Im zweiten Stock des alten „Hotel Bruneck“ hat Katrin Böge ihr Atelier B eingerichtet. Die hohen Räume mit dem Altbaucharme würde man in ihrer Heimatstadt Berlin erwarten, nicht in Bruneck, wo sehr viele Gebäude längst saniert wurden. Genau dieses Unvollendete gefällt der 36-Jährigen, die hier ihre eigene Modelinie entwirft, Theaterproduktionen ausstattet und Bühnenbilder fertigt. Und jetzt will sie den Südtirolern auch das Nähen beibringen.
Katrin Böge
Katrin Böge steht in ihrem Atelier und blickt zum Fenster hinaus. Im Hintergrund sind leise Autos zu hören, die die Michael-Pacher-Straße hinunterfahren – vorbei am Gebäude, das vielen nur als Heimat des legendären Bruneck Pub bekannt ist. Dieses Haus atmet den Charme alter Zeiten: Holztreppen im Stiegenhaus, hohe Räume, alte Kachelöfen. Böge stört sich nicht am Straßenlärm. „Es beruhigt mich“, sagt sie und lacht. Trubel, das kennt sie noch gut aus ihrer Heimatstadt Berlin. Vor mittlerweile mehr als 15 Jahren ist sie von dort aufs Land gezogen – von der Millionenmetropole ins Provinzstädtchen Bruneck. Anfangs „ein Kulturschock“, ganz klar. Aber wie so oft im Leben fiel die Liebe eben genau hier hin.
PZ: Frau Böge, wenn Sie heute zurückdenken, wie war die Anfangszeit in Bruneck?
Katrin Böge: Ich habe sehr früh geheiratet, einen Südtiroler, das war meine spezielle Form des Sturm und Drangs. Wir sind eine Weile viel gereist, bekamen eine Tochter und als die Kleine ein Jahr alt war, sind wir hierhergezogen. Das Berliner Großstadtleben hat mir in dem Alter natürlich gefallen. Zum Aufziehen des Kindes hat es hier aber eine besondere Idylle mitgebracht. Und dann war da die Frage, was ich aus meinem Leben machen will. Mehr durch Zufall bin ich auf eine Ausbildung aufmerksam gweworden, bei der man alles über historische Kostüme, die Kostümgeschichte und auch das Nähen selbst lernen sollte. Diese zweijährige Ausbildung gab es nur ein Mal in Bruneck. Es war eine aufregende Zeit.
Wollten Sie schon immer in diese Richtung gehen?
Als mir die Ausbildung in die Hände fiel, dachte ich: Das ist genau mein Ding! Es war ja viel globaler als bloß irgendwo nähen zu lernen; es ging von der Geschichte des Kostüms über den Entwurf hinaus sehr ins Detail. Um Kleider machen zu können, muss man auch die Geschichte der Kostüme kennen. Es hängt ja immer auch mit dem Zeitgeist zusammen, warum zu einem bestimmten Zeitpunkt gewisse Kleider getragen werden. Über diesen Kurs bin ich dann als Praktikantin zum Stadttheater in Bruneck gekommen.
Sie haben dort als Assistentin für eine Kostümbildnerin gearbeitet.
Ich habe schnell gemerkt, dass ich die Theaterwelt spannender finde. Sie hat die Entwürfe für die Produktion gemacht, und ich habe ihr dabei geholfen. Wir haben genäht, Stoffe ausgesucht, sind zusammen zu den Proben gegangen. Mir gefiel am Theater, die Möglichkeit zu haben, Kunst zu machen. Für den Rest der Ausbildung habe ich das Praktikum dann dort gemacht.
Sie haben dann erste Produktionen selbst ausgestattet und sogar noch einmal die Rollen getauscht.
Das Theater war die große Liebe, und ich wollte noch viel mehr darüber lernen. Also habe ich die hiesige Theaterschule besucht. Ich hätte es früher ja selbst nicht geglaubt, dass ich mich einmal zur Schauspielerin ausbilden lassen würde – ich war furchtbar schüchtern.
Wie passt die Ausbildung zur Kostüm- und Bühnenbildnerin mit der Schauspielerei zusammen?
Naja, im Grunde ist beides beim Theater zuhause. Natürlich waren es ganz unterschiedliche Dinge, bei der Schauspielerei geht es aber nicht nur um den Moment auf der Bühne, sondern auch um alles, was dahintersteckt. Die Abläufe, der Theaterbetrieb, die Geschichte... Das fand ich spannend.
Was hat Ihnen besser gefallen?
Ich hätte nie für möglich gehalten, dass mir das Schauspiel so gut gefällt. Trotzdem habe ich gemerkt, dass mein Herz mehr für die Kostüme schlägt. Ich habe dann noch zwei Söhne bekommen und in den ersten Jahren sozusagen von Zuhause aus gearbeitet, wann immer es die Zeit zuließ. Jetzt sind die beiden aus dem Gröbsten raus, und ich wollte auch beruflich noch einmal Vollgas geben.
Und das tut sie in ihrem „Atelier B“ in Bruneck, das sie ihr „Refugium“ nennt. Hier entstehen die Kostüme, die sie für Theaterproduktionen fertigt; hier hat sie genug Platz, um aufwändige Bühnenbilder herzustellen; hier macht sie auch ihre eigene Modelinie, die unter dem Namen „Böge“ firmiert. Gerade sitzt sie an der neuen Kollektion, die vom Paradies, von Wasser, von Licht inspiriert ist. Das soll jetzt aber nicht in die Irre führen: Die Entwürfe sind geradlinig, puristisch. Auch im Atelier steht nichts herum, das keinen Zweck erfüllt.
Worauf legen Sie bei ihrer Mode besonderen Wert?
Ich mag es gerne klar. Wenn die Formen gut sind, sprechen sie für sich. Besonders wichtig sind mir die Stoffe, die ich aus dem näheren Umfeld beziehe und die nicht aus irgendeiner Fabrik in Bangladesch stammen. Ich renne nicht jedem Trend hinterher. Meine Mode soll lange tragbar sein.
Seit kurzem bieten Sie im Atelier auch Nähkurse an. Nähen galt lange Zeit als altmodisch. Wie ist die Resonanz?
Sehr gut sogar. Ich habe auch vorher schon immer wieder Nähkurse über verschiedenste Träger gegeben. Jetzt, wo ich den Platz und die Zeit habe, wollte ich etwas machen, so wie ich es mir vorstelle. Das heißt aber nicht, dass ich den Leuten meinen Stempel aufdrücken will. Sie sollen ihre eigene Kreativität spielen lassen.
Aus eigener Erfahrung weiß ich: Das stimmt! Katrin Böge berät die Kursteilnehmer beim Erstellen des Entwurfs, sie hilft, wenn die Nähmaschine bockt (oder wie in meinem Fall den Geist aufgibt) oder eine Naht ganz schief gerät. Und trotzdem greift sie nicht ein, indem sie sich für die Teilnehmer an die Nähmaschi- ne setzt und ihnen die Arbeit abnimmt. Somit ist die Freude über das „Selbstgemachte“ am Ende noch viel größer. „Steht das B in Atelier B eigentlich für Böge?“ Die 36-Jährige lächelt und sagt vor sich hin: "Böge, Berlin, Bruneck". Und damit ist das Wichtigste ja auch schon gesagt.
Verena Duregger
Zur Person
Die gebürtige Berlinerin Katrin Böge lebt seit mittlerweile 16 Jahren in der Brunecker Gegend. Sie besuchte eine Ausbildung zur Kostüm- und Bühnenbildnerin und wurde an der Theaterschule in Bruneck zur Schauspielerin ausgebildet. Vor einem halben Jahr eröffnete sie in der Michael-Pacher-Straße 6 in Bruneck das Atelier B – hier entstehen ihre neuesten Entwürfe, sei es für Theaterproduktionen als auch für ihre eigene Modelinie „Böge“. Darüber hinaus gibt sie Nähkurse: Im Handumdrehen zeigt sie den Kursteilnehmern wie aus ein paar Stofffetzen eine Clutch, eine Strandtasche oder ein Rucksack wird. Kursprogramm unter: www.facebook.com/ATELIER.B.bruneck//