„Man muss diese Dinge erst mal verdauen und in sich wirken lassen“, beendete die Moderatorin am Freitag, den zweiten Oktober, den Vortrag von Dr. Med. Regina Breul in Reischach. Doch mit dem Verdauen hatten es einige im Publikum nicht so richtig. Das Thema Organspende und der damit in Verbindung gebrachte Hirntod ließ die Wogen hochschaukeln und die Meinungen im Publikum gingen weit auseinander. So war es nicht verwunderlich, dass sich Dr. Breul sofort einigen Gegenreaktionen stellen musste.
Davide Willeit (links) mit dem pensionierten Primar Georg Egger (Mitte) und Sanitätsdirektor Walter Amhof (rechts). Letzterer übernimmt vorläufig interimistisch auch die Leitung des Sanitätsbezirkes Brixen. Eine Vorstufe zur Zusammenlegung? wpz
Im Publikum vertreten waren neben sehr viel Interessierten auch einige Ärzte aus Südtirol, welche die vorgebrachten „Fakten“ in dieser Form nicht stehen lassen konnten und wollten. Diverse Ärzte vertraten die Auffassung, dass man den Tod sehr wohl „messen und klar nachweisen“ könne. „Beim unwiederbringlichen Erlöschen der Hirnfunktion erlischt auch die Eigenatmung. Durch die Beatmungsgeräte haben wir diese Menschen, denen wir helfen wollen, tot beatmet. Das sind also beatmete Tote. Das kann man nachweisen“, meinte der Anästhesist und Intensivmediziner Dr. Rothle aus Bozen. Man sei sogar verpflichtet, den Tod festzustellen, unabhängig von einer Organspende. „Dieses Gesetz wurde, Gott sei Dank, geschaffen und erleichtert es uns Ärzten, nach eingetretenem Tod, diese Beatmungsgeräte abzuschalten, weil der Patient tot ist.“
Dr. Peter Zanon, Landeskrankenhaus Bozen, Anästhesist, seit 25 Jahren in der Intensivmedizin tätig:
„Es wird niemandem jemals einfallen, einem Patienten mit Hirnblutung ‚Heparin‘ zu verpassen. Eigentlich geht es darum, wann der Mensch tot ist. Wir wissen, dass das Sterben ein Prozess ist. Wir wissen aber auch, dass die Mehrheit des Ethikrates in Deutschland und auch in Italien diese gesetzliche Hirntod-Feststellung bzw. diese Todesfeststellung mit neurologischen Kriterien gut heißt und damit die Meinung vertritt, dass der Mensch als Ganzes tot ist. Nur eine Minderheit vertritt die Gegenposition. Für mich ist das ein Wiederspruch, weil ich das Gehirn als oberstes integrierendes Organ sehe.“
Der Arzt konnte sich mit einigen Aspekten des Vortrages durchaus identifizieren. Zum Beispiel, dass die Werbung für die Organspende teilweise geschmacklos ist. „Viele andere Sachen kann ich nicht teilen, absolut nicht. In Italien sind die Gesetze so, dass kein einzelner Arzt eine Todesfeststellung machen kann. Das ist ein Ärztegremium aus Fachärzten, die ausgebildet sind. Keiner bekommt dafür Geld. Todesbestimmungen sind völlig unabhängig von einer eventuellen Organspende“, so Zanon. Er führte dann ein Beispiel an: Eine junge Frau/junger Mann hat einen schweren Verkehrsunfall. Schwere Hirnverletzungen. Neurochirurgische Operation, Stabilisierung der Vitalfunktionen, Bluttransfusionen, Hirndrucksonden. Alles wird getan, um den Menschen zu retten. Und trotzdem kann es geschehen, dass der Hirndruck zu hoch ansteigt, trotz aller Behandlungen. Mit einer Untersuchung sieht man, dass kein Blut mehr in das Schädelinntere gelangt. „Für mich ist dieser Mensch tot. Aber andere Organfunktionen sind künstlich aufrecht erhalten. Wenn der Patient nicht beatmet würde, käme dieser Zustand aber gar nicht zu Stande. Wenn dann jemand zugewilligt hat, eine Organspende zu machen, dann wird die Organspende gemacht, ansonsten nicht“, so Zanon. Aber die Todesbestimmung passiert so oder so.
Dr. Davide Willeit, ehemaliger Facharzt für Anästhesie und Intensivmedizin, seit drei Jahren in Rente:
„Zum Thema Widerspruchserklärung in Österreich ist zu ergänzen, dass es ein zentrales Register in Wien, gibt, welches zugänglich ist, wenn bei einem Menschen der Verdacht auf Hirntod besteht. Allerdings muss ich sagen, dass die Ärzte nicht so diktatorisch vorgehen und einfach die Organe entnehmen, sondern immer davor das Gespräch mit den Hinterbliebenen suchen.“
Gesundheits-Landesrätin Dr. Martha Stocker:
„Ich bin Organspenderin weil es für mich ein Akt der Nächstenliebe ist. Wahrscheinlich einer der wichtigsten Akte der Nächstenliebe, den man geben kann. Ich kann nur sagen, dass die Feststellung ob jemand tod ist, in Italien sehr gewissenhaft, genau und in jedem Fall unabhängig davon gemacht wird, ob eine Organentnahme stattfindet oder nicht. Dass wir über diese Thematik so intensiv diskutieren, ist nur dem Umstand geschuldet, dass wir heute eine hochtechnisierte Medizin haben, die so vieles an Positivem ermöglicht, die uns aber auch vor solche ethischen Fragestellungen stellt. Hätten wir die Medizin nicht, dann wären die Menschen, über die wir sprechen nämlich bereits tot“, so Stocker. Bei ihren Besuchen in den Krankenhäusern habe sie Menschen gesehen, die seit Jahren an den Maschinen hängen. Zum Beispiel die Dialysepatienten, die dreimal in der Woche die Nachmittage in Krankenhäusern verbringen. „Ich kenne die Lebensqualität dieser Menschen. Und dass man dann, aus meiner Sicht, auch die moralische Verpflichtung hat, etwas zu tun, damit diesen Menschen geholfen wird, das versteht sich für mich von selbst.“
Zusammengetragen von Patrizia Hainz