Sie entwirft Kostüme, sie zeichnet, sie hilft Schauspielern hinter der Bühne in die Kleider – Ursula Tavellas Arbeitsleben ist vielfältig und spannend. Im PZ-Interview erzählt die Künstlerin aus Wengen, wie sie gelernt hat, mit kreativen Leerläufen umzugehen, warum die Schule nicht immer der Gradmesser der Fähigkeiten ist und wie die Kostüme zu einem Stück entstehen.
PZ: Wann war für Sie klar, dass Sie die Kunst in Ihrem Leben zum Mittelpunkt machen wollen?
Ursula Tavella: Wenn es nach meinen Lehrern in der Grundschule gegangen wäre, dann hätte ich sicher nicht diese Richtung gewählt. In der Schule bekommt man genaue Vorgaben, „was schön ist“. Und demnach habe ich nicht gut gezeichnet, weil ich nicht die klassischen Kinderbilder mit Himmel, Wiese, Bäumen, alles in den vordefinierten, richtigen Farben gemalt habe. Erst auf dem Realgymnasium hat eine Professorin im Kunstunterricht mit ihrer Art zu unterrichten mein Interesse geweckt. Ich wusste nicht genau, wohin die Reise gehen soll, aber ich habe gespürt, dass das mein Weg ist. Und deshalb habe ich auf die Kunstschule in Gröden gewechselt.
Dort lernt man ja zunächst einmal die verschiedenen Techniken.
Genau, das ist wichtig und notwendig. Im Anschluss habe ich noch ein Grafikstudium angehängt, was ich aber wieder sein habe lassen. Stattdessen habe ich in Mailand Bühnenbild studiert. Nach Abschluss des Studiums habe ich eine Weile als Assistentin meiner Professorin gearbeitet und kleine Bühnenbilder realisiert. Bis ich plötzlich keinen Auftrag mehr hatte.
Dieses Leben von der Hand in den Mund kennen viele Kreative. Was haben Sie dann gemacht?
Ich habe Bewerbungen geschrieben und eine Anstellung als Ankleiderin bei den Vereinigten Bühnen Bozen bekommen. Damit kann ich mein Leben finanzieren, und es bleibt auch noch Zeit für meine anderen Projekte.
Die Zuschauer blicken nur auf die Bühne. Was passiert, wenn die Schauspieler nach hinten eilen?
Dann muss oft alles ganz schnell gehen, für manche Wechsel bleiben nur zwei Minuten. Es muss alles bis ins Kleinste vorbereitet sein und reibungslos ablaufen. Ich mache Reißverschlüsse auf und zu, schaue, dass alles sitzt und am Ende der Vorführung zähle ich die ganzen Stücke. Es kann ja schnell etwas verloren gehen - und dann ist der Stress programmiert.
Während des Studiums in Mailand haben Sie mit dem Zeichnen angefangen. Ihre Bilder wirken surreal, was drücken Sie aus?
Ich zeichne schnell, fast skizzenhaft. Meistens sind es Figuren, halb Mensch, halb Tier, die alleine auf dem Blatt stehen. Es gibt auch Serien mit vielen Figuren. Zeichnen ist für mich eine Möglichkeit, ganz bei mir zu sein. Wenn ich nicht auf den Geldbeutel schauen müsste, könnte ich das eine ganze Weile am Stück tun. Und doch brauche ich die anderen Sachen. Zeichnen ist auf die Dauer eine einsame Angelegenheit.
Viele sehen im Beruf des Künstlers nur die schönen Seiten. Wie empfinden Sie ihn?
Schön und hart zugleich. Es ist schwierig sich von Fragen freizumachen, ob etwas gut ist, wie die anderen es finden. Natürlich spüre ich es in Momenten auch, und trotzdem kann es passieren, dass ich am nächsten Tag mit einem Stück nichts mehr anfangen kann. Jeder Künstler hat Phasen, in denen er nicht weiterkommt. Obwohl ich das weiß, ist es für mich immer noch schwierig zu akzeptieren, dass ich an einem Tag nichts machen kann. Wer sich für diesen Weg entscheidet, braucht viel Geduld.
Sie haben Bühnenbild gelernt und arbeiten jetzt vor allem als Kostümbildnerin. Wie entstehen die Kleider zu einem Theaterstück?
Es beginnt mit dem Stück, noch lange vor den eigentlichen Proben. Manchmal habe ich von Beginn eine Idee, essentiell ist aber immer die Absprache mit dem Regisseur. Es gehört viel Recherche dazu, ich schaue mir Bilder verschiedener Epochen an, wie die Leute sich gekleidet haben. Sobald die Richtung feststeht, zeichne ich die Kostüme. Für mich ist die Phase bis zu diesem Punkt die schönste. Danach geht es um die Umsetzung, die Frage, ob man die Stücke irgendwo kaufen oder leihen kann, ob sie geschneidert werden müssen und wie sie finanziert werden können.
Ziehen Schauspieler für gewöhnlich an, was Sie für Sie entwerfen?
Es kann vorkommen, dass jemand nein sagt. Beispielsweise, wenn jemand sich körperlich sehr exponieren muss, also fast nackt ist oder wenn das Kostüm so wild konstruiert ist, dass man sich darin kaum bewegen kann.
Interview: Verena Duregger
ZUR PERSON
Ursula Tavella, Jahrgang 1980, wächst in Wengen im Gadertal auf. Nach der zweiten Klasse wechselt sie vom Realgymnasium Brixen auf die Kunstschule in Gröden. Seit dem Abschluss ihres Bühnenbild-Studiums in Mailand arbeitet sie als Bühnen- und Kostümbildnerin. Daneben ist sie immer wieder als Ankleiderin bei den Vereinigten Bühnen Bozen tätig. Wenn die Zeit bleibt, zeichnet die 35-Jährige mit einer Technik aus Bleistift und Acryl. https://www.facebook.com/ursula.tavella