Wenn es irgendwo zwickt, hilft Gottfried Hochgruber mit natürlichen Mitteln. Der gelernte Tischler hat sein Hobby zum Beruf gemacht – mit großem Erfolg! 680 Essenzen lagern auf seinem Hof oberhalb von St. Lorenzen. Ob unerfüllter Kinderwunsch, Stress oder Schlafprobleme - beim 54-Jährigen ist gegen alles ein Kraut gewachsen.
Gottfried Hochgruber Foto: Verena Duregger
Die Wolken hängen an diesem verregneten Tag im Mai tief über dem Weiler Lothen. Doch kaum tritt Gottfried Hochgruber aus der Haustür, geht die Sonne auf. Der 54-Jährige sieht aus, als wäre er vor Kurzem erst von einer Urlaubsreise zurückgekehrt. Dabei hat er für Urlaub gerade überhaupt keine Zeit. Hochgruber ist ein gefragter Mann. Sechs Tage pro Woche ist er unterwegs, um mit den Menschen das zu teilen, was sein Leben verändert hat: das Wissen um die heilsame Wirkung der Kräuter.
Kräuterkunde: der 54-Jährige in seinem Element
Der Aussteiger
Hochgruber war nicht immer ein Kräuterfachmann. Früher, in seinem „alten Leben“, erlernte er das Tischlerhandwerk. Er war keiner, der gut nein sagen konnte oder darauf achtete, sich Freiräume zu schaffen. Erfolgreich war er, ja, aber irgendwann auch so ausgebrannt, dass er kaum mehr Lebensfreude verspürte. Nach einem Kuraufenthalt beschloss er, am Moarleitenhof einen Teich anzulegen, weil es in dem Wellnesshotel einen gegeben und es ihm gut getan hatte, einfach davor zu sitzen und aufs Wasser zu blicken. Am Hof gab es keine passende ebene Stelle und so ließ er die Bagger anrücken und ein Loch graben. Da die aufgeschüttete Erde zum Stabilisieren so ganz ohne Kleid nicht besonders schön aussah, pflanzte er dort Kräuter. Am Anfang waren es klassische Sachen, Minze etwa, Melisse und Rosmarin. Heute wachsen an der Stelle Hunderte Gräser. Für alle findet Hochgruber eine Verwendung. Manche trocknet er und verarbeitet sie zu Kräutersalzen. Andere legt er in Alkohol ein. „Ich habe 680 Essenzen hier auf dem Hof“, sagt er und lässt seinen Blick nicht ohne Stolz über die unzähligen Gläser schweifen, in denen Echinacea, Mistel, Zypresse, Nachtkerzenblüten oder Schafgarbe angesetzt sind.
Altes Wissen
Es ist das Ergebnis jahrelanger Arbeit. Als der Teich erst einmal da war und mit ihm die ersten Kräuter kamen, begann Hochgruber alles zu lesen, was ihm zum Thema in die Hände fiel. Er tat sich mit Kräuterexperten im Ausland zusammen und tauschte Erfahrungen aus. Viel hilfreicher aber waren die Treffen mit alten Menschen, die ihn in die Geheimnisse althergebrachter Hausmittel einweihten. Er fand diese Experten in Tirol, nicht in Südtirol. „Denn hier“, so sagt er, „ist das alte Wissen komplett verloren gegangen. Wir sind zu früh reich geworden. Und dem Altertumshändler haben viele ihre Seele gleich mitverkauft. Alles Alte hatte plötzlich keinen Wert mehr.“
Er sieht es als seine Aufgabe, das zu ändern. „Die meisten wollen nicht die Ursache eines Leidens wissen und schlucken bereitwillig Medikamente. Das kann ich nicht nachvollziehen.“ Mit den Besuchern, die ratsuchend hier auf den Hof kommen, geht er den Dingen auf den Grund. Wer das nicht verstehen will, bekommt von ihm auch nichts. Die Beratungen sind kostenlos, auch die von ihm und seiner Frau Dorothea hergestellten Tees und Cremes. Der Hofladen draußen, eine Art Selbstbedienungsschrank, ist mehr Gag als Einnahmequelle. Hochgruber verdient sein Geld mit Vorträgen. Sein Wissen ist gefragt: An der Uni Wien unterrichtet er als Gastdozent, letzthin hielt er eine Vorlesung über „Alternative Heilmethoden“. Der Vorlesungssaal war rappelvoll.
Für alles das richtige Kraut
Wenn er spricht, sprudeln die Wörter nur so aus ihm heraus. Im Stakkato-Stil zählt er Kräuter und ihre Wirkung auf: Brennnesseln helfen gegen Eisenmangel, Schafgarbe dient zum Entgiften der Leber, den Genuss von Stinkendem Storchenschnabeltee rät er Paaren, deren Kinderwunsch unerfüllt bleibt. Über die Sache mit dem Kinderkriegen wundert er sich besonders: „Die jungen Leute machen heute ja nur noch Sex, um ein Kind zu zeugen. Die haben unheimlich viel Stress.“ Immer wieder kommen Paare zu ihm, erzählt er. Viele sind verzweifelt, vielen von ihnen will er bereits geholfen haben. 60 Prozent, schätzt er. Belegen kann er diese Zahlen nicht. Und wenn man einen wie ihn einen Quacksalber nennt? „Dann habe ich damit überhaupt kein Problem. Ich bin überzeugt von dem, was ich tue. Und wem das nicht passt, der muss ja nicht zu mir kommen.“ Der Erfolg gibt ihm Recht. Während des Gesprächs wartet eine junge Frau vor dem Tor, ein Paar aus dem Unterland hat er gerade vorhin verabschiedet. Und immer wieder kommen Leute von weit her. Kitzbühel, Zürich, es hat sich herumgesprochen, dass „der Gottfried helfen kann“.
Wann war er das letzte Mal krank? „Das ist lange her“, sagt er und setzt ein Lächeln auf, „jeden Tag gehen Kräuter durch meine Hände. Dadurch nehme ich alle wichtigen Stoffe auf, die der Körper braucht.“ Früher, als er noch im Handwerk tätig war, fühlte er sich oft schlapp und ausgelaugt. Heute reichen fünf Stunden Schlaf pro Nacht und er ist topfit. „Für mich ist ein Traum in Erfüllung gegangen“, sagt er plötzlich und schaut auf den Teich. Dahin, wo vor ein paar Jahren alles begann. Regentropfen fallen aufs Wasser und ziehen kleine Bahnen. In Momenten wie diesen empfindet Gottfried Hochgruber nichts als Glück.
Zur Person
Gottfried Hochgruber, 54, arbeitete lange als Tischler im In- und Ausland. Seit 1997 gehört sein ganzes Interesse der Wirkung von Kräutern, seit mittlerweile sechs Jahren ist er hauptberuflich als „Kräuterexperte“ tätig. Er hält Vorträge im In- und Ausland und ist Gastdozent an der Universität Wien. Der Vater von vier Kindern lebt zusammen mit seiner Frau Dorothea auf dem Moarleitenhof in Lothen. Der Hof ist mit dem Auto über Fassing und über einen Wanderweg von der Sonnenburg aus erreichbar.
Verena Duregger