Ingrid Canins gehört zu jenen Menschen, die immer wieder fort müssen, um zurückkommen zu können. Schon mit 18 Jahren beschloss sie, die engen Täler Südtirols hinter sich zu lassen, und in Rom Grafik und Design zu studieren.  Die Freude am Handwerk, an der Kunst, begleiteten sie von Kindesbeinen an. Canins zog es hinaus, um Techniken zu erlernen, das umzusetzen, was in ihrem Kopf herumschwirrte. Sie nennt ihn ihren „kreativen Raum“. Vor Kurzem zog es sie wieder ins Pustertal zurück. Im PZ-Interview erzählt die Designerin, welchen Einfluss Südtirol auf ihre Arbeit hat und wann sie alles um sich herum vergisst.

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PZ: Frau Canins, wie ist es, nach all diesen Jahren wieder hier im Pustertal zu leben?

Ingrid Canins: Schön, ich fühle mich wohl. Hier habe ich Zugang zu meiner Natur, zu meinen Menschen, hier bin ich Zuhause. Und: Die Puschtra sein oanfoch die Beschtigschtn (lacht).

 

Sie sind immer viel herumgekommen, und wenn Sie einmal ein paar Jahre an einem Ort verbracht haben, ist immer der Zeitpunkt gekommen, irgendwo etwas Neues zu beginnen.

Ich war immer eine Reisende, immer auf dem Sprung. Ich brauche die Abwechslung, das war schon immer so. Auch in meiner Arbeit beginne ich immer wieder etwas Neues. Mal arbeite ich an einer Wandmalerei, dann an einem Möbelstück, im nächsten Moment an einem Stoffdesign. Ich entwerfe für Hoteliers genau wie für Privatleute, mir gefällt dieser Wechsel. Die Realität verändert sich immer wieder, und ich passe mich diesen Anforderungen auch mit meiner Arbeit an.

 

Wie nähern Sie sich einem Projekt?

Es ist ein langsames, behutsames Herantasten. Bei einer Inneneinrichtung etwa  beginne ich mit einem Element, das im Raum noch vorhanden ist, zum Beispiel die Farbe. Ausgehend davon, überlege ich dann, wie ich für diesen Ort etwas Besonderes erschaffen kann. Dazu lasse ich mich auch von der Geschichte inspirieren, wenn es denn eine gibt. Viele Künstler oder Designer möchten eine „Handschrift“ entwickeln, also sofort wiedererkannt werden. Das ist überhaupt nicht mein Ziel, im Gegenteil. Ich möchte immer etwas Neues machen.

 

Gibt es trotzdem etwas, das sich wie ein roter Faden durch Ihr Schaffen zieht?

Etwas, das mich immer wieder antreibt, ist die Neugier auf Kulturen und Traditionen, die ich noch nicht kenne. Wenn ich unterwegs bin, versuche ich immer, etwas zu entdecken, das mich bei meiner nächsten Arbeit inspiriert. Ich habe den Anspruch, dass meine Arbeit innovativ und gut durchdacht ist. Meine Kunden wissen, warum sie zu mir kommen. Banales langweilt mich. Ich stehe für Qualität, Originalität und Einzigartigkeit.

 

In ihren Werken finden sich auch immer wieder alpine Motive. Welchen Einfluss hat Südtirol auf Ihre Arbeit?

Mir hat das Spiel mit der Tradition immer gefallen. Es ist ja nicht von der Hand zu weisen, dass Südtirol in vielerlei Hinsicht für Künstler, Designer, Architekten inspirierend ist.

 

Tradition ja, aber gerne mit einem Augenzwinkern.

Die Kollektion „Burgl huck di niedo“ ist zum Beispiel ein Spiel zwischen Tradition und dem Design der 50er. Ich habe großen Respekt vor Vintage – wann immer ich es passend finde, setze ich es in meiner Arbeit ein. Zurzeit verkaufen wir viele Sitzsessel und Bänke aus der „Burgl-Kollektion“, auch für moderne Strukturen. Das heißt, es passt.

 

Sie arbeiten gerade an einer großflächigen Fassade. Den Entwurf werden Sie zusammen mit einem Maler selbst auftragen. Was ist schwieriger? Die Wandgestaltung zu entwerfen oder die Umsetzung?

Ich bin anspruchsvoll und arbeite bis zum letzten Pinselstrich daran, dass es genauso wird, wie ich es mir vorstelle. Für mich ist es enorm wichtig, dass ich gute Mitarbeiter habe, die meine Arbeiten ausführen können. Ich brauche immer mehr Hilfe, da ich alleine nicht mehr alles schaffe. Ab dem nächsten Jahr werde ich in meinem neuen Atelier mit einem kleinen Team an meinen Projekten arbeiten. Den Entwurf auf die Wand zu malen, ist der schwierigere Schritt. Und trotzdem liebe ich nichts mehr, als das. Wenn ich irgendwo in einer Wand hänge, vergesse ich alles um mich herum.

Interview: Verena Duregger

 


 

ZUR PERSON

Ingrid Canins, Jahrgang 1962, wuchs als Tochter ladinischer Eltern in Bruneck auf. Mit 18 Jahren ging sie nach Rom, um Grafik und Design zu studieren. Es folgten unter anderem Stationen in Mailand, wo sie das Textildesign erlernte, Florenz, Brüssel und Hamburg. Ende der 90er-Jahre kehrte sie nach Südtirol zurück – wobei das Reisen bis heute Teil ihres Lebens ist. Canins in eine Schublade zu stecken, gelingt nicht. Sie entwirft Interieurs, Möbel, Murales, immer individuell und besonders. „Ich will für jeden etwas Spezielles machen“, sagt sie. www.scomoda.com

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