Alle wollten ihm zu seinem 80. Geburtstag die Ehre erweisen, dem bedeutendsten Schriftsteller unseres Landes. Seine Geburtsstadt Meran, sein langjähriges Domizil Terenten und seine aktuelle Schreibheimat Bruneck. Aber auch literarisch verbundene Orte wie Lana oder die Tiroler Landeshauptstadt Innsbruck in Zusammenarbeit mit dem Brenner-Archiv haben sich, wie selbstverständlich, in die Reihe der Gratulanten eingereiht. PZ-Redakteurin Judith Steinmair hat beim Gespräch in seiner Schreibwerkstatt in der Moessmer-Villa einen äußerst charmanten, redseligen und nach wie vor kämpferisch veranlagten Joseph Zoderer angetroffen.

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Auf dem Brunecker Rathausplatz wurde Zoderer eine eigene Sitzbank gewidment. Zeit zum Verweilen!

"Wir sind stolz, einen international anerkannten Schriftsteller als Mitbürger zu haben.“ Den Eröffnungsworten des Terner Bürgermeisters Reinhold Weger anlässlich der Geburtstagsfeier in Terenten folgten dieser Tage noch etliche Superlative, sei es im Rahmen diverser Feierlichkeiten als auch medial. Ferruccio Delle Cave etwa bedachte Joseph Zoderer in einer Laudatio mit dem Prädikat „Einer der wichtigsten Vertreter deutschsprachiger Literatur seit den Siebziger Jahren“ und Landesrat Phillipp Achammer bezeichnete den Grand Seigneur der Literatur als ein „lebendes Denkmal“.

 

Sein Leben

Im Jahre 1935 in Meran geboren, war Joseph Zoderers Kindheit von den Südtiroler Ereignissen rund um den Zweiten Weltkrieg geprägt. Die Option führte die Familie 1940 nach Graz, eine Entscheidung, die Zoderers Vater immer als „einen schrecklichen Irrtum“ bereut hatte. Vater und Bruder im Krieg, wuchs Zoderer hauptsächlich unter weiblichen Wesen auf. „Selbst unsere Hündin war weiblich“, sagt er heute mit einem Augenzwinkern und setzt mit dem nötigen Ernst nach: „Entscheidend für das Glück meines Lebens war meine Mutter!“ 

Das Lesen und Schreiben hatte Zoderer immer schon im Blut, und seine ebenfalls belesene Mutter kaufte ihm, nach Möglichkeiten, Hefte und Bücher. Trotzdem, die Kindheit und Jugend war oftmals mühsam. Rückblickend sieht sich Zoderer mit acht Jahren als bereits erwachsener Mensch, der die Lebensmittelmarken selbst verwaltete und damit auf dem Schwarzmarkt handelte. „Ich habe mich als Überlebenskünstler trainiert, das ist in solchen Situationen zwangsläufig so, heutzutage ist ein achtjähriger Afghane auch anders als ein achtjähriger verwöhnter Europäer.“ Und es verwundert ihn selbst, dass er das alles ohne Zynismus überstanden hat. „Ich war nie ein Zyniker, sondern immer lebensbejahend!“ 

 

Journalist und Autor

Nach dem Besuch eines Gymnasiums in der Schweiz maturierte Zoderer 1957 in Meran. Anschließend studierte er Jura, Philosophie, Theaterwissenschaften und Psychologie an der Universität in Wien und war zeitgleich als Journalist für den „Kurier“, die „Kronen Zeitung“ und „Die Presse“ tätig. Schon während seiner Studienjahre in Wien verfasste er Romane und Erzählungen, für die er zum Teil schon beachtliche Anerkennung erhielt. 

Der literarische Durchbruch gelang ihm dann Mitte der Siebziger Jahre mit dem Roman „Das Glück beim Händewaschen“ und einige Jahre später schließlich mit „Die Walsche“. Jenes Buch, über das der Literaturpapst schlechthin, Marcel Reich-Ranicki, im Rahmen des Bachmann-Preises einst sagte: „Literatur, die berührt…“. Dieses Buch schaffte es auf die Bestenliste des Südwestdeutschen Rundfunks neben dem berühmten Autorenkollegen Umberto Eco mit seinem Werk „Der Name der Rose“. 

 

Kritischer Geist

„Die Aufarbeitung selbst erlebter Geschichte, die kritische Auseinandersetzung mit Südtirol, sein Bemühen um Sprache, die Suche nach neuen Erzählmustern, die Selbstverständlichkeit, mit der er Südtiroler, Europäer und Weltbürger zugleich ist, und schließlich die Hartnäckigkeit, mit der er sein Schreiben Existenzproblemen vorangestellt hat, haben Joseph Zoderer zu dem gemacht, was er heute ist...“, resümiert Ferruccio Delle Cave Zoderers bisheriges Lebenswerk. Und nach zwanzig Büchern und etlichen Ehrungen ist der Schriftsteller keineswegs leiser geworden. „Ein unbequemer Zeitgenosse, einer der gleichermaßen den Finger in offene Wunden steckt, seien sie politisch, historisch oder sozioökonomisch motiviert. “ (O-Ton Delle Cave) „Ein Mann der Gegensätze, ein Mann der Kontraste, ein Querdenker“, so der Südtiroler Kulturlandesrat. 

 

Der Heimat eng verbunden

Joseph Zoderer selbst sieht etwaige Polemiken um seine Person gelassen. Wie jüngst Empörungen aufgrund seiner Äußerungen hinsichtlich der Anschläge in Paris: „Der amerikanische Präsident hat schlussendlich das gleiche gesagt wie ich, also was soll die Aufruhr!“  Was für Zoderer zählt, sind die Ideale der freien Welt und die Weltoffenheit. Eine Lebenseinstellung, die er auch seinen drei Kindern vermittelt hat, gleichfalls wie die Passion fürs Lesen. In seinem Zuhause, auf einem Einsiedlerhof bei Terenten - eine kuschelige, heimelige Leseecke, wie Zoderer den Weberhof bezeichnet - sei die Liebe zum Lesen eben die Frucht der Zurückgezogenheit: „Meine Kinder sind aufgewachsen als Professionisten der Einsamkeit!“ Der Illusion, unter bücherfanatischen Mitbürgern in Südtirol zu leben, hängt er nicht an. „Unsere Lesekultur, die bäuerliche Kultur, kannte Gebetsbücher oder den Reimmichlkalender. Die Lehrerinnen meiner Kinder haben zum Teil solch einen Kitsch wie Konsalik gelesen, nicht etwa Thomas Mann, Hermann Hesse oder Ernest Hemingway.“ Auf die Frage, warum er schlussendlich in Südtirol geblieben sei, gibt Zoderer dann eine doch etwas überraschende Antwort: „Irgendwie habe ich komischerweise ganz tief in meiner Seele drinnen eine Art Lederhosenpatriotismus!“

 

Große Wertschätzung

Nun ist Joseph Zoderer achtzig geworden und freut sich ernsthaft über die ganzen Glückwünsche und Bekundungen: „Es ist schön, wenn meine Arbeit öffentlich anerkannt und geschätzt wird.“ Und über seine neue Mont-Blanc-Füllfeder. Die alte, „traktierte“, mit der er gute zwei Drittel seiner Bücher geschrieben hat, stiftet er zusammen mit seinem legendären schwarzen Filzhut dem Andreas-Hofer- Museum in Passeier – zwei echte Zoderer-Relikte. Die abschließende Retrospektive von Zoderer selbst endet mit einem Schmunzeln: „Mir ist in meinem Leben immer alles gut gegangen, ich weiß also nicht, welche Strafe mich irgendwann noch erwartet...“ 

Judith Steinmair

 

 

 

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