Als am neunten Dezember 1999 im Brunecker Spital Pfarrer Heinrich Videsott verstarb, hätten Außenstehende wohl kaum gedacht, dass nicht einmal 17 Jahre später, am zweiten Februar dieses Jahres, in Bozen der Seligsprechungsprozess für diesen vorbildlichen Priester eröffnet werden könnte. Selbst seine geistlichen Söhne und Töchter, seit 2009 durch das Komitee „Freunde von Pfarrer Heinrich“ vertreten, hätten dies wohl kaum für möglich gehalten.

Gnissant-2015-24a

Das Grab von Pfarrer Heinrich Videsott besuchen stets viele Menschen. Das Kerzenmeer zeugt davon.

Die Mitglieder des Komitees „Freunde von Pfarrer Heinrich“ wussten aber schon damals, was der Priester vielen von ihnen am Sterbebett versprochen hatte. Das er ihnen nämlich vom Himmel aus ein größerer Fürsprecher sein könne, als er es auf Erden gewesen sei. 62 Jahre lang hatte er als Priester segensreich gewirkt, viele Jahrzehnte davon in Wengen. Seine Seelsorgskinder und nicht nur sie, zu Gott zu führen, war ihm Aufgabe und Erfüllung. Das Segnen und selbst ein Segen zu sein war ihm dabei wichtig: „Der Segen kann Beginn einer Gnade sein“, wiederholte Pfarrer Heinrich immer wieder jenen, die ihn um Hilfe baten. Nicht ohne Gebet und Glaubenszeugnis gab er den Segen, der immer von Gott, niemals von ihm selber kam. Er rief dabei die Heiligen, vor allem die Gottesmutter, als Fürsprecher an.

Sollte das Seligsprechungsverfahren zu einem guten Ende kommen, wird das gläubige Volk bald auch offiziell in ihm einen ebensolchen Fürsprecher verehren und anrufen können.       

Pfarrer H. Stephan

 


 

Stephan Astner, Augustiner Chorherr und Pfarrer von Völs, Tiers und Völser Aicha, antwortet nun in seiner Eigenschaft als Vizepostulator auf einige Fragen der PZ im Zusammenhang mit der Eröffnung des Seligsprechungsverfahrens von Pfarrer Heinrich Videsott.

 

PZ: Herr Stephan, haben Sie Pfarrer Heinrich Videsott persönlich gekannt?

Hochwürden Astner: Ja, ich hatte das Glück, Pfarrer Videsott persönlich kennen zu lernen. Als junger Pfarrer im Pustertal drang sein Ruf an mein Ohr. Zuerst war ich äußerst skeptisch, doch ein spontaner Besuch bei ihm in Wengen hat mich umgestimmt.

 

Was waren die Gründe für ihre Tätigkeit im Seligsprechungsverfahren?

Eben diese Begegnung, die nicht geplant war, und die Umstände, wie man auf mich als Vizepostulator gekommen ist, haben mich zu meinem Einsatz für die Causa bewogen.

 

Bischof Ivo hat Sie 2012 zum Vizepostulator ernannt. Können Sie ihre Tätigkeit kurz umreißen?

Aufgabe des Vizepostulators ist es, alle notwendigen Informationen zu sammeln und in das Seligsprechungsverfahren einzubringen, vor allem werden aber auch Zeitzeugen befragt.

 

Was war ausschlaggebend für den Beginn des Seligsprechungsverfahrens?

Zum Bemühen um die Seligsprechung von Pfarrer Heinrich führte, dass sein Wirken bis heute unvergessen ist. Im Gegenteil, immer mehr Menschen lernen Pfarrer Videsott kennen und vertrauen auf sein Gebet bei Gott.

 

Pfarrer Heinrich haben viele Menschen noch gekannt. Gibt es einen Unterschied zwischen einem Seligsprechungsverfahren für ihn und für einen schon lange Zeit verstorbenen Menschen?

Seligsprechungsverfahren sind verschieden zu führen, wenn es sich um historische Persönlichkeiten handelt, oder um erst kürzlich verstorbene. Es können beispielsweise keine Zeugen mehr befragt werden. Für Menschen, die den Diener Gottes noch gekannt haben, ist es sicher ein besonderes Geschenk, die Eröffnung des Seligsprechungsverfahrens zu erleben.

 

Bischof Ivo hat den zweiten Februar, den Lichtmesstag, für die Eröffnung des Seligsprechungsverfahrens bestimmt. Was geschieht an jenem Tag?

Am Lichtmesstag wird um 10 Uhr im Bozner Dom eine heilige Messe gefeiert, um 11 Uhr wird dann im großen Saal des Pastoralzentrums das Seligsprechungsverfahren durch Diözesanbischof Dr. Ivo Muser eröffnet. Die daran Beteiligten wie Richter, Kirchenanwalt, Postulator, Vizepostulator, theologische Zensoren und Historiker werden vereidigt.

 

Zur Eröffnung wird aus Rom auch der Postulator P. Carlo Calloni anreisen. Welches sind die Aufgaben des Postulators?

Der Postulator übermittelt die in der Diözese gesammelten Informationen zum Leben und Wirken des Dieners Gottes, seine Schriften sowie die schriftliche und mündlichen Zeugnisse der Zeitzeugen an die Kongregation für Heilig- und Seligsprechungen in Rom. Er vermittelt sozusagen zwischen dem Heiligen Stuhl und der Diözese in allem, was die Causa betrifft.

 

Die Eröffnung ist ein erster, wichtiger Schritt. Wie läuft das Verfahren nach der Eröffnung weiter?

Dann beginnt das eigentliche Verfahren mit dem schon erwähnten Sammeln von Informationen und den Zeugenbefragungen. Am Ende wird dann entschieden, ob die Tugendhaftigkeit des Dieners Gottes feststeht, ob der Ruf der Heiligkeit im katholischen Volk anhält und ob eine Seligsprechung für die Kirche bedeutsam ist.

 

Im Zusammenhang von Heilig- und Seligsprechungen ist meist von Wundern die Rede. Wie verhält es dich damit?

Ist das Verfahren abgeschlossen, führt nur ein geprüftes und anerkanntes Wunder zur Seligsprechung. Bleibt ein solches aus, wird der Diener Gottes gewöhnlich nicht seliggesprochen.

 

Viele erwarten einen raschen Verlauf des Seligsprechungsverfahrens. Kann man über dessen Dauer bereits etwas sagen?

Das ist leider nicht möglich. Im Zusammenhang mit Pfarrer Videsott höre ich nicht auf, zu betonen, dass die Causa vergleichsweise zügig voranschreitet, und die Eröffnung bereits gut 16 Jahre nach seinem Tode rasch erfolgt. Wir wünschen uns, dass es mit Gottes Hilfe so gut weiter geht.

 

Was können die Gläubigen zum Gelingen des Verfahrens tun?

Etwas sehr Wesentliches: Der Ruf der Heiligkeit muss feststehen und andauern, am besten sollte er im Laufe des Verfahrens noch wachsen. Auch das ist, soweit ich es beurteilen kann, bisher der Fall. Sollte jemand noch etwas über Pfarrer Heinrich und sein Wirken bezeugen wollen, wende er sich an den Postulator in Rom, die Kurie in Bozen, das Komitee „Freunde von Pfarrer Heinrich“ in Wengen oder natürlich auch an mich, den Vizepostulator.

 

In jeder Sache gibt es Für und Wider. Werden auch Menschen angehört, die gegen eine Seligsprechung des Dieners Gottes sind?

Ein eigener Kirchenanwalt, der „Promotor Iustitiae“, trägt in dem Verfahren eventuell vorhandene Argumente gegen eine Seligsprechung vor und muss sich aufgrund des abgelegten Eides eifrig darum bemühen, solche ausfindig zu machen. Deshalb nannte man den „Promotor Iustitiae“ früher auch „Advocatus Diaboli“.

 

Am Beginn des Interviews habe Sie erwähnt, dass Sie aufgrund einer besonderen Begebenheit zum Vizepostulator bestimmt wurden. Können Sie etwas Näheres dazu sagen?

Es war einfach so, dass ein Bekannter aus dem Fenster schaute, einen ihm und mir Unbekannten erblickte, der dann mich - nachdem wir uns kennen gelernt hatten - der zuständigen Stelle als Vizepostulator empfahl. Auch schloss ich kategorisch aus, dass mein Vorgesetzter die Erlaubnis dazu geben würde; zu meinem Erstaunen war das aber kein Problem.

 

Würde Pfarrer Videsott tatsächlich seliggesprochen, wie wäre ihre Reaktion?
Es wäre für mich so, wie es für den Bürgermeister von San Giovanni Rotondo, dem Wirkungsort von Padre Pio, war, als dieser heiliggesprochen wurde. Er sagte einfach: „Wir wussten schon immer, was jetzt offiziell ist: er war ein Heiliger!“

 

Erachten Sie ein Seligsprechungsverfahren für die Menschen der heutigen Zeit noch für bedeutsam?

Dazu darf ich die Heilige Schrift zitieren, und zwar das Buch der Weisheit, wo es von der Weisheit Gottes heißt: „Sie ist nur eine und vermag doch alles; ohne sich zu ändern, erneuert sie alles. Von Geschlecht zu Geschlecht tritt sie in heilige Seelen ein und schafft Freunde Gottes und Propheten“ (Weish. 7,27). Gott wirkt zu allen Zeiten und an allen Orten, vor allem durch Menschen, die er erwählt, zu seiner Zeit durch Pfarrer Heinrich, heute noch durch sein Vorbild und seine Fürsprache bei Gott.

Interview: Michela Comploj


 

Heinrich Videsott wurde am dritten Juli 1912 in Montal geboren. 1937 wurde er in Brixen zum Priester geweiht und wirkte daraufhin in verschiedenen Pfarreien der damaligen Diözese Brixen, bis er 1964, im Jahr der Errichtung der Diözese Bozen-Brixen, nach Wengen kam, wo er das Priesteramt bis zu seinem Tode am neunten Dezember 1999 zunächst als Pfarrer, dann als Seelsorger 35 Jahre lang ausübte.

Pfarrer Heinrich zeichnete sich durch tiefes Mitgefühl für die Bedürfnisse seiner Pfarrkinder und seine opferbereite Sorge für jegliches ihrer Bedürfnisse geistiger oder materieller Art aus. Wie ein guter und gerechter Vater war er stets für die Seinen da; sein tiefer Glaube und sein inniges Gebet zogen von überallher Menschen an, um bei ihm Trost und Rat zu suchen, und nicht zuletzt deshalb, weil sein eifrig gespendeter Segen ein nie versiegender Quell war, aus dem die Gläubigen himmlische Gnaden schöpften.

Als von tiefer Nächstenliebe erfüllter Mann, kümmerte sich Videsott nicht zuerst um seine eigenen Bedürfnisse und die seiner Gesundheit und ebenso wenig um die Kritik und das Unverständnis einiger Zeitgenossen, darunter auch mancher Priester, als vielmehr um die Seinen.

Zahlreich sind die Zeugnisse von Priestern, Ordensleuten und Gläubigen über das heldenhafte Tugendleben von Pfarrer Heinrich Videsott in der Nachfolge des Evangeliums, das in einem von Glaube, Hoffnung und Liebe erfüllten Alltag seinen Ausdruck fand. Das führte bald zum einzigartigen Ruf Pfarrer Heinrichs und seines Priestertums, der sich

bald weit über die Grenzen seiner Pfarrei hinaus verbreitete.

Nach seinem Tod setzte ein bis zum heutigen Tag andauernder Strom von Pilgern nach Wengen an das Grab Pfarrer Heinrich Videsotts ein, um seine Fürsprache in ihren Anliegen zu erbitten. Die Anerkennung der Heiligkeit von Pfarrer Heinrich Videsott würde seinen apostolischen Geist wachhalten und vielen Gläubigen, Priestern und Jugendlichen ein Vorbild gelebter Hingabe an Gott vor Augen führen.       

Martin Pezzei

Zusätzliche Informationen

Diese Seite verwendet Cookies!

Durch die Nutzung der Website stimmen Sie zu, dass Cookies gespeichert werden. Mehr darüber

Ich verstehe