Für die einen ist die Jagd die größte Leidenschaft, für die anderen ein rotes Tuch. Karin Oberhammer gehört zu den etwa 6.000 in Südtirol registrierten Jägern und kennt die Argumente der Kritiker. „Wir gehen nicht raus und schießen auf alles wild herum“, sagt sie. Als eine von nur zwei weiblichen Revierleitern im Land (die einzige im Pustertal) hat sie gelernt, sich durchzusetzen. Im Interview erzählt sie, warum es die Jäger braucht und ob Frauen anders jagen als Männer.
Karin Oberhammer
PZ: Frau Oberhammer, in Südtirol sind etwa 6.000 Jäger registriert. Etwas mehr als 300 davon sind Frauen. Es gibt nur zwei Revierleiterinnen – Sie sind eine von ihnen. Wie sind Sie zur Jagd gekommen?
Karin Oberhammer: Die Liebe zur Jagd ist mir in die Wiege gelegt worden. Mein Großvater und mein Vater waren Jäger. Ich habe schon als Kind mitbekommen, wie der Vater in der Früh losgezogen und mitunter mit einem Rehbock zurückgekehrt ist. Mitte der 90er-Jahre habe ich mich dann immer mehr für das Thema interessiert und beschlossen, die Jagdprüfung abzulegen. Seit nunmehr fast 20 Jahren bin ich Jägerin.
Und damit gehören Sie in der von Männern dominierten Jagdwelt zur Minderheit. Jagen Frauen anders als Männer?
Männern wird ja immer ein Jagdinstinkt nachgesagt, und da ist mit Sicherheit etwas dran. Aber sie tun es nicht nur wegen des Schießens, sondern genau wie wir Frauen auch wegen der ökologischen Pflege. Bei mir persönlich hat es viel mit der Natur zu tun. Wenn ich ein Problem habe oder mich etwas bedrückt, brauche ich nur in den Wald zu gehen und komme leichter auf andere Gedanken. Auf die Jagd zu gehen, bedeutet ja nicht, jedes Mal mit einer Trophäe zurückzukommen. Im Gegenteil. Es heißt oft stundenlang sitzen, niemanden sehen, nicht ein Stück Wild beobachten. Dafür aber einen schönen Sonnenauf- oder -untergang. Für mich passt es dann genauso gut.
Wann ziehen Sie lieber los? Spät am Abend oder in aller Herrgottsfrühe?
Eindeutig am Morgen – und da muss ich wirklich zeitig aus dem Bett. Im Sommer ist es ja bereits um halb fünf Uhr hell. Am Abend bin ich nicht so gerne unterwegs, was vielleicht auch daran liegt, dass ich einmal abends gestürzt bin und mir den Fuß gebrochen habe. Wenn es finster wird, ist mir der Wald manchmal unheimlich. Dann bin ich für gewöhnlich lieber wieder zurück beim Auto.
Wie stehen Sie zur Kritik von Naturschützern an der Jagd?
Viele sind sich nicht bewusst, dass es uns Jäger als Heger, Pfleger und Schützer braucht. Wir gehen nicht raus und schießen wild auf alles herum, was sich bewegt. Die Abschusspläne müssen ja eingehalten werden, das wird sehr streng kontrolliert. Wir müssen in der Zukunft einfach noch mehr versuchen, die Bevölkerung zu sensibilisieren, dass wir nur das entnehmen, was die Natur hergibt. Ohne uns Jäger brechen bei Überpopulationen schnell Krankheiten aus, es kommt zu Biss- und Nageschäden an den Bäumen. Etwas zu schießen ist ein schöner Nebeneffekt, aber nicht der Hauptgrund, warum wir Jäger sind.
Die Abschusspläne sehen vor, wie viel Wild erlegt werden darf. Es kommt immer wieder vor, dass weniger auf den Abschusslisten steht, wie Jäger in einem Revier sind. Und dann?
Dann steigt natürlich der Jagddruck. Jeder Jäger ist verpflichtet, sich zu informieren, was noch frei ist, bevor er loszieht. Natürlich kann es unter Umständen zu unglücklichen, zeitlichen Überschneidungen kommen, beispielsweise wenn zwei Jäger gleichzeitig unterwegs sind und beide einen Rehbock schießen, obwohl laut Liste nur noch einer frei gewesen wäre. Wenn so etwas passiert, gibt es meistens im kommenden Jahr einen Ausgleich.
Man hört immer wieder, dass Jäger hinter einem bestimmten Stück Wild her sind und tagelang versuchen, es zu erwischen...
... und da kann ich aus Erfahrung sagen, dass es dann meistens nicht klappt! Und dann kommt auch noch ein Kollege daher und schießt genau diesen Hirsch. Manchen Jägern fehlt da der Humor, sie können gar nicht über solche Situationen lachen. Ich habe das immer sportlich gesehen, und mir gedacht: Dieses Stück war nicht für mich bestimmt!
Sie sind nun seit 2001 Revierleiterin und damit Chefin von 30 Männern. Mit Sicherheit keine einfache Aufgabe.
Der Anfang war nicht leicht, aber die Männer scheinen zufrieden. Es finden ja alle vier Jahre Wahlen statt, und ich bin immer noch da. Als Revierleiterin schaffe ich ja nicht nur an, sondern ich vertrete das Revier rechtmäßig nach außen, überprüfe die Einhaltung von Beschlüssen, alles ehrenamtlich.
Im Trentino sind seit Jahren die Bären zurück, der Wolf ist in Europa weiter im Vormarsch. Sind Sie schon einmal auf ein Tier getroffen, das Sie in unseren Wäldern nicht erwartet hätten?
Seit etwa zehn Jahren ziehen Wölfe auch bei uns ab und zu durch, wobei ich selbst noch nie einen gesehen habe. Wildschweine hingegen sind bei uns eigentlich auch nicht heimisch, aber es tauchen immer wieder welche auf. Im vergangenen Jahr wurde in Innichen eines erlegt.
Viele Jäger sagen, die Liebe zur Jagd sei eine Lebenseinstellung. Haben die Jungen ein Interesse für die verschiedenen Aufgaben, die damit verbunden sind?
Nachwuchsprobleme haben wir nicht, wenn das Durchschnittsalter in manchen Revieren auch etwas hoch ist. Es gibt eben Jäger, die erst mit 50 oder 60 Jahren anfangen, wenn sie im Beruf langsam einen Gang zurückschalten können. Daneben gibt es aber auch viele Junge, die sich für diesen Weg entscheiden.
Wie ist der Zusammenhalt unter Jägern?
Der Jägerneid ist ein schlimmer Neid. Manche würden das Wild am liebsten anbinden, damit es noch da ist, wenn sie das nächste Mal Zeit haben vorbeizuschauen. Darüber muss ich sehr lachen. Für mich ist gerade das ein Reiz der Jägerei: Jeder Tag ist anders. Man weiß nie, was kommt.
Zur Person
Karin Oberhammer, Jahrgang 1965, arbeitet bei der Ortspolizei von Innichen. Seit 1997 ist sie Jägerin, seit 2001 Revierleiterin des Jagdreviers Innichen. Es gehört neben 14 weiteren Revieren wie Olang, Rasen, Antholz, Sexten, Toblach und Vierschach-Winnebach zum Bezirk Oberpustertal. Oberhammer steht 30 Männern vor.
„Die Liebe zur Jagd habe ich in der DNA“, sagt sie. Schon der Großvater war Jagdaufseher, auch der Vater ist Jäger.
Interview: Verena Duregger