Südtirol beitragen kann. Es setzt sich für familienfreundliche Maßnahmen mit dem Schwerpunkt Qualität in der Kinderbetreuung im Pustertal ein. Seit seiner Gründung 2014 wurde das Netzwerk aus Gemeinden, Vereinen und Genossenschaften, Kinder- und Jugendanwaltschaft, Gleichstellungsrätin des Landes, Südtiroler Plattform für Alleinerziehende, Südtiroler Sanitätsbetrieb u.a. laufend erweitert.
Mitglied wird, wer sich verpflichtet, sich für die Qualität in der Kinderbetreuung einzusetzen. Die Anbieter überprüfen dafür laufend die eigenen Angebote, im Rahmen des Netzwerkes und organisationsintern. Die dafür definierten Richtlinien sind in der sogenannten „Charta“ zusammengefasst und bilden immer wieder Grundlage der Zusammenarbeit der Mitglieder. Die Netzwerkpartner sprechen sich darin dafür aus, dass die Betreuung am Wohle des Kindes und seiner Familien ausgerichtet ist und die Chancengleichheit von Kindern unterschiedlicher sozialer und kultureller Herkunft, Sprache, Religion und beider Geschlechter unterstützt.
Nägel mit Köpfen machen
Den Netzwerkmitgliedern ist vor allem eines wichtig: Nägel mit Köpfen zu machen. Netzwerkstrukturen, und die Vereinbarung gemeinsamer Vorgehensweisen sind wichtige Randbedingungen, jedoch darf der Blick für das Wesentliche nicht verloren gehen. Und das sind konkrete Maßnahmenpakete, um Familien zu stärken. Die Handlungsfelder sind hier breit gestreut und so wurden zunächst Arbeitsgruppen für die Information von Familien und Öffentlichkeit, den Ausbau der Wissensplattform „www.kinderzeit.bz“, die Sicherung der Finanzierung der Kinderbetreuung und den Einsatz entsprechender Personalressourcen definiert. In den nächsten Wochen und Monaten werden dazu im Netzwerk konkrete Vorgehensweisen entwickelt und ihre Umsetzung auf den Weg gebracht.
Bereits erste Schritte wurden in Bezug auf die Wissensplattform für Familien (www.kinderzeit.bz) gegangen. Hier wird Wissenswertes für Familien vom Bildungsweg Pustertal in Kooperation mit den Kinderbetreuungsanbietern zusammengetragen und allgemein zugänglich gemacht. Die Informationen reichen von Kinderbetreuungseinrichtungen im Pustertal, über Pflegedienste und Freizeitangebote bis hin zu Familienbildungsveranstaltungen. Die Plattform lebt vom Wissen aller, die mit Familienthemen in Berührung kommen, und soll weiter wachsen und angepasst werden.
Mit dem gestärkten Netzwerk konnte auch die Politik erneut auf die Aktivitäten zum Wohle der Familien aufmerksam gemacht werden. Die mehr als positiven Rückmeldungen des gemeinsamen Wirkens haben die Netzwerkmitglieder bestätigt, den richtigen Kurs eingeschlagen zu haben.
Schließlich setzt man auf die zunehmende Präsenz von koordinierten Angeboten familienergänzender Betreuung in der Öffentlichkeit und hofft auf reges Interesse bei denen zu stoßen, um die es geht: den Familien. Aus diesem Grund sind auch die Arbeitsgruppen ergebnisorientiert und vor allem transparent für die unterstützende Öffentlichkeit. Die dort entwickelten Maßnahmen leben von der Rückmeldung ihrer Zielgruppe, den Familien.
Wunsch nach mehr Zusammenarbeit
Nicht nur das Treffen selbst war Ausdruck gelungener Vernetzung der unterschiedlichen Mitgliederorganisationen. Der Wunsch nach mehr Zusammenarbeit und das Engagement der Mitglieder zeigte sich auch in der intensiven Arbeit und den angeregten Diskussionen in den Arbeitsgruppen zu den gemeinsamen Themen. Gefordert werden auch neben finanziellen Voraussetzungen Rahmenbedingungen, die die Landesverwaltung schaffen für die Festlegung von pädagogischen Richtlinien und Standards für die Strukturqualität und deren Überprüfung. Als Voraussetzung für Qualität sehen die Netzwerkpartner die Zusammenarbeit von Landesverwaltung und ihnen als Experten der Kinderbetreuung aus der Praxis.
Irmgard Pörnbacher
Infobox
Das Netzwerk besteht derzeit aus 28 Mitgliedern: Bildungsweg Pustertal, Gemeinde Bruneck, Gemeinde Enneberg, Gemeinde Gsies, Gemeinde Innichen, Gemeinde Mühlbach, Gemeinde Olang, Gemeinde Percha, Gemeinde Pfalzen, Gemeinde Sand in Taufers, Gemeinde Sexten, Gemeinde Terenten, Gemeinde Toblach, Gemeinde Vintl, Gesundheitsbezirk Bruneck, Gleichstellungsrätin, Jugenddienst Bruneck, Jugenddienst Hochpustertal, Jugendgruppe Aggregat, Jugend- und Kulturzentrum Ufo Bruneck, Jugendzentrum Loop, Kinder- und Jugendanwaltschaft, Südtiroler Plattform für Alleinerziehende, Sozialgenossenschaft "Die Kinderfreunde Südtirol", Sozialgenossenschaft "Mit Bäuerinnen lernen-wachsen-leben", Sozialgenossenschaft Tagesmütter, Verein "Die Kinderwelt Onlus" Meran, Yoseikan Budo Sand in Taufers. Nähere Infos bei Bildungsweg Pustertal – Netzwerk Kinderbetreuung unter www.biwep.it, Tel.0474/530093 oder Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Charta zur Qualität familienergänzender Kinderbetreuung vorgelegt vom Netzwerk "Kinderbetreuung im Pustertal"
Zum Wohl des Kindes und seiner Familie
1) Familienergänzende Kinderbetreuung orientiert sich am Wohl des Kindes und seiner Familie.
2) Das Wohl des Kindes hat gemäß UN-Kinderrechtskonvention Vorrang. Familienergänzende Kinderbetreuung sichert das körperliche, soziale, emotionale und intellektuelle Wohlbefinden der Kinder.
3) Familienergänzende Kinderbetreuung unterstützt Eltern in ihrer Erziehungsaufgabe und im Bestreben, Familie mit Beruf, Ausbildung oder anderen Aufgaben zu vereinbaren. Sie berücksichtigt in angemessener Weise Bedürfnisse von Müttern und Vätern und Anforderungen der Arbeitswelt.
Entwicklung fördern durch Betreuung, Erziehung und Bildung
4) Kinder sind aktive, kompetente Menschen, die von Geburt an spielerisch und aus eigenem Antrieb ihr soziales und materielles Umfeld erforschen und sich die Welt aneignen. Sie lernen in sozialen Zusammenhängen, indem sie ihre Mitmenschen beobachten, mit ihnen kommunizieren und kooperieren. Sie brauchen emotionale Sicherheit, Zuwendung und anregende Lern- und Erfahrungsmöglichkeiten.
5) Familienergänzende Kinderbetreuung trägt diesen Bedürfnissen Rechnung und bietet optimale Entwicklungsbedingungen. Sie fördert durch Betreuung, Erziehung und Bildung die ganzheitliche Entwicklung von Kindern.
Chancengleichheit fördern
6) Familienergänzende Kinderbetreuung fördert die Chancengleichheit von Kindern unterschiedlicher sozialer und kultureller Herkunft, Sprache, Religion und beider Geschlechter. Sie wertschätzt Vielfalt und schafft ein Klima der Toleranz gegenüber Kindern, Eltern und Erziehenden und gegenüber der Umwelt.
7) Die Angebote stehen grundsätzlich allen Kindern offen und sind für die Eltern finanziell tragbar. Sie nehmen Rücksicht auf Kinder mit besonderen Bedürfnissen.
Mit Partnern zusammenarbeiten
8) Familienergänzende Kinderbetreuung ist Teil eines umfassenden Erziehungs- und Bildungsprozesses, der mit der Geburt eines Kindes beginnt und in den Eltern, Erziehende, Lehrkräfte und andere Fachpersonen eingebunden sind. Einrichtungen der familienergänzenden Kinderbetreuung suchen und fördern die Zusammenarbeit mit allen an der Erziehungs- und Bildungspartnerschaft Beteiligten sowie mit Behörden und dem Gemeinwesen.
Qualität sichern
9) Familienergänzende Kinderbetreuung setzt sich eine hohe pädagogische Qualität zum Ziel. Diese orientiert sich an optimalen Entwicklungschancen für Kinder und an aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen.
10) Einrichtungen für familienergänzende Kinderbetreuung streben als lernende Organisationen eine kontinuierliche Entwicklung ihrer fachlichen Praxis und Verbesserung ihrer Dienstleistungen an. Qualitätsentwicklung und -sicherung bezieht alle Beteiligten (Kinder, Eltern, pädagogische Fachkräfte, Träger) mit ein. Sie orientiert sich sowohl an fachlich-inhaltlichen wie an organisatorisch-betriebswirtschaftlichen Kriterien.
Personal gewinnen, entwickeln und erhalten
11) Die Betreuung, Erziehung und Bildung von Kindern ist eine anspruchsvolle pädagogische Aufgabe. Diese erfordert entsprechend ausgebildetes Personal und fachliche Begleitung, welche der pädagogischen Verantwortung auf allen Altersstufen gerecht werden.
12) Betreuungsqualität ist abhängig von der Arbeitszufriedenheit der Mitarbeitenden. Gute Arbeitsbedingungen, eine angemessene Entlohnung, aufeinander abgestimmte und durchlässige Aus- und Weiterbildungsangebote, gesellschaftliche Wertschätzung und attraktive Laufbahnperspektiven erhöhen die Arbeitszufriedenheit und Konstanz des Personals.
Angebot an Kinderbetreuung ausbauen und sichern
13) Das Land hat sich zum Ausbau des familienergänzenden Betreuungsangebots verpflichtet. Es schafft entsprechende gesetzliche Grundlagen und stellt die dafür nötigen Mittel zur Verfügung.
14) Das Land sichert das Angebot und koordiniert die Aufgabenteilung zwischen Land, Gemeinden und Anbietern. Es erlässt in Zusammenarbeit mit entsprechenden Fachorganisationen pädagogische Richtlinien, setzt Mindeststandards für die Strukturqualität und regelt deren Einführung und Überprüfung.
15) Die zuständigen Stellen sorgen dafür, dass die finanziellen Mittel effizient und effektiv eingesetzt und qualitative Mindestanforderungen erfüllt werden.
Forschung fördern, Datenlage verbessern
16) Das Land fördert die Forschung und Entwicklung und erhebt die für die Angebotsentwicklung nötigen Daten im Bereich der familienergänzenden Kinderbetreuung. //