Jetzt ist er ruhig geworden, der „Untohaus Lois“, wie ihn die Teldra kennen. „Jetzt ist es genug“, sagt er und lacht. Er ist zufrieden  mit seinem Leben so wie es jetzt ist. Wenn nur die Hüfte wieder gerichtet wird, denn seine ganze Freude gilt dem Gehen. „Einfach gehen“, wie er sagt.  

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Alois Stolzlechner mit 50     mg

Oft ist er nach seiner Arbeit in einem Industriebetrieb in Mühlen noch bis Bruneck gefahren um zu Fuß nach Hause zurückzukehren. An den Wochenenden von Luttach bis Prettau und zurück, zirka 50 Kilometer. Diese Strecke hat er oft  zurückgelegt. Oder er hat den Hausberg von Luttach, den „Wolfskofel“ bestiegen, zweimal an einem Tag. „Einfach gehen“, so sagt er, das hat er am liebsten gemacht. Oft bis zu neun Stunden. Ohne Handy oder Kopfhörer, ohne Begleitung. Die Landschaft betrachtend und die Natur genießend, mit sich selbst im Reinen.

Geboren als zwölftes von dreizehn Kindern auf einem kleinen Bauernhof bei Luttach hat Alois Stolzlechner schon früh das Gefühl des Heimwehs kennengelernt. Wegen  einer Hüftbehinderung hat er viel Zeit der  ersten Jahre in den Krankenhäusern von Innsbruck und Brixen verbracht. Und wie es damals üblich war, durften die Eltern ihre Kinder nicht besuchen

 

Aufregende Kindheit

Er erzählt von einer an sich schönen Kindheit, vergisst das Heimweh in den Spitälern und besinnt sich auf das Aufwachsen mit den Geschwistern und Freunden. Die Schule ist ihm allerdings nicht sehr gut in Erinnerung. „Ich habe  mich einfach schwer getan“, gibt er zu. Die Ärzte führten dies auch auf die vielen Narkosen zurück, die er aufgrund der Operationen erhalten hat.  Später holt er die Mittelschule in Abendkursen als Privatist nach.  Der Lois wurde in eine musikalische Familie hineingeboren, seine Brüder und sein Vater waren Mitglieder der Musikkapelle und so lag es nahe, dass auch er ein Instrument erlernte. Es hat ihm auch gefallen, bis er dann das andere Geschlecht entdeckte. „Genug“, hat dann sein Vater entschieden, als er seine Zeit  anstatt  für die Proben für die  Kontaktaufnahme mit den Mädchen verwendete.

 

Wilde Jugend

Seine Jugend hat er voll ausgelebt, mit seinen Freunden gründete er einen Motorradclub. Natürlich wurde er zu deren Chef ernannt. Seine mangelnde Körpergröße hat er mit seiner großen Klappe wettgemacht, so erzählt er lachend. Mit dem Motorrad sind sie zu Treffen im ganzen Land gefahren, haben selber Feste organisiert und einfach nur gefeiert. Kritisch beäugt von der Umwelt ob der Lederkluft oder dem gezeichneten  Schweinekopf - damals das Symbol für ihre Gruppe -  auf dem Rücken. Er hat sich immer gewehrt, war auch in Raufereien verwickelt, die aber oft nur Show waren.  „Mädchengeschichten hatte ich auch  immer am Laufen, da hat nichts gefehlt!“ Weitere Details verrät er nicht, ein Gentleman genießt und schweigt….

 

Gehirnblutung mit 29

Sein Leben  veränderte sich radikal, als er mit 29 Jahren eine Gehirnblutung erlitt. Im Krankenhaus wurde er zuerst auf einen „Sonnenstich“ hin behandelt - erst nach zwei Tagen wurde die richtige Diagnose gestellt. Bei der anschließenden Operation verlor er die Sehkraft an seinem linken Auge. „Am Anfang war es sehr hart“, erzählt Lois. Er konnte nicht mehr reden und kaum sprechen. Einfache Dinge wie essen oder schreiben musste er  mühsam wieder neu erlernen.

Sein Dickkopf hat ihm auch hier sehr geholfen. Mit Einsatz und Durchsetzungsvermögen absolvierte er harte Therapien und ist heute wieder (fast) wie vor der Erkrankung. „Der Verlust des Auges war ein großer Einschnitt“, sagt Lois. Um auch von seiner optischen Veränderung abzulenken, hat er fortan eine schwarze  Augenklappe und einen bodenlangen Ledermantel getragen. Ein Schlagring und Sporen an seinen Stiefeln ließen ihn furchterregend ausschauen.

 

Der eigene Weg

Die Wirkung seines Aussehens war entsprechend. Überall, wo er auftauchte, hatten die Menschen Angst vor ihm - bald auch seine Kollegen. Als er bemerkte, dass er sich mit dieser Verkleidung langsam isolierte, beschloss er für sich „genug!“.  Er entsorgte Augenklappe und Ledermantel und verbrannte alle Fotos dieses Lebensabschnittes. Einzig sein Spitzname „Rocka Lois“ ist ihm aus dieser Zeit geblieben.

Wie er zu seinem Nebenverdienst als Händler für Erotikartikel  gekommen ist, weiß er nicht mehr genau. Auf jeden Fall hatte er großen Erfolg mit dem Verkauf von Filmen bestimmten Inhalts oder anderen Angeboten  aus dem Hause „Beate Uhse“. Er war auch Mitglied im Beate-Uhse-Club und auf der Erotikmesse in Innsbruck ein Star, erzählt er nicht ohne Stolz. Bei ihm zuhause gaben sich viele interessierte Käufer die Klinke in die Hand, sein Kofferraum war immer mit neuer Ware gefüllt. Auch damals, als die Carabinieri  bei einer Routinekontrolle auf der Straße sein Auto durchsuchten und im Kofferraum eine aufgeblasene Sex-Puppe vorfanden. „Vielleicht haben sie sie mir sogar abgekauft“, glaubt Lois sich nicht mehr genau zu erinnern…

jetzt mit 50 lebt er in einer Wohnung in Luttach. Seine Freundin stammt aus dem gleichen Dorf und er hofft jetzt nur,  dass die Ärzte seine Hüfte richten. Dann könnte er wieder seinem Hobby frönen. Nach  der Arbeit und am Wochenende „gehen, einfach nur gehen“.    

mg

 

 

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