Literaturpreise würdigen verdienstvolle Schriftsteller und ihre Bücher. Leser finden in den Listen der Gewinner und Nominierten Inspiration für neue Bücher und entdecken vorher unbekannte Autoren. Das ist bei Bibliothekarinnen nicht anders. Deshalb kommen unsere aktuellen Buchtipps aus der Ecke der Preisgekrönten und Preisverdächtigen – und auch der Preislosen. Viel Spaß beim Lesen wünscht das Team der Stadtbibliothek Bruneck. Unser Tipp: einfach mal reinschauen bei uns.
Preisverdächtig
Per J. Andersson: Vom Inder, der mit dem Fahrrad bis nach Schweden fuhr, um dort seine große Liebe wiederzufinden.
Kiepenheuer & Witsch 2013, 318 Seiten
Die Geschichte beginnt im Indien der Sechziger Jahre, wo das Leben einerseits farbenprächtig und voller Gerüche und Düfte ist, gleichzeitig jedoch den Angehörigen der niedrigeren Kasten wenig Möglichkeiten zur Entfaltung lässt. Pikay wird genau in eine solche Kaste geboren, er darf zwar zur Schule gehen, muss dabei aber – getrennt von allen Mitschülern – auf der Veranda des Klassenzimmers sitzen und von dort aus dem Unterricht folgen. Er entdeckt sein Zeichentalent, das er von seiner Mutter geerbt hat, die zu hohen Festtagen immer die Lehmhütten der Dorfbewohner farbenprächtig bemalte. Pikay bekommt sogar ein Stipendium für eine Kunstuniversität in Neu Delhi, doch das Stipendium bleibt bald aus, weshalb er nicht nur das Schulgeld nicht mehr aufbringen kann, sondern auch obdachlos wird. Trotzdem werden Präsidenten und Medien auf ihn aufmerksam, er wird so etwas wie eine Berühmtheit unter den Obdachlosen, bevor sich endlich seine Geburtsprophezeiung erfüllt und er eine schwedische Touristin kennenlernt. Um sie wiederzusehen, kauft er sich ein gebrauchtes Fahrrad und macht sich auf den Weg nach Schweden…
Mit viel Einfühlungsvermögen in die indische Seele, Geruchs- und Farbenwelt geschilderte Lebensgeschichte, die auf wahren Tatsachen beruht.
Empfohlen von Evi Weissteiner
Ganz ohne Preis
Petra Hülsmann: Wenn Schmetterlinge Loopings fliegen.
Bastei Lübbe, 2015 - 413 Seiten
Karo hat sich jahrelang abgerackert, um ihr Abi nachzuholen und zu studieren. Voller Tatendrang will sie nach bestandener Bachelorprüfung in einem neuen Job durchstarten. Von Bochum geht‘s in die Weltstadt Hamburg in die WG ihrer besten Schulfreundin. Blöd nur, dass ausgerechnet an ihrem ersten Arbeitstag der neue Arbeitgeber wegen Steuerhinterziehung festgenommen wird. Statt endlich die große Karriere zu starten, schreibt Karo nun wieder Bewerbung über Bewerbung. Sie will schon aufgeben und wieder zurück in den Ruhrpott ziehen, als sie beim Fußball-Bundesligisten Eintracht Hamburg eine Stelle im Marketing angeboten bekommt. Leider entpuppt sich der vermeintliche Traumjob wieder als Niete, aber das Geld ist knapp und Karo ist gezwungen die Stelle anzunehmen: Chauffeurin und Anstandsdame des Star-Spielers Patrick Weidinger. Patrick, eigentlich ein Top-Fußballer, befindet sich gerade spielerisch in einer Krise und kämpft auch sonst mit seinem angekratzten Ego, steckt dafür aber mehr Energie ins Nachtleben und verschiedene Frauengeschichten. Babysitter für einen zickigen Fußballer zu spielen, ist nicht gerade Karos Vorstellung von Karriere. Von der ersten Begegnung an ist klar, dass Patrick und Karo sich nicht ausstehen können… bis die beiden einen zweiten Blick aufeinander riskieren – und das Gefühlschaos so richtig losbricht…
Herrlich kitschig und romantisch - für heiße Sommertage und laue Abende die ideale Lektüre
Empfohlen von Sonja Brunner
Preisgekrönt
Sally Nicholls: Keiner kommt davon. Eine Geschichte vom Überleben.
Hanser 2014, 279 Seiten
Wir schreiben das Jahr 1349. In England wütet die Pest. Auch Ingleforn, ein kleines Dorf in der Nähe von York, bleibt nicht verschont. Hier lebt die 14-jährige Isabel in zwar bescheidenen Verhältnissen, aber doch in einem festgefügten und geordneten Ganzen, das ihr Aussicht auf eine nahe Zukunft lässt, in der sie vermutlich Frau eines Leibeigenen sein wird. Doch die Pest verändert alles. Die Autorin lässt Isabel anschaulich und zugleich erbarmungslos schildern, wie es ist, diesem Fluch ausgeliefert zu sein, dem nach und nach fast die Hälfte der Bevölkerung erliegen wird. Isabel erzählt, wie die zuvor gut funktionierende Dorfgemeinschaft sich mit dem Fortschreiten der Pest zunehmend auflöst, wie schließlich auch der Glaube, tief verwurzelt in den Köpfen der Menschen, ins Wanken gerät, wie Zweifel an der Güte Gottes aufkommen, an der gerechten Ordnung dieser Welt. Sie berichtet in einer seltsam distanzierten und gleichzeitig doch berührenden Sprache von den Ängsten und Schrecken, die die Krankheit verbreitet, vom Tod, der sich rings um sie ausbreitet und auch vor ihrer Familie nicht haltmacht, von der Auflösung der Welt, wie sie sie kannte. Und doch scheint es für sie einen neuen Anfang zu geben.
Ein sehr gut recherchiertes, historisch fundiertes Buch, das zugleich berührt und aufwühlt. Absolut empfehlenswert von einer vielfach preisgekrönten Autorin
Empfohlen von Sonja Hartner
Nominiert
Sandra Gugic: Astronauten
Beck 2015, 197 Seiten
„Gott ist ein Astronaut“ sagt Zeno zu Darko. Deren Freundschaft hat schon bessere Zeiten gesehen. Darko wohnt bei seinem Vater Alen, der Alkoholiker und Taxifahrer, aber bestimmt kein Vater ist. Er arbeitet seit er denken kann an einem Text, den er immer wieder überarbeitet, ohne dass etwas dabei herauskommt. Niko ist Polizist, gesegnet mit Frau und Kind und bescheuerten Arbeitskollegen und ein Freund von Alen. Auch diese Freundschaft hat schon bessere Zeiten gesehen. Und dann ist da noch der drogensüchtige Alex, der wieder einmal aus der Entzugsklinik abgehauen ist. Und last but not least die geheimnisvolle Mara, die sich in Männerklamotten männermordend durch das Buch bewegt. Sprachlich nicht schlecht, inhaltlich mit guten Ansätzen bleibt der Text (zu) oft in Andeutungen stecken.
Wer sich gerne selber einen Reim auf die Geschichten macht, hat in „Astronauten“ reichlich Gelegenheit dazu. Nominiert für den Franz-Tumler-Preis 2015
Empfohlen von Michaela Grüner