Wein in und um Bruneck? „Das ist in naher Zukunft durchaus möglich“, sagt Michael Oberhuber. Der gebürtige Olanger ist Direktor des Versuchszentrums Laimburg und damit auch für die Außenstelle Dietenheim zuständig. Warum Regionalität in der Landwirtschaft immer wichtiger wird und es den Felsenkeller unbedingt braucht, erzählt der 40-Jährige im PZ-Interview.
Dr. Michael Oberhuber
PZ: Vor sechs Jahren sind Sie aus Kalifornien und Österreich zurückgekehrt, um die Leitung des Versuchszentrums Laimburg zu übernehmen. Wären Sie ohne dieses Jobangebot in Ihre Heimat Südtirol zurückgekehrt?
Michael Oberhuber: Nein, mit Sicherheit nicht. In Südtirol zu leben und so nahe an meinem Heimatort Olang zu arbeiten, empfinde ich als Privileg.
Viele andere würden auch gerne hier arbeiten, wenn sie denn ein entsprechendes Angebot bekommen würden. Tut das Land genug, um Fachkräften wie Ihnen ein spannendes Umfeld zu bieten?
Prinzipiell glaube ich, dass es für Wissenschaftler hier in Zukunft mehr Chancen geben wird. Trotz großer Anstrengungen kochen wir im Moment, was das Thema Forschung angeht, allerdings noch auf kleiner Flamme. Das Lissabon-Ziel der europäischen Region war es, drei Prozent vom Bruttoinlandsprodukt in Forschung und Entwicklung zu investieren. Was Südtirol betrifft, sind wir nicht einmal bei 0,6 Prozent. Die öffentliche Hand tut sich zunehmend schwer, der Verwaltungsaufwand ist enorm. Dadurch werden die Möglichkeiten im Bereich der Wissenschaft stark begrenzt. Deshalb sehe ich vor allem in der Privatwirtschaft Chancen. Die hat ja öfter etwas freiere Hand.
Die Laimburg unterhält eine Außenstelle in Dietenheim. Was genau passiert dort?
Die Laimburg ist Südtirols Forschungsinstitution für die Landwirtschaft. Wir bauen an verschiedenen Standorten im ganzen Land jene Kulturen an, die für die jeweilige Gegend geeignet sind. In Dietenheim führen wir Versuche rund um die Berglandwirtschaft durch und forschen zu jenen Kulturen, die an der Grenze zu dieser noch möglich sind. Dazu zählt zum Beispiel der Weinanbau. In Dietenheim herrscht bekanntermaßen ein besonderes Klima. Das Dorf liegt an einem schönen Südwesthang, der recht sonnenexponiert ist, weshalb dort einiges möglich ist. Es wird wärmer, und so muss die Laimburg auch auf den Klimawandel reagieren. Hauptsächlich betreiben wir im Pustertal Ackerbau und Grünlandwirtschaft, wir haben Vieh und betreuen die Schüler der landwirtschaftlichen Schule. Sie haben dort am Hof Praxisunterricht, das heißt sie füttern das Vieh, melken, misten aus. Daneben experimentieren wir mit Pflanzen, die in wärmeren Gefilden zu Hause sind.
Vor kurzem wurde in der Pustertaler Außenstelle der Pustrissa vorgestellt. Wie schmeckt der Wein aus Dietenheim?
Pustrissa ist ein aromatischer Biowein, der einen schönen Körper und eine gute Struktur hat. Wir haben mit Solaris, einer pilzresistenten Sorte, experimentiert. Der Pustrissa kommt auf einen Alkoholgehalt, der mit Landler-Weinen durchaus zu vergleichen ist. Typisch für einen 2014er-Jahrgang ist die markante Säure. Der Pustrissa ist der erste Jahrgang, der auf den Markt gekommen ist. Vorher haben wir nur wissenschaftlich experimentiert.
Wo kann man den Pustrissa kaufen?
Wer ihn kosten will, muss schnell sein. Wir haben nur ein paar hundert Flaschen produziert. Er ist im Geschäft direkt bei der Laimburg und über unsere Händler erhältlich. Solaris ist nicht eine der klassischen Sorten, sondern eine Neuheit auf dem recht konservativen Weinmarkt. Jeder weiß, wie ein Lagrein oder Cabernet schmecken soll. Aber dass es tausende Rebsorten gibt, wissen nur wenige. Wir wollten in Dietenheim mit Pustrissa etwas Besonderes kreieren.
Hand aufs Herz: Braucht es Wein aus dem Pustertal?
Die Frage ist nicht, ob es Wein aus Dietenheim braucht, sondern ob er in unsere Weinkultur passt. Pustrissa soll keine Konkurrenz sein, sondern ein Wegbereiter und -begleiter für die Weinkultur im Pustertal. Zudem bin ich überzeugt davon, dass für Gastbetriebe ein Eigenbauwein in geeigneten Pustertaler Lagen eine Bereicherung ist, die auch den anderen Südtiroler Weinen zugutekommt. Die Forschung muss Grenzen ausloten, und genau das machen wir mit Pustrissa.
Bruneck im Jahr 2043: Anstatt Kartoffeln wachsen Weinreben und Apfelbäume rund um die Stadt - ist so ein Szenario realistisch?
Die Klimamodelle sind nicht so präzise, was die örtliche und zeitliche Auflösung betrifft. Eine Prognose dahingehend abzugeben, ob sich das Klima bis zu einem bestimmten Jahr so stark verändert haben wird, dass hier Wein- und Obstbau im großen Stil betrieben werden kann, wäre unseriös. Nichtsdestotrotz glaube ich, dass es irgendwann möglich sein könnte, diese Kulturen hier anzubauen. Und die Qualität, da bin ich mir sicher, würde passen. Dennoch bleiben offene Fragen bezüglich der Wirtschaftlichkeit, der Frostschäden usw. Eine nicht unwesentliche Rolle spielen darüber hinaus die Bewässerung, die gesichert sein müsste, und die gesellschaftliche Akzeptanz.
Bei der Ernährung legen immer mehr Menschen Wert auf regionale Produkte. Wie wird die Laimburg diesem Interesse der Verbraucher gerecht?
Wir sehen hier vor allem im Berggebiet große Chancen und tragen dieser Entwicklung mit dem Schwerpunkt „Regionale Bergprodukte“ in unserem Programm Rechnung. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist das Gemeinschaftsprojekt Regiokorn, bei dem aus regionalem Korn regionales Brot hergestellt wird. Im Rahmen dieses Projektes prüfen wir zum Beispiel die verschiedenen Sorten und optimieren den Anbau, um die daraus gewonnenen Erkenntnisse an die Bauern weitergeben zu können.
Können Sie an einem konkreten Beispiel aufzeigen, wie die Laimburg in Dietenheim forscht?
Im Pustertal und insbesondere in Dietenheim laufen die meisten unserer Futtermittelversuche. Dabei geht es um die Pflege der Wiesen, aber auch um die Wahl der richtigen Maissorte. Darüber hinaus versuchen wir, Alternativen im Futtermittelanbau zu finden. So haben wir zum Beispiel Hirse anstelle von Mais angebaut. Es hat sich aber gezeigt, dass es dafür hier zu kühl ist. Auch solche negativen Ergebnisse sind wichtig. Denn ohne Versuche kann man auch keine Erkenntnisse gewinnen. Bei einem weiteren Projekt, das kurz vor dem Abschluss steht, geht es um alte Landgetreidesorten, die aufbewahrt und zusammengetragen wurden und jetzt wieder angebaut werden sollen. Wir testen das aktuell an 15 Standorten - damit in Zukunft das Regiokornbrot wieder aus dem Roggen unserer Großeltern hergestellt werden kann.
Wie intensiv mussten Sie sich in die Thematik des Obst- und Weinbaus einarbeiten?
Der Obst- und Weinbau ist ein sehr weites Feld, sodass eine Person nie alle Bereiche bis ins Detail abdecken kann. Die Laimburg ist kein Einmannbetrieb. So habe ich viele äußerst kompetente Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, auf die ich zurückgreifen kann. Ich selber komme aus dem Bereich der Biochemie und habe mich seit meiner Diplomarbeit mit Pflanzeninhaltsstoffen beschäftigt. Die molekulare Welt ist mein wissenschaftliches Zuhause, sie bildet die Basis für die Vorgänge in der Landwirtschaft.
Hat die Laimburg erforscht, was das Geheimnis der Puschtra Kartoffel ist?
Hier gibt es noch einiges zu tun, und wir sehen Luft nach oben. Das Klima ist zweifelsfrei für den Kartoffelanbau geeignet, und er wäre in meinen Augen auch ausbaubar, vorausgesetzt der Markt spielt mit. Die Kartoffel ist bei uns so bedeutend geworden, weil wir Nischen im Saatbau besetzt haben. Mich würde es reizen, den Anbau von Speisekartoffeln zu unterstützen.
Warum braucht das Land Südtirol den Felsenkeller als Repräsentationsort?
Der Felsenkeller ist ein idealer Ort, um unser kleines, bäuerlich geprägtes Land, unsere Produkte und unsere Weinkultur vorzustellen. Hier werden zum Nutzen unseres Landes Verbindungen aufgebaut – in einem sterilen Büro wäre das in dieser Weise nicht möglich. Der Felsenkeller fesselt seine Besucher, egal ob sie aus Südtirol oder von außerhalb kommen, mit seiner Einzigartigkeit und zeigt, dass man ihnen Wertschätzung entgegenbringt. Welchen Zauber der Keller ausübt, kann ich immer wieder beobachten, wenn sich selbst höchste EU-Vertreter, Politiker und Funktionäre zu Begeisterungsausbrüchen hinreißen lassen.
Interview: Verena Duregger
ZUR PERSON
Michael Oberhuber, 40, leitet seit Oktober 2009 das land- und forstwissenschaftliche Versuchszentrum Laimburg. Nach Abschluss des Chemiestudiums an der Universität Innsbruck forschte er am Scripps Research Institute in San Diego (Kalifornien, USA). Nach seiner Rückkehr aus den USA war er als Nachwuchsgruppenleiter an der Universität Innsbruck und als Laborleiter am Forschungs- und Entwicklungszentrum des Pharmakonzerns Sandoz/Novartis in Kundl (Nordtirol) tätig. Oberhubers wissenschaftliche Arbeit wurde mehrfach ausgezeichnet, u.a. erhielt er den Preis der Gesellschaft Österreichischer Chemiker für die beste Dissertation des Jahres, ein Ernst-Schrödinger-Stipendium für Forschungen im Ausland, den Fritz-Pregl-Preis, den Prof.-Ernst-Brandl-Preis und den Wissenschaftspreis der Stadt Innsbruck. Michael Oberhuber lebt mit seiner Frau und zwei Kindern in Neumarkt.