Vor einigen Wochen hat Dominik Windisch seinen ersten Weltcupsieg gefeiert. Valentin Piffrader aus St. Georgen hat daran auch einen Anteil – der 44-Jährige ist nämlich der Mentaltrainer des Biathleten. Im Interview erzählt er, wie man den Kopf trainieren kann und was Eltern ihren Kindern zur Stärkung des Selbstvertrauens mit auf den Weg geben können.

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PZ: Sie sind Mentalcoach an der Sportoberschule in Mals und arbeiten mit Spitzensportlern zusammen. Bringen Sie ihnen bei, wie sie gewinnen können?

Valentin Piffrader: Das ist eines der Ziele des Mentaltrainings. Wir können nicht nur unseren Körper trainieren, sondern auch das Gehirn. Mentaltraining bedeutet, sich durch Übungen, positives Denken, Visualisierungen und verschiedene andere Techniken so vorzubereiten, dass man im richtigen Moment seine Leistung abrufen kann. Im Spitzensport heißt es, dass 80 Prozent der Kopf ausmacht. Viele meinen, wer zum Mentaltrainer geht, hat ein psychisches Problem. Das ist Quatsch. Das Mentaltraining kann den Leuten ein Handwerk mitgeben, ihr Potential voll auszuschöpfen.

 

Wer 1,60 Meter groß ist, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit kein besonders guter Basketballspieler, vielleicht aber ein guter Kugelstoßer. Sind geistige Fähigkeiten wie Konzentrationsgabe und Durchhaltevermögen auch veranlagt?

Das glaube ich nicht. Vieles hängt mit dem zusammen, was im Baby- und Kindesalter passiert. Schon dann lernen Kinder, wie sie mit Stress und Druck umgehen. Wenn Eltern Kindern immer nur sagen, was Schlimmes passieren kann, dann fördert das sicher nicht ihr Selbstbewusstsein. Niemand kann einem Kind alles abnehmen und jede Gefahr vermeiden. Manchmal muss man sie einfach machen lassen, auch auf die Gefahr hin, dass sie sich ein Knie aufschürfen.

 

Einer Ihrer Schützlinge hat gerade sein erstes Weltcuprennen gewonnen. Stolz?

Natürlich. Das Mentaltraining hat ihm dabei sicher geholfen. Im Vorfeld bereite ich die Athleten vor; wir überlegen, was zu tun ist, wenn sie in gewisse Situationen kommen. Im Biathlonsport ist neben der Leistung in der Loipe vor allem das Schießen ausschlaggebend. In diesem Moment hochkonzentriert zu sein, kommt es an, und darauf arbeiten wir hin.

 

Wie viel Ehrgeiz ist gesund?

Spitzensport ist grundsätzlich mit Ehrgeiz und Disziplin verbunden; die Sportler müssen ihrem Körper alles abverlangen. Biss, Durchhaltevermögen, Ehrgeiz ist bei diesen Menschen einfach stärker ausgeprägt, ansonsten haben sie keine Chance oben mit dabei zu sein.

 

Kaum ein Sportler ist immer auf der Siegesstraße. Sie müssen dem Erwartungsdruck standhalten, Enttäuschungen wegstecken. Wie schaffen sie es, auch nach Niederlagen wieder aufzustehen und weiterzumachen?

Bei uns in der Sportoberschule ist der Umgang mit Druck ein Riesenthema. Eine Möglichkeit, damit fertig zu werden, ist, das Ergebnis in den Hintergrund zu rücken. Wir schauen uns an, was gut war und was zu verbessern ist. Es geht ums Lernen. Im Verbessern steckt die Lösung, nicht das Problem.

 

Funktioniert Mentaltraining bei jedem?

Wenn jemand den Sinn dahinter nicht erkennt, dann nützt es gar nichts. Es muss schon die Bereitschaft da sein, das anzunehmen.

 

Gibt es etwas, wozu Sie sich regelrecht motivieren müssen?

Ich habe immer schon Sport gemacht, und trotzdem muss ich mich immer wieder überwinden. Mein innerer Schweinehund ist gewaltig. Und das, obwohl ich ja eigentlich weiß, wie man sich motivieren kann. . .

 

Wie wichtig ist es, mit Humor bei der Sache zu sein?

Wenn die Begeisterung da ist, dann kann ich alles für eine Sache geben. Das gilt übrigens nicht nur für den Spitzensport. Der eine will abnehmen, der andere sein Selbstbewusstsein stärken – wer mit Begeisterung sein Ziel verfolgt, schafft es leichter.

 

Was brauchen Kinder, um stark zu werden?

Grenzen. Eltern müssen ihnen aufzeigen, in welchem Bereich sie sich bewegen sollen. Die Erziehung in Europa ist hauptsächlich darauf fokussiert, was jemand nicht kann. In der Schule werden die Fehler angekreuzt, nicht das, was richtig ist. Deshalb bin ich dafür, das Positive herauszukehren, auch im Sport. Wenn ein Spiel nicht gut gelaufen ist, können die Eltern es trotzdem loben. Die Fehleranalyse macht ja bereits der Trainer. Das heißt nicht, dass sie nie kritisieren dürfen. Kinder sollen gewinnen wollen, aber auch verlieren können. Enttäuschungen gehören dazu, aber dann ist auch wieder gut.

 

Interview: Verena Duregger

 


 

ZUR PERSON

Valentin Piffrader, 44, hat Geschichte und Pädagogik studiert. Nach dem Studium unterrichtet er ein Jahr am Humanistischen Gymnasium in Bruneck. Im Anschluss leitet er den Jugendtreff in Sand in Taufers. 2002 macht er sich mit einem Freund mit „Kreaktiv“ selbstständig und bietet unter anderem Seminare für Firmen an. Nebenher absolviert er die Ausbildung zum Mental- und Outdoortrainer. Seit 2011 arbeitet er als Mentaltrainer in der Sportoberschule in Mals und coacht Spitzensportler. Darüber hinaus arbeitet er  als Outdoortrainer und leitet Unternehmen dazu an, konkrete Aufgaben im Team zu bewältigen. Eine Erfahrung: „Chefs beschweren sich, dass ihre Mitarbeiter keine Verantwortung übernehmen, dabei sind sie es, die nicht loslassen können.“ Piffrader lebt mit seiner Frau und den drei Kindern in St. Georgen.

 

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