Wenn man die Statistiken zum Thema „Organspende in Südtirol“ über die letzten Jahre und Jahrzehnte hinweg genauer betrachtet, lässt sich ein mehrmaliges Auf und Ab in der Bereitschaft der Bevölkerung erkennen. Das ist auch im Pustertal nicht anders. Nun erzählen erstmals Betroffene von ihrem Leid.
Trotz dreimaliger Dialyse pro Woche ließ sich die Patientin nicht entmutigen und gab die Hoffnung auf eine Spenderniere nie auf.
Bezeichnend ist, dass gerade in jenen Phasen, in denen in der Öffentlichkeit für oder gegen eine Organspende plädiert wurde, ein Anstieg bzw. eine Abnahme der Organspenderzahl auszumachen ist. Dies zeigt auch, dass die Unsicherheit in Bezug auf dieses heikle und oft tabuisierte Thema in der Bevölkerung groß und eine Entscheidung für oder gegen das Spenden eines Organs äußerst schwierig ist. Die letzte öffentliche Diskussion über die Organspende, die vor allem durch die vom Land und von den Gemeinden initiierte Kampagne „spende LEBEN – dona VITA“ ausgelöst wurde, liegt zwar schon einige Monate zurück, dennoch sind die Skepsis und der Zwiespalt in vielen Menschen noch spürbar.
Erregte Gemüter
Besonders erregte Gemüter gab es nach dem Vortrag von Dr. med. Regina Breul, den diese am zweiten Oktober 2015 in Reischach gehalten und in dem sie sich ganz klar gegen eine Organspende ausgesprochen hatte. Unter anderem begründete sie ihren Standpunkt damit, dass beim Hirntod kein einziges sicheres Todeszeichen wie Totenstarre, Leichenflecken und Fäulnis zu beobachten sei, sondern dass lediglich zwei unsichere Todeszeichen, nämlich die Bewusstlosigkeit und der Atemstillstand, gegeben seien. Aufhorchen ließ die Ärztin darüber hin aus mit folgender Aussage: „Bei der Organentnahme […] werden oft spontane Reaktionen ausgelöst. Es ist schon vorgekommen, dass sich Patienten weggedreht oder auch an die Öffnungsstellen gefasst haben“ (die PZ hat darüber in der Ausgabe Nr. 20 vom neunten Oktober 2015 berichtet). Nicht zuletzt die Aussage, dass sie nicht dazu bereit sei, ihre Organe zu spenden und sie auf der anderen Seite auch kein Spenderorgan annehmen würde, weil sie wisse, was das für einen Spender bedeuten könne, hat zwei Betroffene dazu bewogen, sich auch noch einige Monate danach zu diesem Thema zu Wort zu melden.
Elisabeth Strobl aus Innichen
(Jahrgang 1967, Hausfrau und Mutter)
Frau Strobl lebt seit September 1992 mit einer Spenderniere, hatte diesbezüglich seitdem keine größeren gesundheitlichen Probleme mehr und ist heute dank des Organs glückliche Mutter zweier fast erwachsener Töchter.
Strobls Leidensweg begann im Sommer 1988, als sie in einem Gasthof als Zimmermädchen tätig und von ständiger Übelkeit und hohem Blutdruck geplagt war. Nachdem im August 1988 die Diagnose „Schrumpfnieren“ gestellt und sie auf die Warteliste der Organempfänger eingetragen worden war, begann für sie ein halbes Jahr der Diäten, medikamentösen Behandlungen und unzähligen Krankenhausaufenthalten. Am 14. Februar 1989 begann sie mit der Dialyse, die sie dreimal in der Woche drei Jahre lang in Bruneck über sich ergehen lassen musste: Übelkeit, strengste Diäten, körperliche und psychische Nebenerscheinungen waren ihre täglichen Begleiter. „Das Schlimmste“, so Strobl, „war aber wohl das jahrelange Hoffen und Bangen, ob sich rechtzeitig eine Niere finden ließe, die sie langfristig am Leben erhalten würde“.
Am 25. September 1992 um halb vier Uhr in der Früh dann der erlösende Anruf ihrer Ärztin, in Innsbruck warte eine Niere auf sie. Nun musste alles Schlag auf Schlag gehen. Dennoch blieb Frau Strobl Zeit genug, neben der Erleichterung auch große Angst vor der bevorstehenden Operation und deren Folgen zu verspüren. Wie sich später aber trotz anfänglichen Abstoßens des Organs und verschiedenster Kuren herausstellte, war diese unbegründet und konnte bald großer Freude und Dankbarkeit weichen. Und als Strobl 1995 und 2000 dann noch komplikationslos zwei gesunden Töchtern das Leben schenken durfte, war ihr Glück vollkommen.
Karl Köllemann
(Jahrgang 1942, Pensionist)
Herr Köllemann lebt seit März 2003 mit einer Spenderlunge, für ihn war das gespendete Organ lebensrettend in buchstäblich letzter Sekunde. Auch er hatte diesbezüglich seitdem keine größeren Probleme mehr und freut sich heute über 13 Jahre mit seiner Familie, die ihm durch die fremde Lunge geschenkt wurden.
Köllemanns Kampf gegen sein Leiden begann im Jahre 2002, als ein hochgradiges Lungenemphysem diagnostiziert wurde, was monatelange Krankenhausaufenthalte, Behandlungen und Vorbereitungen für eine eventuelle Lungentransplantation zur Folge hatte. Als er im Februar 2003 auf die Warteliste kam, hatte er enorme körperliche und psychische Belastungen hinter sich und lebte ständig mit der ärztlichen Prognose im Hinterkopf, er habe noch ca. zwei Monate zu leben. Es sollte aber anders kommen; an einem Tag im März 2003 klingelte um Mitternacht bei Köllemanns Familie das Telefon: Er müsse sofort nach Innsbruck - dort sei alles bereit für eine Lungentransplantation. Die Freude war natürlich unbeschreiblich; und auch das anfängliche Abstoßen des neuen Organs und die durch eine Kortisonbehandlung hervorgerufene Osteoporose konnten die Dankbarkeit für das neue Leben nicht in den Hintergrund drängen. Der Weg bis zur vollständigen Genesung war zwar noch ein langer und schwieriger, dennoch zahlte er, so Köllemann rückblickend, diesen Preis gerne, wenn er an die letzten Jahre denkt, in denen er ein ganz normales Leben führen und all seine Tätigkeiten wieder aufnehmen konnte.
Die andere Seite
PZ: Frau Strobl, warum ist es Ihnen ein Anliegen, mit Ihren persönlichen Geschichten an die Öffentlichkeit zu gehen?
E. Strobl: Dr. Breuls Aussage, dass sie kein Organ spenden und auf der anderen Seite auch keines annehmen würde, hat mich sehr irritiert und nachdenklich gemacht. Diese Aussage hat mich in meiner Meinung bestärkt, dass Nichtbetroffene nicht nachvollziehen können, welchen Leidensweg Organempfänger hinter sich und was sie ihren anonymen Spendern zu verdanken haben. Ich wünsche mir, dass mit dem Thema in den Medien sensibler umgegangen wird und dass Menschen, die ihren Standpunkt in der Öffentlichkeit vertreten, ihn so formulieren, dass Betroffene sich nicht wertlos oder entmutigt fühlen müssen. Ich habe mir vorgestellt, was Dr. Breuls Aussage in Menschen, die auf der Warteliste für eine Transplantation stehen, angerichtet haben muss.
K. Köllemann: Unabhängig von der ganzen öffentlichen Diskussion bin ich der Meinung, dass die Menschen einfach wissen sollen, was sie mit einem „Ja“ zur Organspende bewirken können und welche Freude und Lebensqualität sie damit einem anderen Menschen schenken. Und gleichzeitig möchte ich auf diesem Weg dem gesamten Krankenhauspersonal in Innichen, Bruneck und Innsbruck ein großes Lob aussprechen, dem ich in jeder Hinsicht sehr viel zu verdanken habe.
Und wie stehen Sie zu den Einwänden, der Hirntod könne nicht als Indiz für den eingetretenen Tod anerkannt werden?
E. Strobl: Ich will mit meiner Geschichte keinesfalls Überzeugungsarbeit für die Organspende leisten. Nach dem Artikel in der PZ Nr. 20 vom 09. Oktober 2015 war es mir wichtig, den Lesern die Sicht eines Betroffenen zu vermitteln. Ich persönlich bin mir sicher, dass der Hirntod eines Patienten als eindeutiges Indiz für den eingetretenen Tod gilt. Nicht zuletzt deshalb denke ich so, weil ich mit vielen Ärzten, auch im unmittelbaren Bekanntenkreis, darüber gesprochen habe und diese mich mit vielen Informationen und Beispielen davon überzeugt haben, dass Organspender trotz Freigabe eines Organs ein friedliches und würdiges Sterben haben.
K. Köllemann: Ich bin der Meinung, dass man diesbezüglich der Forschung und der Gesetzgebung nach jahre- und jahrzehntelanger Arbeit Glauben schenken und davon ausgehen kann, dass Patienten nur Organe entnommen werden, wenn die Indizien eindeutig für den Tod des Spenders sprechen.
Interview: Nicoletta Schneider