Die Stimmung im Stadttheater Bruneck ist momentan zwiegespalten. Zum einen herrscht große Freude über das hervorragende Abschneiden der „Europäischen Theaterschule“ in Wien, zum anderen ist die Zukunft der Theaterschule immer noch ungewiss. Grund für die Unsicherheit sind die Vorgänge rund um den Europäischen Sozialfond (ESF). Über 135.000 Euro sind derzeit blockiert - für Theaterdirektor Klaus Gasperi ein „Wahnsinn“. Wir haben genauer nachgefragt.
Die Studenten des Stadttheaters Bruneck mit Direktor Klaus Gasperi und Dozent Horst Herrmann in Wien
PZ: Kürzlich haben die Studenten der „Europäischen Theaterschule Bruneck“ in Wien ihre Prüfungen abgelegt. In den vergangenen Jahren waren eure Studenten bei Prüfungen und Vorsprechen ja immer sehr erfolgreich…
Gasperi: Ja, und so war es auch heuer. Am neunten und zehnten Juni haben alle unsere Studenten vor der „Österreichischen Paritätischen Schauspiel-Prüfungskommission“, bei der nicht nur die Österreicher, sondern auch Absolventen der Schauspielschulen aus dem gesamten deutschsprachigen Raum ihre Prüfungen ablegen, mit größtem Erfolg bestanden. Wir waren sogar die einzige Schauspielschule, die eine hundertprozentige Prüfungserfolgsquote erreicht hat! Der beeindruckende Ausbildungs-Standard unserer Studenten wurde von der Prüfungskommission besonders hervorgehoben und die Theaterschule Bruneck wurde als eine der erfolgreichsten Schauspiel-Ausbildungsstätten im gesamten deutschsprachigen Raum gewürdigt.
Theaterdirektor Klaus Gasperi ist sauer
Auch in Südtirol ist eure Schule sehr gut angesehen, oder?
Unsere Schule ist zum Nachwuchspool der Südtiroler Theaterszene geworden. Unsere Studenten wurden nicht nur für Theaterproduktionen in Bruneck, sondern bereits während ihrer Ausbildung u.a. auch von den Vereinigten Bühnen Bozen, den Städtetheatern, von verschiedenen Theater-Sommerspielen im In- und Ausland sowie von Amateur-Theaterbühnen engagiert. Aber auch für TV- oder vom BSL mitfinanzierte Filmproduktionen werden die Absolventen und Studenten der Theaterschule Bruneck immer wieder gebucht. Als professionell ausgebildeter „Südtiroler Beitrag" wurden sie immer wieder als Schauspieler, Komparsen oder Produktionsmitarbeiter bei vielen in Südtirol gedrehten Filmen engagiert. Aber nicht nur Kulturveranstalter profitieren von der „Europäischen Theaterschule Bruneck". Auch Tourismus- und Wirtschaftsverbände, Jugendzentren und Schulen nutzen regelmäßig die Theaterschule. Allein in Zusammenarbeit mit der „Kinder- und Jugendanwaltschaft" wurde das Social- Network-Projekt „Tatort" über 25 Mal in Mittel-, Berufs- und Oberschulen in ganz Südtirol aufgeführt.
Eure Studenten haben heuer also die „Bühnenreife“ geschafft und sind jetzt staatlich anerkannte Schauspieler. Wie geht es im nächsten Jahr weiter?
Nach dem ESF-Skandal hat das Kulturamt der Südtiroler Landesregierung die Finanzierung des dritten Ausbildungsjahres der Theaterschule Bruneck dankenswerterweise übernommen und somit neun Studenten den Studienabschluss ermöglicht. Im nächsten Schuljahr müssen wir noch vier Quereinsteiger zum Abschluss bringen. Dafür hat mir Landesrat Achammer einen Beitrag versprochen. Wie es dann aber weitergehen soll, liegt in den Sternen. Denn wie wir wissen, wurden nach einem „Audit“ der EU- Kontrolleure im Amt des ESF in Bozen alle Auszahlungen wegen nachgewiesener Unregelmäßigkeiten in den vergangenen Jahren blockiert. Dadurch wurden viele Bildungseinrichtungen, die so wie wir seriös und nachweislich erfolgreich gearbeitet haben, in eine katastrophale finanzielle Misslage gebracht. Die dadurch entstandenen und verheerenden Folgen sind noch immer nicht absehbar. Wir von der Theaterschule Bruneck warten seit über einem Jahr auf die uns zustehenden und durch Kredite bereits vorfinanzierten 135.000 Euro, um endlich unsere Dozenten und Lieferanten bezahlen zu können.
Gibt es Hoffnung auf eine Fortsetzung der „Europäischen Theaterschule Bruneck"?
Wenn Südtirol eine so erfolgreiche Institution einfach fallen lässt, dann stimmt etwas nicht. Die immer professioneller werdende Theaterszene und natürlich die Südtiroler Filmwelt brauchen ausgebildete, heimische Schauspieler. Deswegen hoffen wir auch, dass gerade aus dieser Richtung etwas passiert. Der Europäische Sozialfonds ist momentan zu vergessen. Dass uns nämlich dessen Verantwortliche und die Politiker, die uns beauftragt haben, die Kurse durchzuführen, jetzt im Regen stehen lassen, ist schlichtweg der Wahnsinn. Die Unregelmäßigkeiten, die das Bozner Amt und die damaligen Politiker, die weggeschaut haben, zu verantworten haben, werden kurzerhand in den Hintergrund gestellt, die Auszahlungen werden blockiert und die anfallenden Zinsen und alle anderen Unannehmlichkeiten werden einfach uns Projektträgern zugeschoben. Nicht von ungefähr drängt sich der Gedanke auf, dass das Hauptaugenmerk der verschiedenen Untersuchungs- und Kontrollkommissionen nicht auf der Lösung des Problems liegt, sondern auf der Reinwaschung der für diesen Schlamassel zuständigen ehemaligen Amtsleiter und Politiker.
Interview: Judith Steinmair