Die Begrüßung auf „Teldraisch“ ist für Karim El Bahdi selbstverständlich. Er versteht den Ahrntaler Dialekt einigermaßen, nur mit dem Sprechen hapert es noch ein bisschen. Dafür ist sein Italienisch sehr gut und er springt im Gespräch mit den Einheimischen von einer Sprache in die andere. Ganz nach Bedarf. Er fühlt sich wohl im Toul.
Die Familie El Bahdi lebt seit Jahren im Ahrntal. mg
Karim ist 1983 in Marokko geboren. In einem kleinen Dorf etwa 170 km von Casablanca entfernt. Sein Vater hat sich schon bald aufgrund der prekären Arbeitssituation in seinem Land nach Italien begeben, um sich dort als Wanderhändler zu verdingen. Er wurde in St. Peter im Ahrntal sesshaft. Seinen zweitältesten Sohn holte er 2000 zu sich ins Ahrntal. Das erste Jahr war sehr schlimm für den jungen Marokkaner. „Starkes Heimweh, verstärkt noch durch die Isolation mangels Sprachkenntnissen. Das war schon eine große Belastung“, so Karim der PZ gegenüber. Er fing dann eine Arbeit in einer Bäckerei an, musste allerdings nach einem Jahr aufhören, da er die Nachtschicht körperlich nicht bewältigen konnte. Nach zwei Jahren im Gastgewerbe kam er wieder in den Betrieb zurück und ist nun seit 12 Jahren dort fest angestellt. Sein Chef von der Bäckerei Kordiler in St. Peter attestiert ihm ein fleißiges, verlässliches und pünktliches Arbeitsverhalten.
Familienintegration
Nach zwei Jahren holte der Vater noch einen Sohn nach Südtirol - den um drei Jahre jüngeren Raduan. Obwohl die zwei Brüder im Charakter sehr unterschiedlich sind – Karim ist ruhig und besonnen, Raduan ist aufgeweckt und lebendig – halten sie zusammen wie Pech und Schwefel. Sie mussten schon in jungen Jahren für sich selber sorgen, da das Familienoberhaupt wieder zurück nach Marokko gezogen ist. Der Ältere hat die Verantwortung für den Jüngeren, und dieser akzeptiert dies auch. Durch einen regen Kontakt zu den Einheimischen waren sie beide bald in der Sprache des Tales zuhause. Ordentliche Sprachkenntnisse sind ja eminent wichtig für eine erfolgreiche Integration. Raduan arbeitet mittlerweile in einem einheimischen Vier-Sterne-Betrieb in der Küche und ist mit seinem Beruf sehr zufrieden.
Religiös gefestigt
Auf die Frage nach ihrer Religion, bekennen sie sich dezidiert zum Islam. Allerdings zum friedlichen Islam. Von den Islamisten, die zurzeit die Welt mit ihrem Terror überziehen, distanzieren sich beide stark. „Dies ist nicht die Religion, wie wir sie aus dem Koran gelernt haben. Diese Terroristen benutzen den Islam als Vorwand, um ihre Grausamkeiten ausleben zu können“, sind sie überzeugt. Die Brüder folgen den Gesetzen ihrer Religion, allerdings den Umständen angepasst. Fünf mal am Tag beten? Karim hat das exakt zwei lange Jahre durchgehalten. Dann musste auch er den Arbeitszeiten, Kindern und Stress Tribut zollen. Allerdings halten beide die Regeln des Ramadan, des heiligen Fastenmonats, rigoros ein. Einmal im Jahr für einen Monat von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang weder essen noch trinken: bei seiner Arbeit als Bäcker ist dies für den Älteren allerdings nicht so schwer durchzuführen; für seinen Bruder als Küchengehilfe ist das schon um einiges schwieriger.
Arrangierte Hochzeit
2005 war für Karim ein bedeutendes Jahr. Damals kam seine zukünftige Frau nach Südtirol. „Eine von den jeweiligen Familien arrangierte Heirat“, erzählt er. Doch er ist sehr glücklich mit Fatima, die ihm mittlerweile drei Kinder geboren hat. „Die Eltern wissen halt doch besser, wer zu einem passt“, bestätigt er noch einmal die Entscheidung des Familienrates im fernen Marokko. Seine Kinder im Alter von sechs und vier Jahren, sowie der kleinen Basma mit vier Monaten, besuchen den örtlichen Kindergarten und haben einheimische Freunde.
Seit fast zwei Jahren lebt die Familie in St. Johann in einer Wohnung des sozialen Wohninstitutes. Von den neun Mietern sind sie die einzigen Ausländer und leben ohne Probleme Tür an Tür mit den Einheimischen. „Aufgrund der geringen Sprachkenntnisse der Ehefrau von Karim ist der persönliche Kontakt mit den Nachbarn allerdings etwas eingeschränkt“, bedauert er. Seine Kinder erziehen sie nach den Gesetzen des – wie Karim betont - friedlichen Islam. Er legt aber dennoch großen Wert darauf, dass sie auch die Bräuche und die Kultur des Ahrntales kennenlernen. Auf die Frage ob seine Töchter später auch Kopftücher tragen müssen, reagiert er verständnislos: „Das entscheiden bei uns die Frauen selber!“
Der Kontakt in die Heimat
Was sie an der Heimat vermissen, ist vor allem die Mutter, erzählen die Brüder. Nach dem frühzeitigen Tod des Vaters ist sie der Familienmittelpunkt. Jeden Tag telefonieren sie mit ihr und einmal im Jahr steht ein Besuch in Marokko an. Ob sie für immer in Südtirol bleiben wollen? Darüber müssen sie einige Minuten nachdenken. „Es kommt sicherlich einmal der Tag der Heimkehr“, sagt Raduan. Karim vermag sich hingegen nicht zu äußern. Er weiß um die schwierige Arbeitsmarktsituation in seiner Heimat. Obwohl in Marokko Frieden herrscht, ist er sich der Verantwortung für seine Frau und Kinder bewusst. Er ist recht zufrieden mit seinem Leben in Südtirol, er respektiert die Gesetze und die Kultur dieses Landes. Andererseits wird er auch von den Einheimischen aufgrund seines unauffälligen und angepassten Lebenswandels absolut respektiert. Ein gelungenes Beispiel von Integration.
mg