Zurzeit leben im Brunecker Josefsheim 25 Asylbewerber, die vorwiegend aus zentralafrikanischen Staaten zu uns gekommen sind. 65 Prozent der Flüchtlinge in Bruneck haben den katholischen Glauben. Insgesamt beherbergt Südtirol nicht ganz 900 Flüchtlinge. In Bezug zur Einwohnerzahl Südtirols sind das lächerliche 0,17 Prozent. Dennoch überwiegen Vorurteile und Unsicherheit.
Die Flüchtlinge im Brunecker Josefsheim wollen sich integrieren und lernen die Landessprache.Die Flüchtlinge im Brunecker Josefsheim wollen sich integrieren und lernen die Landessprache.
Es gibt viele verschiedene Gründe, warum Menschen ihr bisheriges Leben aufgeben und sich auf den Weg in ein anderes Land machen, doch wer ist im Stande zu entscheiden, ob diese Gründe berechtigt sind oder nicht? Wer sagt, in welchem Land auf dieser Welt man sich wohlfühlen kann und in welchem nicht? Wo wer verfolgt wird und wo nicht? Wo es wie viele Arbeitsmöglichkeiten gibt und wo nicht? So oft kommen in Stammtischgesprächen, in sozialen Medien und sogar in Politikerreden Sätze wie „alle Flüchtlinge kommen zu uns“, „die wollen alle nach Europa, weil es ihnen da besser geht“, „so viele Flüchtlinge können wir gar nicht aufnehmen, wir müssen die ja alle aushalten“,vor. Schaut man sich Statistiken an, ist es Fakt, dass 86 % aller flüchtenden Menschen in Länder nahe ihrer Heimatländer fliehen. Nicht Deutschland, Italien oder Österreich, sondern Länder wie Pakistan oder der Libanon sind demzufolge Länder, die weltweit am meisten Flüchtlinge aufnehmen. Unwissenheit verunsichert und genau darum ist es wichtig, sich mit dem Thema Flüchtlinge auseinanderzusetzen.
Suche nach Asyl
Menschen auf der Flucht, welche in Italien einen Asylantrag stellen, warten zwischen 15 und 18 Monaten auf das Ergebnis. Alle Asylbewerber in Italien werden anhand eines Verteilungsschlüssels den einzelnen Provinzen zugeordnet. Südtirol nimmt 0,9 % aller Asylbewerber Italiens auf. Die zwei Sozialorganisationen, welche die Flüchtlinge aufnehmen und betreuen sind Caritas und Volontarius. Im Brunecker Josefsheim wird die Caritas von der Bezirksgemeinschaft Pustertal unterstützt. Drei hauptamtliche Mitarbeiter der Caritas und rund 20 freiwillige Helfer begleiten und betreuen die Flüchtlinge dort.
Die Kosten
Ein Asylbewerber kostet am Tag 28 Euro. 26,50 Euro sind Steuergelder, 1,50 € steuert die Caritas aus den eigenen Hilfsfonds bei. Von diesen 28 Euro bekommt ein Asylsuchender acht Euro pro Tag, wenn er die eigene Verpflegung selber übernimmt. So passiert es auch im Josefsheim. Alle Bewohner leben in einfachen Verhältnissen in Zwei- und Drei-Bett-Zimmern mit Gemeinschaftsküchen. Es wird selbst eingekauft, gekocht und geputzt. An jedem Tag besuchen die Asylbewerber Sprachkurse und versuchen sich unserer Kultur zu nähern.
Marcello Cont von der Bezirksgemeinschaft Bruneck bestätigt, dass es nicht die Brunecker Flüchtlinge sind, welche jetzt vermehrt in der Stadtgasse betteln, sondern dies seien vielmehr Pendler, die von Bozen und Trient kommen. „Unsere Flüchtlinge betteln nicht und wollen auch nicht betteln. Sie versuchen sich bei uns zurechtzufinden, unsere Sprache und Kultur kennenzulernen und möchten sich integrieren“, so Cont. Mit verschiedenen Projekten versuchen Caritas und Bezirksgemeinschaft, Begegnungen zwischen Kulturen zu schaffen, Angst abzubauen und Integration voranzubringen.
Integration
Integration kann jedoch nur gelingen, wenn auch wir bemüht sind, uns der Flüchtlinge anzunehmen, sie kennenzulernen und ihre Situation zu verstehen. Schließlich waren wir Südtiroler vor nicht allzu langer Zeit in einer recht ähnlichen Situation. „Europas Problem sind nicht die Flüchtlinge, die wir aufnehmen, sondern vielmehr die Radikalisierung der eigenen Bevölkerung, ob mit oder ohne Migrationshintergrund, durch politische oder religiöse Extremismen“, so wird die Situation im Informationsblatt „Asyl und Flüchtlinge in Südtirol“, herausgegeben von der Autonomen Provinz Bozen und der EURAC, ganz treffend auf den Punkt gebracht. Denn während die Flüchtlinge in Bruneck den Wenigsten negativ auffallen, ist diese Radikalisierung der Bevölkerung auch hierzulande deutlich spürbar.
Patrizia Hainz
Asylbewerber – Flüchtling – Mensch
Zwei Menschen mit verschiedenen Geschichten. Zwei Gesichter, die so anders sind und deren Augen doch das gleiche fühlen. Zwei Männer, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten, und doch verbindet sie ein gemeinsames Schicksal: Die Entscheidung ihr Leben aufzugeben und sich auf den Weg zu machen in die Ungewissheit, getrieben von der Hoffnung. Hoffnung auf ein lebenswertes Leben. Timothy und Bosco kommen aus Nigeria und leben seit Herbst 2015 bei uns in Bruneck. Sie haben in Italien einen Asylantrag gestellt und warten nun auf das Ergebnis.
Wie viel Mut braucht es wohl, um sein Leben aufzugeben und sich auf den Weg zu machen in ein neues Land, ohne zu wissen was einen erwartet? Doch was ist, wenn das Leben, welches man aufgibt, nicht lebenswert ist, weil es von Militär, Korruption, Terrorismus und Gewalt geprägt ist? Macht es die Entscheidung dann einfacher? Überflüssig? Timothy und Bosco kommen beide aus Nigeria und mussten fliehen. Bosco bereits 2011 und Timothy im Mai 2013. Beide verließen ihre Heimat nicht mit dem Gedanken nach Europa zu kommen, sondern mussten einfach nur raus aus Nigeria. Ihr Weg führte sie von Staat zu Staat und so kämpften sie sich Grenze um Grenze durch den Norden Afrikas. In Orten, wo es sicher schien, blieben sie. Oft wurden sie verfolgt und bedroht. Es war nicht leicht und sie hatten beide große Angst. „Du weißt heute nicht, ob du morgen überleben wirst, das ist wie im Traum“, schildert Bosco.
Flucht unter Lebensgefahr
Libyen bot den beiden für kurze Zeit Schutz. So arbeitete Timothy dort zum Beispiel als Fliesenleger fast zwei Jahre lang. „Irgendwann kam der Zeitpunkt, als es auch in Libyen nicht mehr sicher war für einen Flüchtling und so musste ich nach Italien“, erzählt Timothy. Die Reise über das Mittelmeer bestritten beide in einem Schlauchboot. Es sei Glücksache ob du in ein Bot einsteigst, welches dich sicher und in kurzer Zeit bis zur gegenüberliegenden Küste bringt, oder ob du in ein Bot kommst, welches kentert oder Wochen lang auf See bleibt. Während Timothy Glück hatte und nach 14 Stunden italienische Küste erreichte – soweit man bei einer 14-stündigen Fahrt in einem Schlauchbot überhaupt von Glück sprechen kann – war die Reise für Bosco anstrengender und länger.
Vergessen können
In Italien angekommen, haben beide einen Asylantrag gestellt. Nun wohnen sie gemeinsam mit 23 anderen Asylbewerbern im Josefsheim in Bruneck. Sie lernen Deutsch und Italienisch, gehen selbst einkaufen, kochen und putzen für sich selbst. Beide würden gerne einer Arbeit nachgehen, um eine Beschäftigung zu haben. „Wenn man arbeitet, dann muss man sich auf das was man tut konzentrieren und hat nicht Zeit nachzudenken, an Dinge zu denken, die einem Angst machen“, gibt Bosco zu. Die Ungewissheit, ob der Asylantrag positiv bewertet wird oder nicht, ist für beide sehr belastend.
Timothy hat noch eine Schwester und einen Bruder. Mit seiner Schwester telefoniert er gelegentlich, um mit seiner Familie Kontakt zu halten. Bosco telefoniert nie nach Nigeria. Er möchte sich nicht erinnern: „Ich will einfach nur vergessen können“.
Wille nach Integration
Wenn beide einen Wunsch hätten, dann wäre das in erster Linie, sich legal hier in Italien aufhalten zu dürfen. Sie wünschen sich eine positive Antwort auf den Asylantrag und ein Leben hier in Bruneck. Sie wünschen sich einer Arbeit nachgehen zu können und vor allem ein Leben in Frieden führen zu können, mit Menschen um sich, die sie nicht als Ausländer oder Feinde betrachten, sondern ganz einfach als Menschen. Im Grunde genommen wünschen sie sich einfach ein lebenswertes Leben, so wie wir es haben, weil wir das Glück hatten, hier geboren zu sein und nicht in Nigeria.
ph
Neuer Beirat für Migration und Integration
Der Vorsitzende Leon Pergjoka
Der Beirat für Integration und Migration ist ein beratendes Gremium der Stadtgemeinde Bruneck, insbesondere der Stadträtin für Integration, Frau Ursula Steinkasserer. Gemeinsam mit ihr besteht er aus zehn Mitgliedern, den Vorsitz hat Leon Pergjoka über. Der Beirat soll das friedliche Zusammenleben fördern und die soziale Integrität allgemein in Bruneck verstärken. Der Vorsitzende betont, dass der Beirat sowohl für Bürger mit, als auch für Bürger ohne Migrationshintergrund zuständig ist. Die Idee, einen solchen Beirat zu gründen, ging in erster Linie von der Stadträtin selbst aus in Zusammenarbeit mit Edina Non, vom INPUT der Caritas und von Marcello Cont von der Bezirksgemeinschaft Pustertal. „Ziel ist es, ein Netzwerk aufzubauen zwischen den verschiedenen Vereinen, Schulen, Sanitätsbetrieben und Sozialsprengeln, damit gemeinsam an Integration gearbeitet werden kann“, so der Vorsitzende Pergjoka. In Bruneck leben mittlerweile Bürger aus über 54 verschiedenen Kulturen. Es sollen Begegnungen zwischen den einzelnen Kulturen entstehen und gefördert werden. Herr Pergjoka selbst kommt aus dem Kosovo. Er lebt hier nun seit 17 Jahren, hat in Südtirol die Schule besucht und in Bologna studiert. Momentan arbeitet er als Lehrer und interkultureller Mediator. Seiner Meinung nach hat Bruneck gute Voraussetzungen, um Integration zu gestalten und voranzutreiben. Es gibt schon viele Projekte und diese gilt es zu fördern und auszubauen. Der Beirat beginnt mit der Ideensammlung, welche Ziele erreicht werden sollen. Den Anfang wird eine Umfrage in Bruneck machen, um den Istzustand zu erforschen. Danach wird sich zeigen, wohin der Weg des Beirates geht und welche Aufgaben die Mitglieder erwarten.
ph