2.800 Höhenmeter, knapp 29 Kilometer Fußmarsch, fast ein Dutzend Gipfel: Die 11-Gipfel-Tour im Antholzertal ist eine Herausforderung für jeden Bergliebhaber – und erfrischend anders. Denn bei dieser Kammwanderung geht es weder um die Frage, wer am schnellsten ist, noch um Medaillen und Podestplätze. Warum das so ist, erzählen die Organisatoren Ingrid Bodner und ihr Mann Günther Leitgeb. Eine Annäherung in 11 Gipfeln.

Foto Portraitkasten

Ingrid Bodner und Günther Leitgeb

1. Rudlhorn, 2.448 m

PZ: Mehrere Gipfel hintereinander zu überschreiten, ist im Pustertal keine gängige Art zu wandern. Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?

Ingrid Bodner: Wir machen gern lange Touren, die auch nicht immer markiert sein müssen. Im Sommer 2011 waren wir wieder einmal im Antholzertal unterwegs. Wir sind auf die Rotwand gestiegen, um den Sonnenaufgang zu sehen. Von dort sind wir weiter zum Nachbargipfel gewandert. An dem Tag war die Sicht gut, und wir haben bis zum Rudl-horn gesehen. 

 

Günther Leitgeb: Da haben wir uns überlegt, dass es möglich sein müsste, über den Kamm bis zum Rudlhorn zu gehen. Wir wussten, dass es dort teilweise Wege gibt, die noch nicht eingezeichnet, aber technisch nicht allzu schwierig sind. Einzelne der Gipfel sind sehr bekannt, andere - Knebelstein, Karlgipfel, Million etwa - kennen viele Einheimische nicht einmal. Alle elf Gipfel auf der Route an einem Stück zu gehen, ist aber nicht üblich. 2012 sind wir den Kamm dann einmal abgegangen, und es war spektakulär.

 

2. Eisatz, 2.493 m

Sie waren so begeistert, dass Sie ein Jahr später diese Tour als Gipfelwanderung organisiert haben. Wie viele Teilnehmer waren dabei?

I. B.: Wir hofften auf 30 Teilnehmer, aber innerhalb kurzer Zeit hatten wir 120 Anmeldungen. Das hat alle unsere Erwartungen übertroffen.

 

G. L.: Mit einem solchen Ansturm hatten wir nicht gerechnet. Da galt es einige Hürden zu nehmen. So muss beispielswiese für die Sicherheit gesorgt sein. Außerdem müssen wir alles tragen. Ingrid bringt zum Beispiel gemeinsam mit zwei, drei Helfern den Kaffee für die Teilnehmer zum ersten Gipfel hinauf. 

 

3. Million, 2.435 m

Die 11-Gipfel-Tour ist als Going-Green-Event zertifiziert. Was heißt das genau?

I. B.: Wir setzen auf Regionalität und verwenden heimische Produkte: Südtiroler Äpfel Marlene, Loacker, heimisches Brot, Speck, Käse. Die Gsieser Bäckerei Amhof hat einen eigenen 11-Gipfel-Tour-Riegel entwickelt und produziert.  Wir organisieren die Transfers und unterstützen die Teilnehmer, schon vorab Fahrgemeinschaften zu bilden. Wir verzichten auf Flyer und Plakate und kommunizieren über Internet und Facebook. Das Abschlussdiplom und der Stempelpass – auf jedem Gipfel bekommen die Teilnehmer einen Stempel – sind aus ökologischem Papier. Die Helfer auf den Gipfeln tragen den Müll wieder ins Tal hinunter. Wir verzichten auch auf Hubschraubereinsätze zum Transport. 

 

4. Frisiberg, 2.538 m

Wie viele freiwillige Helfer sind dabei?

G. L.: Etwa 60 Leute helfen uns, diese Tour zu dem zu machen, was sie heute ist. Die Bergrettung Antholz hat uns immer unterstützt. Sie übernimmt auch heuer wieder zwei Gipfel und ist mit insgesamt 15 Mann dabei. Die Musikkapelle Antholz ist auch wieder auf einem Gipfel vertreten, ebenso jene aus Gsies. Außerdem sind der ASV Antholzertal, die Söhne Antholz und die Bauernjugend Antholz mit dabei. Einsatz und Gastfreundschaft unserer Helfer machen die Tour zu einem unvergesslichen Erlebnis. Sie sorgen nicht nur für gute Laune und verteilen je nach Gipfel Getränke und etwas zu essen, sondern kontrollieren auch, wie es den Leuten geht. Aber wir wollen nicht alles verraten, es soll ja auch wieder ein paar Überraschungen geben. Im vergangenen Jahr zum Beispiel haben manche Teilnehmer auf der Amperspitze getanzt. Am Ende konnten wir der Bergrettung einen Scheck von 1.111 Euro überreichen. Den ursprünglich geplanten Beitrag an die Bergrettung von drei Euro pro Teilnehmer konnten wir somit sogar noch etwas aufrunden. 

 

5. Amperspitze, 2.687 m

Die Teilnahmegebühr beträgt 40 Euro. Man muss kein Mathegenie sein, um sich auszurechnen, dass Sie beide an dieser Aktion nichts verdienen. Was ist Ihre Motivation?

I. B.: Wir verdienen unser Geld in anderen Jobs. Uns war es von Anfang an wichtig, mit dieser Tour das Antholzertal bekannter zu machen. Natürlich besteht auch ein finanzielles Risiko. Wir strecken einiges an finanziellen Mitteln vor und falls wegen schlechten Wetters alles ins Wasser fällt, bleiben wir auf den Kosten sitzen. Wenn wir mehr Teilnehmer zulassen würden, könnten wir das finanzielle Risiko minimieren. Aber das Ganze soll ein familiäres Wanderfest bleiben. 

 

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6. Karl, 2.490 m

Gibt es einen Grundsatz, der besonders wichtig ist?

G. L.: Am Anfang wurden wir oft gefragt, wann unser Lauf denn stattfinde. Das haben wir sofort entschärft. Es gibt viele tolle Rennen in Südtirol. Aber nicht bei uns. Die 11-Gipfel-Tour ist kein Wettkampf um Podestplätze und Medaillen. Manche versuchen natürlich trotzdem, so schnell wie möglich von Gipfel zu Gipfel zu kommen. Das finden wir fast ein bisschen schade, denn sie bekommen von dem besonderen Flair wenig mit. Sie erreichen nach sieben, acht Stunden bereits das Ziel. Andere kommen erst sieben Stunden später an. 

 

7. Ochsenfelder, 2.609 m

Wie garantieren Sie, dass keiner auf der Strecke bleibt?

G. L.: Die Bergrettung bleibt immer hinter den letzten Wanderern zurück. Es gibt auf der Strecke zwei Punkte. Wenn die Teilnehmer dort erst um eine gewisse Uhrzeit eintrudeln, empfehlen wir ihnen abzusteigen. Das ist aus Sicherheitsgründen einfach notwendig. 

 

8. Napfl, 2.428 m

Woher stammen die Teilnehmer?

I. B.: In diesem Jahr kommen 50 der insgesamt 222 Teilnehmer aus dem Ausland, und zwar aus Belgien, Deutschland und Österreich. Die anderen Teilnehmer kommen aus allen Teilen Süd-, Nord- und Osttirols, vor allem viele Wanderbegeisterte aus dem Vinschgau sind mit dabei; für sie gehören Gipfelmärsche ja zur Tradition. Die Hälfte der Teilnehmer sind übrigens Frauen. Wir haben die Frauenquote also voll erfüllt. 

 

9. Knebelstein, 2.494 m

Im Normalfall ist ja schon ein erreichter Gipfel Belohnung genug. Warum mussten es gerade elf sein?

G. L.: Die elf Gipfel gilt es zu überwinden, um den gesamten westlichsten Kamm der Villgrater Berge zu überschreiten. Die Tour ist kein Spaziergang, ganz klar. Man muss sich motivieren, man steigt auf, dann wieder ab, dann wieder auf, und so geht es stundenlang weiter. Es gibt keinen Schatten, keine Bäume, weil man immer oberhalb der Baumgrenze wandert. Wenn man hört, dass fast 3.000 Höhenmeter zu überwinden sind, denkt man zunächst, dass das kaum zu schaffen sei. Aber wir starten sehr früh. Auf jedem Gipfel gibt es nicht nur einen Stempel, sondern die Möglichkeit, kurz zu verschnaufen und sich mit den anderen Teilnehmern auszutauschen. Schließlich geht es ja nicht um die Zeit! Am Ende schaffen die Leute etwas, was sie sich selbst nicht zugetraut hätten – sie bezwingen fast ein Dutzend Gipfel an einem Tag und kommen voller Adrenalin ins Ziel. 

 

10. Höllensteinspitze, 2.755 m

Wie erklären Sie sich den Erfolg?

G. L.: Wir haben wohl den Zeitgeist getroffen. Die Leute wollen etwas Extremes machen, das zugleich aber technisch machbar ist. Sie wollen es selbst durchführen, nicht aber selbst organisieren. Jeder geht in seinem Rhythmus. Es gibt die großzügige Maximalzeit, den Rest kann sich jeder frei einteilen. Innerhalb einer Stunde zieht sich das Feld ziemlich auseinander. Es ist beeindruckend, in der Nacht die 200 Stirnlampen zu beobachten, die sich aufs Rudlhorn zubewegen. 

 

11. Rotwand, 2.818 m

Zum Ende der Tour geht es noch einmal hoch hinaus. Wie erleben Sie die Teilnehmer, die es bis zur Rotwand geschafft haben?

I. B.: Die Rotwand ist der letzte und höchste Gipfel der Tour. Hier gibt es dann auch den obligatorischen Gipfelschnaps. Im Laufe des Tages, im Laufe der Tour bilden sich regelrechte Wanderfreundschaften. Und ab hier beginnt das offene Ende dieses Bergsteigerfestes. Nicht wenige sind dabei über ihre eigenen physischen und psychischen Grenzen gegangen und dennoch stolz und glücklich im Ziel „Am Platzl“ am Antholzer See angekommen.

Interview: Verena Duregger

 

Ingrid Bodner und Günther Leitgeb

Die Leidenschaft für die Berge zieht sich wie ein roter Faden durch das (Ehe-)Leben von Ingrid Bodner (34) und Günther Leitgeb (42) aus Antholz. Die 34-jährige gebürtige Osttirolerin arbeitet im Produktmanagement beim Tourismusverband Hochpustertal,  der 42-Jährige als Marketingleiter der Dolomiten Wellness Residenz Mirabell in Olang. Darüber hinaus sind beide geprüfte Bergwanderführer und begleiten regelmäßig Gäste auf Touren. 2013 haben sie zum ersten Mal die 11-Gipfel-Tour im Antholzertal organisiert. Heuer findet der Wanderevent am 29. August statt - zum mittlerweile dritten Mal (www.gipfeltour.info).

 

 

 

 

 

 

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