Sie gehören mittlerweile zum Alltagsbild im Brunecker Zentrum und an stark frequentierten Plätzen. Auch in anderen Ballungszentren im Pustertal wurden sie des Öfteren bemerkt. Die Rede geht von den Bettlern, und sie rühren gerade zur Weihnachtszeit am schlechten Gewissen der Bevölkerung. Auch wenn manch einer gerne einen Obolus beisteuert, fühlen sich viele Bürger zunehmend belästigt. Das Phänomen „Betteln“ spaltet die Gemüter.
„Hartnäckiges“ Betteln gehört in Bruneck mittlerweile zum Stadtbild jst
Das Szenario ist bekannt: Geschäftig unterwegs wird man immer öfter angehalten und um Geld angebettelt. Vor allem der Radius um die Stadtgasse, Kirchen und das Krankenhaus dient als Magneten für die aufhaltenden Hände. Mittlerweile schießen (mögliche) Bettelverbote im ganzen Land wie Pilze aus dem Boden. Ob das der richtige Weg ist, darüber scheiden sich die Geister.
Fest steht, dass die damit einhergehenden Verwaltungsstrafen meistens schlichtweg ins Leere führen. Streng genommen handelt es sich bei diesen Verboten um eine „Verordnung des Bürgermeisters“. Aber auch wenn Strafen oder das Abnehmen des „Bettelgeldes“ vorgesehen sind, ist die entsprechende Umsetzung schwierig, denn was soll man auch schon einem Menschen abnehmen, der nichts hat? Diese Diskrepanz bestätigt auch der Kommandant der Brunecker Stadtpolizei, Stefan Haidacher: „Die Bettler wissen, dass ihnen - praktisch gesehen - nicht viel passiert. Deshalb ist es auch keinen wirkliche Abschreckung.“
Verstärkte Kontrollen
Die Stadtpolizei hat dennoch auf die stetig steigende Anzahl der Bettler, gerade in der Vorweihnachtszeit, mit verstärkten Kontrollen reagiert und das beinhaltet auch Streifen in Zivil. „Im laufenden Jahr haben wir bereits an die zweihundert effektive Kontrollen samt Identifizierung der betreffenden Personen und den entsprechenden bürokratischen Vorgaben durchgeführt“, gibt der Kommandant an. Bringen tut das Ganze allerdings wenig. Im Endeffekt ist Betteln ein Grundrecht des Menschen. Im Jahre 1995 wurde der Passus des Art. 670 des italienischen Strafgesetzbuches für verfassungswidrig erklärt, jener Passus, der Betteln an öffentlichen Orten unter Androhung von Gefängnisstrafen verbietet.
Betrügerische Bettelbanden?
Geahndet werden kann jedoch belästigendes und betrügerisches Betteln. Worin im Wesentlichen auch das vorrangige Problem besteht. In Bruneck setzen sich die Bettler im Allgemeinen aus zwei Schichten zusammen, den „traditionell“ länger schon anwesenden Rumänen und dem relativ neuen Pool aus Bettlern mit schwarzer Hautfarbe. Und diese bereiten den Ordnungshütern, laut Kommandant Haidacher, größeres Kopfzerbrechen. Denn diese „Bettler“ zeichnen sie sich zum einen durch ein aggressiveres Bettelverhalten aus und entziehen sie sich zudem mittels Abhauen jeglicher Kontrolle.
Was dabei noch eine Rolle spielt, ist die Wahrnehmung der Bevölkerung, welche oftmals die Hautfarbe in ein und denselben Topf wirft. Sprich: Viele sind irrtümlicherweise davon überzeugt mit ihrer „Spende“ einen Beitrag zu den aktuellen Flüchtlingsereignissen beizusteuern. Eine gänzliche Fehleinschätzung, wie der Koordinator der Flüchtlinge im Brunecker Josefsheim, vehement bestätigt. „Unsere Schützlinge gehen nicht auf die Straße, um zu betteln. Abgesehen davon, dass sie regelmäßig kontrolliert werden und immer ihre Identifikationsdokumente bei sich tragen müssen, sind sie auch selbst nicht gerade begeistert davon, dass sie von einigen mit den Bettlern auf den Brunecker Straßen in Verbindung gebracht werden!“ Wer sind dann also die Bettler? Die allgemeine Vermutung, dass es sich hierbei um „organisiertes“ Betteln handelt, steht zwar im Raum, kann aber bis dato nicht eindeutig bewiesen werden, wie auch Stefan Haidacher bestätigt.
Mit Bettelgeld Gutes tun
Bleibt also nach wie vor die Frage, ob man mit „Bettelgeld geben“ denn nun wirklich was Gutes bewirkt? Die Caritas hat diesbezüglich eine klare Position. „Stilles“, unaufdringliches Betteln verletzt niemandes Grundrecht, und helfen zu wollen obliegt schließlich der Entscheidung eines mündigen Bürgers. Dabei gibt es für Hilfe durchaus auch andere Modelle. „Zwischen Wegschauen, Nichtstun, Dulden und Verboten kann es Zwischenstufen des Handelns geben“, sagt Marcello Cont, Leiter der Sozialdienste. Ein Gutscheinsystem etwa, mit welchem Bedürftige ihre Wäsche waschen, duschen oder Essen holen können. Oder Spenden an Obdachlosenheime.
Eines ist gewiss: Die Augen zu verschließen, ist keine Lösung. Steigende Armut und das auch daraus resultierende Betteln ist eine Realität, und die Herausforderung besteht darin, mit diesem Problem adäquat umzugehen. Die Bereitschaft zur Unterstützung ist jedenfalls vorhanden. Zusammen mit der Bezirksgemeinschaft und den Sozialverbänden plant die Stadtgemeinde, sich im nächsten Jahr eingehend mit den Themen „Obdachlosigkeit und Betteln“ auseinanderzusetzen, wie die PZ in Erfahrung bringen konnte. Ziel ist es, Alternativen zum „Betteln auf der Straße“ zu suchen.
jst
Infobox
Selbstverständlich gilt der Grundsatz, dass jeder für sich ganz persönlich abwägen soll, wem er etwas geben will. Aber niemand soll sich von Bettlern in Bedrängnis bringen lassen. Und man darf getrost, auch ruhigen Gewissens, „Nein“ sagen! Was im Übrigen auch der Rat der Brunecker Stadtpolizei ist.