Die Mahnwache vor dem Innichner Krankenhaus vergangene Woche hat die Erwartungen der Organisatoren erfüllt. Zahlreiche Personen – nach Auskunft der Veranstalter zwischen 1.500 und 2.000 – waren gekommen, um für „ihr“ Krankenhaus einzustehen. Allen Beteuerungen zum Trotz bleibt die Angst, dass dem Spital langsam, aber sicher das Wasser abgegraben wird. Die Politiker, allen voran Landesrätin Martha Stocker, beteuern das Gegenteil. Die Krankenhäuser sollen vielmehr qualitätssteigernd spezialisiert werden, in Innichen mit dem Frauengesundheitszentrum.   

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Zahlreiche Menschen versammelten sich in Innichen zur Mahnwache.       Foto: Markus Golser

Um 19:30 Uhr war noch keine Seele da. Dem PZ-Reporter beschlichen erste Zweifel. Er befürchtete doch tatsächlich, dass sich der angekündigte Protestzug in Rauch aufgelöst hatte. Also informierte er sich sicherheitshalber noch einmal beim Informationsschalter am Krankenhaus und bei den Ordnungshütern, die seitwärts des Parkes im Auto patrouillierten. „Nein, alles korrekt! Um Punkt 20:00 Uhr findet im Park die Mahnwache statt“, wurde ihm mehrfach beschieden. 

Dort angekommen, erlebte er erst einmal eine Überraschung. Kein Firlefanz, kein Aufmarsch irgendwelcher Wichtigtuer. Stattdessen eine nüchterne Zusammenkunft mit viel Sorge - Sorge um ihr Krankenhaus, das Krankenhaus von Innichen. Langsam trudelten die ersten Mahnwächter ein. Eine Gruppe Pensionisten redete sich den Frust von der Seele. Schließlich gesellte sich auch der Abgeordnete zum Parlament in Rom, Florian Kronbichler, hinzu und klinkte sich in die Diskussion ein. 

Langsam füllte sich dann der Park vor dem Krankenhaus. Ausnahmslos besorgte Bürger aus Innichen und Umgebung, aus Osttirol, sogar aus Comelico und Cortina d'Ampezzo. Die meisten protestierten schweigend.  Am Eingang des Parks las man auf einem Transparent: „Es ist alles gesagt!“

 

Imposante Mahnwache

Es wurden Fackeln verteilt, Lampions oder Kerzen; einige hatten am Handy die Taschenlampe aktiviert. Andere wiederum trugen Mützen mit Warnlampen oder hatten schlicht Laternen in der Hand. Ein Lichtermeer sollte es werden. Als Signal der Stärke.
Kinder wurden beauftragt, mit Trommeln die Mahnwache zu begleiten. Eine junge Frau gab Anweisungen, wie der Rhythmus gehen soll. Nach etwa 20 Minuten verstummten die Trommeln. Es folgte eine kurze Ansprache der Initiativgruppe und der Aufruf zur 15minütigen Mahnwache. Gefolgt von der Bitte, anschließend die Runde um das Krankenhaus herum zu machen um die Mahnwache dann zu beenden.
Anschließend folgten 15 lange Minuten. Der Geruch der Fackeln in der Nase vermischt mit dem der brennenden Kerzen. Nie könnte ein Protest lauter sein! So viele Menschen auf einen Haufen, die einfach nur dastehen und stumm dahin starrten. Was geht in diesen Köpfen wohl vor? Was mögen die Gedanken sein? Wahrscheinlich denken sich manche, wir zeigen es denen in Bozen, nicht mit uns - oder warum kann nicht an anderer Stelle gespart werden, warum immer bei den Diensten am Bürger, manche einfach nur verärgert oder verängstigt. So mancher Gesichtsausdruck spricht Bände. Es war ein stummer Schrei durch die Nacht unter dem wolkenverhangenen Himmel.

  

Starkes Signal

Dann setzten wieder die penetranten Trommelschläge der Kinder ein und die Menschenmenge setzte sich in Bewegung rund um das Krankenhaus, immer begleitet von den Kindern mit den Trommeln, die so positioniert waren, dass man den Trommelschlägen nicht ausweichen konnte. Als die ersten Menschen wieder am Park des Krankenhauses eintrafen, waren die letzten noch gar nicht gestartet. „Überwältigend“, meinte die Sprecherin der Initiativgruppe für das Krankenhaus Innichen, Gertraud Lechner. Viel wurde bereits im Vorfeld diskutiert. An diesem 28. November war das Schweigen das stärkste Signal. Zwischen 1.500 und 2.000 sollen es gewesen sein, die sich an der Mahnwache beteiligten. 
Letztlich ist das nur Makulatur. Denn wichtig ist, dass die Botschaft vernommen wurde. Vor allem in den politischen Schaltzentralen der Macht.       

Albert Dejaco

 


 

MAHNENDE STIMMEN BEI DER MAHNWACHE: "DIE PERIPHERIE STÄRKEN!"

 

Rosmarie Burgmann: Bürgermeisterin von Innichen 

Rosmarie-Burgmann-BM-Innichen

Foto: albi

Ich bin erstaunt, dass es doch gelungen ist so viele Menschen zu mobilisieren aus Osttirol, aus Cadore, Comelico Superiore oder aus Cortina. Das ist für mich die Wertschätzung, welche dieses Krankenhaus nicht nur für die Bewohner des oberen Pustertals, sondern auch für die umliegenden Regionen hat. Es ist höchst an der Zeit, das lange versprochene Konzept für das Innichner Krankenhaus vorzulegen und umzusetzen, damit wieder Ruhe und Sicherheit einkehren kann. Für die Bediensteten, aber auch für die Bevölkerung. Das Frauengesundheitszentrum, das am zweiten November mit ersten Dienstleistungen gestartet ist, ist ein kleiner Schritt in eine hoffnungsvollere Zukunft. Ich hoffe, dass noch viele weitere folgen mögen. 

 


 

Klaus Rainer: Sprecher der Initiativgruppe „Pro Krankenhaus Innichen“

Klaus

Die Mahnwache ist Ausdruck von Angst. Es besteht die Sorge, dass mit der Gesundheitsreform die kleinen Krankenhäuser langsam ausbluten. Die Schließung der Geburtenabteilung war der Startschuss. Wir können nicht damit einverstanden sein, wenn alle peripheren Krankenhäuser – also auch Innichen – in sogenannte Tageskliniken umgewandelt werden. Dann ist auch bald die Erste-Hilfe-Abteilung weg. Man stelle sich nur vor, was im Winter los wäre, wenn die verunglückten Schifahrer von den umliegenden Skigebieten alle nach Bruneck kommen würden. Dann würde auch dort die Erste Hilfe zusammenbrechen. Wir fordern daher, dass diese Abteilung offen bleibt. Und zwar rund um die Uhr, das ganze Jahr hindurch. Der Ärztemangel und die lange Anlaufphase der Gesundheitsreform tragen aber nicht dazu bei, das Problem einer dauerhaften Lösung zuzuführen. Gott sei Dank wurde das Frauenkompetenzzentrum eröffnet. Diese Abteilung läuft bereits erstaunlich gut. Das ist nur der Vizebürgermeisterin und der Hebamme Sara Zambelli zu verdanken, die sie auf den Weg gebracht haben. Im Übrigen möchte ich anführen, dass man in Bezug auf die Sanitätsreform auch beim Bozner Krankenhaus ansetzen sollte. Dort werden über 90 Prozent des Gesamtbudgets für den Sanitätshaushalt vertilgt. Insofern ist dort eine Reform viel effizienter als in der Peripherie. 

 


 

Simone Wasserer: Vizebürgermeisterin von Innichen

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Foto: Tiberio Sorvillo 

Es ist eine Tatsache, dass die Sanitätsreform zu lange hinausgezögert wurde. Die durchaus problematische Kommunikationspolitik in dieser Angelegenheit hat dann auch noch viele Unsicherheiten gebracht. Nun gilt es, wieder etwas mehr Sicherheit zu bringen. Das Frauenkompetenzzentrum ist ein erster wichtiger Schritt, auf den ich stolz bin. Es ist wichtig, dass wir jetzt mit neuen Ansätzen zeigen, dass unser Krankenhaus eine Zukunft hat. Wichtig ist aber, dass die Menschen die Dienste im Innichner Krankenhaus auch annehmen. 

 


 

Johann Oberhammer: Pfarrer von Taisten

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Foto: albi

Ich war bei der Mahnwache, weil mir das Krankenhaus in Innichen ein ganz großes Anliegen ist. Ich habe es ein paar Male schon gebraucht und muss sehr dankbar sein. Gerade deshalb möchte ich, dass das Krankenhaus erhalten bleibt. Es wird immer mehr zentralisiert: In der Sanität genauso wie in der Kirche. Deshalb meine Frage: was bleibt dann in der Peripherie? Was haben dann noch unsere Dörfer?

 


 

Gesundheitslandesrätin Martha Stocker: „Innichner Krankenhaus bleibt erhalten!“

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PZ: Frau Landesrätin, wie ist der aktuelle Stand der Dinge bei der Sanitätsreform? Wie geht es weiter?

Stocker: Wir sind auf einem guten Weg. Am neunten November werde ich der Parteileitung Bericht erstatten und zwei Tage später werden wir auf Bezirksebene darüber diskutieren, welche Leistungen in den beiden Pustertaler Krankenhäusern notwendig und sinnvoll sind. Mittlerweile wurden viele Gespräche geführt. Auf allen Ebenen. Wir werden nun die interne Reform konkret angehen. Das beginnt mit der Definition von Leistungen, damit Leistungen in den Bezirken überhaupt vergleichbar sind. Auch am Landesgesundheitsplan müssen Anpassungen vorgenommen werden. Ich kann aber sagen, dass keine peripheren Krankenhäuser aufgelassen werden. Sie werden nur anders spezialisiert, um ihren Fortbestand auch dauerhaft zu sichern. Wir tun also genau das, was wir seit dem Start der Reform immer wieder ins Feld sagen. Allerdings braucht es Veränderungen. Andernfalls ist das Sanitätswesen auf lange Sicht nicht mehr finanzierbar. Denn schon heute werden rund 77 Prozent der Gelder für das Sanitätswesen von der Patientengruppe der chronisch Kranken verschlungen. Diese Spirale ist auf Dauer nicht finanzierbar, zumal absehbar ist, dass unsere finanziellen Ressourcen nicht unerschöpflich sind.  

 

Wo werden in Zukunft die Schwerpunkte im Sanitätswesen gesetzt?

Die Gesellschaft verändert sich. Sie wird älter. Die künftigen Herausforderungen für Südtirol sind die Memory-Clinic für ältere Menschen, Palliativmedizin, die Komplementärmedizin und Rheuma-Zentren. Wir müssen darauf vorbereitet sein, immer mehr chronisch Kranke und ältere Patienten bestens zu betreuen. Dafür gibt es die so genannten Grundversorgung und die Spezialisierungsarbeit. Die Patienten erwarten sich auch zunehmend mehr hochspezialisierte und differenziertere Leistungen. Wenn wir nicht wollen, dass Patienten ins Ausland oder in anderen Regionen Italiens „abwandern“, dann müssen wir in diese Richtung gehen.

 

Werden also die peripheren Krankenhäuser zu Tageskliniken degradiert, wie vielfach befürchtet wird?

Das Gegenteil ist der Fall. Dieser Vorwurf stimmt einfach nicht. Gut 60 Prozent der Patienten werden bereits jetzt ambulatorisch oder tagesklinisch behandelt. Es ist doch eine große Errungenschaft der Medizin, dass man heute nicht mehr so lange im Krankenhaus verweilen muss wie früher. Es braucht bei bestimmten Behandlungen im Unterschied zu früher keine Operationen mehr. Im Sanitätswesen hat sich unglaublich viel verändert. Dem müssen wir Rechnung tragen. Was den Erhalt des Innichner Krankenhauses betrifft, ist anzumerken, dass die Landesregierung mehrfach bestätigt hat, dort die bettenführenden Abteilungen „Chirurgie“, „Orthopädie“ und „Innere Medizin“, neben den anderen Basisdiensten, aufrecht zu erhalten. Darüber hinaus wird im Innichner Krankenhaus ein Frauengesundheitszentrum aufgebaut. Das ist ein klares Bekenntnis zum Innichner Spital. Das wissen im Übrigen auch die Mitglieder der Initiativgruppe. Wir haben ja am Mittwoch, den 28. Oktober, das neue Leistungsprofil für das Krankenhaus Innichen vorgestellt. Wenn dann am selben Abend eine Protestkundgebung stattfindet, ist das einfach nicht fair.

Interview: Albert Dejaco

 


 

Gesundheitszentrum startet   

Am zweiten November wurden im Innichner Krankenhaus die ersten Dienste des neuen Frauengesundheitszentrums aufgenommen. Zwei Gynäkologinnen sind fix engagiert. Nach dem Hebammenambulatorium, das schon seit April schwangere Frauen und Mütter betreut, wurde von der Arbeitsgruppe ein Konzept für Frauengesundheitsdienste ausgearbeitet, das nun schrittweise umgesetzt wird. So soll ein Kompetenzzentrum für Frauen entstehen, wobei die Frauen unter ganzheitlichen Gesichtspunkten beraten und begleitet werden. So soll in der „First-Love-Ambulanz“ (Mädchensprechstunde) den Mädchen die Angst vor dem Frauenarzt genommen werden. In der „Menopause-Sprechstunde“ werden hingegen Frauen ab 50 betreut.  Denn die Menopause kann für Frauen eine krisenbelastete Zeit sein. Eine einfache gynäkologische Visite reicht da oft nicht aus. Darüber hinaus soll in Innichen als drittes Spezialangebot auch „Traditionelle Chinesische Medizin“ (TCM) angeboten. Sie besteht aus Akupunktur, Kräuterheilkunde, Ernährungsberatung und Anleitung zur Bewegungstherapie.              

 

 

 

 

 

 

 

 

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