Am 16. Oktober hat im Kongressaal des Brunecker Krankenhauses der internationale Kongress „Hernia - Workshop: Update“ stattgefunden. Es handelte sich um die sechste Auflage. Bei den Hernia-Eingriffen handelt es sich um die häufigsten durchgeführten operativen Eingriffe in der Allgemeinchirurgie. Die Chirurgie Bruneck gehört übrigens in der laproskopischen Operationstechnik zu den Referenzzentren der Italienischen Herniengesellschaft.
Gesundheitslandesrätin Martha Stocker (Bildmitte vorne) eröffnete den Ärztekongress im Brunecker Krankenhaus. Es war bereits die sechste Auflage. Die Veranstaltung kommt in Fachkreisen gut an.
Gleich vorweg etwas zur Begriffserklärung: Unter „Hernien“ versteht man Leistenbrüche, Nabelbrüche und Narbenbrüche der Bauchdecke. Welche Bedeutung die Hernien-Chirurgie hat, soll anhand einiger Zahlen gezeigt werden: Die Hernienreparatur ist der am häufigsten durchgeführte operative Eingriff in der Allgemeinchirurgie. Über 20 Methoden der Leistenhernienreparatur in Europa zeigen, dass es derzeit keinen Goldstandard gibt. In Deutschland werden jährlich etwa 700.000 bis 800.000 Operationen mit Öffnung der Bauchdecke durchgeführt. Ein Drittel der operierten Patienten bekommt dabei anschließend einen Narbenbruch, von denen wiederum ein Drittel operiert werden muss. Somit ist dem „Bruch“ (im Fachausdruck eben „Hernie“) ein beträchtliches ökonomisches Gewicht zuzuordnen. Wie genau ein Bruch entsteht, ist immer noch unklar. Bekannt sind prädisponierende Faktoren wie Übergewicht, Rauchen, chronischer Husten, Verstopfung, schweres Heben, eine Dauertherapie mit Cortison-Präparaten oder mehrere vorausgegangene Operationen über den gleichen Schnitt. Inwieweit eine Bindegewebsschwäche dabei eine Rolle spielt, ist noch nicht abschließend geklärt.
Hochkarätiger Kongress
Beim diesjährigen Kongress ging es um die neuesten Erkenntnisse im Bereich der verschiedenen Netzimplantate, um spezielle neu entwickelte Operationstechniken und um den Verschluss der Bauchdecke unter Zuhilfenahme von besonderen Netzen, kombiniert mit der Unterdrucktherapie. Letztere beschleunigt die Wundheilung und lässt Entzündungen rascher abklingen. Dieser Umstand tritt vor allem bei komplexen Fällen auf. Beispiele dazu sind schwere Bauchfellentzündungen und traumatische Verletzungen der Bauchraumorgane, in welchen ein rasches und effizientes Handeln notwendig ist. Auch dieses Jahr gab es im Rahmen der Veranstaltung wieder Live-Übertragungen von Hernienoperationen direkt aus dem Operationssaal.
Welche Methode?
Bereits Celsus hat 25 vor Christus erstmals ein Bruchband erwähnt. Seitdem ist man auf der Suche nach der idealen Methode der Hernienreparatur. Als Meilenstein muss die Bassini-Plastik bezeichnet werden, die über 100 Jahre als Standard galt. In der Folge erfreuten sich die Shouldice- und die Lichtensteinplastik großer Beliebtheit. Bei letzterer kam das Prinzip des spannungsfreien Verschlusses durch eine Netzeinlage erstmals zur Anwendung.
Vor 25 Jahren begannen laparoskopische Operationsmethoden auch in der Hernienchirurgie Fuß zu fassen und sich mit beeindruckender Geschwindigkeit zu verbreiten. Vor allem garantieren die mini-invasiven Techniken eine raschere Erholung der Patienten, einen höheren Komfort nach der Operation und eine geringere Schmerzbelastung. Auf lange Sicht gibt es zwischen den offenen (anterioren) und geschlossenen (posterioren) Verfahren keine Unterschiede im Wiederauftreten eines Bruches.
Komplikationen
Die zu implantierenden Netze werden hochtechnologisch hergestellt; bei Bedarf beschichtet, um sie verträglicher zu machen. Nach 20 Jahren Beobachtungszeit hat man nur ein geringes Ausmaß an Komplikationen festgestellt, welche auf das Netz zurückzuführen sind. Laut Literatur gibt es keinerlei Hinweise für das Auftreten einer Allergie auf das eingesetzte Fremdmaterial.
Komplikationen gibt es auch bei laparoskopischen, mini-invasiven Leistenhernienoperationen. Diese sind jedoch großteils harmlos und bilden sich innerhalb einiger Monate spontan zurück. Große Komplikationen sind sehr selten (0,5-1/1000 Fälle). Dass die Verwendung von Kunststoffnetzen per se zu einer Beeinträchtigung der Zeugungsfähigkeit führen kann, ist derzeit unbewiesen. Wichtigster Endpunkt ist und bleibt jedoch im langfristigen Verlauf das Wiederauftreten eines Bruches sowie der chronische Schmerz. In allen aktuellen relevanten Studien zeigt sich, dass alle operativen Methoden mit Netzeinlage denen ohne Netz überlegen sind. Beim chronischen Schmerz ist die mini-invasive, laparoskopische Methode der offenen deutlich überlegen.
Bauchwandbrüche
Bei Bauchwandbrüchen, d.h. Nabel- und Narbenbrüchen, werden heutzutage zwei große Gruppen von operativen Reparaturmethoden angewandt. Die Bauchdeckenplastiken mit Positionierung des Netzes innerhalb der Bauchdecke werden durchwegs in offener Technik durchgeführt. Die sogenannten IPOM-Verfahren (Intraperitoneal Onlay Mesh), bei denen entweder offen, in der Praxis aber weitaus häufiger laparoskopisch ein Netz durch die Bauchhöhle in die Bauchdecke eingepflanzt wird, um diese zu verstärken. Die Ergebnisse sind zunächst hervorragend, das Vorliegen eines Netzes in der Bauchhöhle mit direktem Kontakt zum Darm ist allerdings kein Idealzustand und könnte auf Dauer zu Komplikationen führen.
Von der Versorgung von Narbenhernien mit alleiniger Naht ohne Verwendung von Netzen ist man mittlerweile aufgrund des häufigen Wiederauftretens der Brüche nahezu gänzlich abgekommen. Die Wundheilungsstörung stellt die häufigste Komplikation bei diesen Eingriffen dar, weil bei diesen im Vergleich zu Leistenhernien eine wesentlich größere Wundoberfläche entsteht.
Brüche vermeiden
Sinnvoller als die Reparatur von Brüchen ist allerdings die Vermeidung ihres Auftretens. So kann man in bestimmten Fällen bereits bei der Erstoperation beim Verschluss der Bauchdecke diese mit einem Netz verstärken.
Die heuer behandelten Themen waren und bleiben im medizinischen Fachbereich Chirurgie von größter Aktualität und von größtem Interesse. Alle beteiligten Vortragenden und Moderatoren sind bekannte Experten aus dem In- und Ausland (Deutschland, Österreich, Schweiz, Italien). Sie sind die Garanten für die von Jahr zu Jahr steigende Qualität des Hernienkongresses im Brunecker Krankenhaus.
Sophie De Martin Polo
Infobox
Die Chirurgie Bruneck gehört in der laproskopischen Operationstechnik (übrigens als einzige der Region Trentino Südtirol) zu den Referenzzentren der Italienischen Herniengesellschaft (ISHAWS-Italian Society of Hernia and Abdominal Wall Surgery). Außerdem ist sie seit fünf Jahren an der internationalen Herniamed-Studie beteiligt und verfügt über das Gütesiegel der Deutschen Hernien-Gesellschaft (DHG).