Am 12. Juni entscheidet die Südtiroler Bevölkerung darüber, ob das Land den Flughafen Bozen in Zukunft finanziell unterstützen soll oder nicht. Die Meinungen dazu driften auseinander. Landesweit finden Informationsabende statt, um die zum Teil verunsicherten Bürgerinnen und Bürgern in ihrer Entscheidungsfindung zu unterstützen. So haben unlängst auch in Olang der örtliche Bildungsausschuss und die Umweltschutzgruppe zu einer Podiumsdiskussion mit Befürwortern und Gegnern eingeladen. Am 26. Mai folgt eine große Informationsveranstaltung im Pacherhaus in Bruneck.
Gegner und Befürworter des Bozner Flughafens lieferten sich einen intensiven Schlagabtausch jst
Im Olanger Vereinshaus hatten sich neben zahlreichen Interessierten auch einige Landtagsabgeordnete eingefunden. Die Anwesenheit von Christian Tschurtschenthaler, Roland Tinkhauser, Brigitte Foppa und Hans Heiss aber auch von etlichen Zuschauern aus entfernteren Landesteilen mag als Beweis gelten, wie sehr die Thematik rund um den Flughafen Bozen derzeit unter den Nägeln brennt. In seiner Begrüßung erläuterte der Vorsitzende des Bildungsausschusses Herbert Denicolò dem Publikum das Ziel der Veranstaltung, nämlich sich aufgrund einer sachlichen Auseinandersetzung von Befürwortern und Gegnern ein Bild machen zu können. In drei Pro und Contra Runden legten je zwei Diskussionsteilnehmer ihre jeweiligen Argumente in die Waagschale. Anschließend wurde eine offene Publikumsfragestunde eröffnet. Moderiert wurde das Ganze von Evi Keifl.
Des Pudels Kern
Grundsätzlich behandelt das bevorstehende Referendum die Frage, ob das Land die Betreibergesellschaft des Flughafens Bozen weiterhin bezuschussen soll. Mit der Präsentation des Entwicklungskonzepts für den Flughafen Bozen im vergangenen Oktober begann eine diesbezügliche Diskussion im Südtiroler Landtag. Im Dezember wurde dann der Gesetzentwurf über die „Bestimmungen zum Flughafen Bozen" im Südtiroler Landtag diskutiert und eine beratende Volksbefragung beschlossen. Das genannte Gesetz 60/15 zeichnet klare Zielvorgaben und Grenzen auf.
Mirjam Lanz, Marketingleiterin der Flughafenbetreibergesellschaft ABD Airport AG und als solche eine klare Befürworterin, gab einen Überblick über das geplante Procedere. Das Ziel ist ein „funktionierender Regionalflughafen“ unter der Kontrolle des Landes Südtirol. Zunächst muss die bestehende Start- und Landebahn im Rahmen der Flughafenkategorie 2C von 1.294 auf 1.462 Meter verlängert werden (dieses Projekt ist an sich bereits genehmigt und vom Staatsrat bestätigt), damit künftig auch Düsenflugzeuge vom Typ Boeing 737-700 bzw. Airbus A319 mit bis zu 150 Passagieren landen und starten können. Laut Entwicklungskonzept wächst aufgrund dieser Möglichkeiten die Zahl der Fluggäste deutlich stärker, als die Anzahl der Flüge. Mit 50 Prozent mehr Flugbewegungen als bisher lassen sich die Passagierzahlen verzehnfachen. Bis 2021 soll das Land dafür jährlich 2,5 Millionen Euro in die ABD stecken. Innerhalb dieser Frist muss eine jährliche Passagierzahl von 170.000 erreicht werden. Andernfalls stellt das Land die Zuschüsse ein.
Bei Zielerreichung hingegen kann das Land die Betreibergesellschaft weiterhin unterstützen, allerdings ab 2022 nur mehr mit 1,5 Millionen Euro pro Jahr. Lanz‘ Botschaft: Mit möglichst wenigen Flugbewegungen sollen möglichst viele Passagiere ins Land gebracht werden. Die positiven Auswirkungen: Mehr Arbeitsplätze, größere Wertschöpfung, mehr Steuereinnahmen. Alles natürlich im Rahmen eines verträglichen Umgangs mit Umwelt und Anrainern.
Was, wenn das Ziel nicht erreicht wird?
Gerade diese Aussage war Andreas Riedl, Geschäftsführer des Dachverbandes für Natur und Umweltschutz, ein Dorn im Auge, der ein völlig anderes Szenario zeichnete. Sollten die im Entwicklungskonzept angestrebten Ziele erreicht werden, bedeute dies bis zum Jahr 2035 im Umkehrschluss 539.000 (Base Case) bzw. 719.000 (High Case) Passagiere jährlich.Der Ausbau des Flughafens würde 150.000 bis 180.000 Bürger mit Lärm und Abgasen belasten, die Lebensqualität und Attraktivität der Tourismusregion verringern und zudem der Alpenschutzkonvention, dem Klimaplan der Südtiroler Landesregierung (Energie Südtirol 2050) sowie dem Klimaschutzabkommen von Paris widersprechen. Sein Fazit: Unnütz (sowohl für Incoming als auch Outgoing), schädlich (aus dem Gutachten des Umweltbeirates zitierend) und zu teuer.
Bedeutung des Flughafens
In eine ähnliche Kerbe schlug auch Marina Papadopoli Seppi, Anrainerin und Mitglied im Bezirksrat der Südtiroler Bäuerinnen. Die Bedeutung eines Südtiroler Flughafens für die heimische Wirtschaft sei längst nicht so essentiell, wie unter anderem vom Präsidenten des Südtiroler Wirtschaftsring, Philipp Moser, propagiert. Als einer der am besten aufgestellten Wirtschaftsräume Europas gelte es den Status Quo zu halten. Lebensqualität bedeute in Südtirol, laut Moser, ein Zusammenspiel zwischen gut funktionierender Wirtschaft und Natur. Und diesbezüglich müsse man zukunftsorientiert denken und konkurrenzfähig bleiben. Ansonsten werde Südtirol von der Landkarte verschwinden.
Eine Haltung, die auch Thomas Aichner, Direktor der Marketinggesellschaft Meran, unterstützt. Seine Motivation, Südtirol zur beliebtesten Lebensraumregion Europas zu machen, umfasst unmissverständlich auch den Ausbau des Flughafens. Bei jährlich sechs Millionen Gästen und zahlreichen Durchreisenden würde unser Wohlstand nicht nur von unserer Leistung und unserem Fleiß abhängen, sondern auch von den entsprechenden Verkehrsanschlüssen inklusive Flughafen.
Eine Auffassung, welcher der Geschäftsführer von „Vai e Via Aktivreisen“, Wolfgang Niederhofer, in punkto Flughafen nichts abgewinnen kann. Südtirol sei größtenteils auf dem Landweg sehr komfortabel erreichbar: Nach Rom mit der Bahn sind es vier, fünf Stunden; ab 2026 nach Fertigstellung des Brennerbasistunnels beträgt die Fahrzeit nach München beispielsweise 100 und nach Innsbruck 40 Minuten. Der Ausbau von Provinz bzw. Regionalflughäfen widerspreche einer modernen und nachhaltigen Verkehrsplanung, weit sinnvoller wäre ein noch besser funktionierendes Bahnnetz. Logistisch gesehen hält Niederhofer den Flughafen aufgrund der Flugpläne für uninteressant und den angestrebten Mehrwert insgesamt für „Peanuts“.
Gespaltenes Publikum
Die Rückmeldungen von Seiten des Publikums drehten sich im Anschluss vor allem um Fragen der Umweltbelastung und der Rentabilität. Die Befürchtung, dass der Flughafen ein Fass ohne Boden und eine „Misswirtschaft“ sei, bekräftigte auch Brigitte Foppa von der Grünen Fraktion. Seit 1999 wurden insgesamt über 120 Millionen in den Flughafen Bozen investiert. Auf der andere Seite muss angemerkt werden: Im Jahr 2014 hat das Land Südtirol über 163 Millionen Euro für den öffentlichen Transport ausgegeben. Rund drei Prozent (also rund 5,4 Millionen Euro) flossen davon in den Flugverkehr.
Aber es waren durchaus auch positive Statements und Apelle vertreten: Der Flughafen eröffne neue Chancen für den Tourismus, für die Positionierung der Marke „Südtirol“, für den Export und ganz allgemein für die junge Generation. SVP-Landtagsabgeordneter Christian Tschurtschenthaler räumte ein, dass der Flughafen bis dato in dieser Form nicht wirklich funktioniert habe, gab sich aber von einer künftig bessern Entwicklung überzeugt.
Auswirkungen von „ja“ und „nein“
Schlussendlich geht es in dem Referendum vom 12. Juni nicht um ein „ja“ oder „nein“ zum Flughafen an sich. Dieser bleibe bestehen, wie Mirjam Lanz unterstrich. Es geht aber um das Mitspracherecht und die Mitgestaltung von Seiten des Landes. Eine diesbezügliche Wortmeldung von Senator Hans Berger hatte kürzlich für Aufruhr gesorgt. Die öffentliche Hand könne die öffentliche Finanzierung des Flughafens nicht so einfach von einem Tag auf den anderen einstellen und den Airport abstoßen. Solange kein neuer Konzessionär gefunden sei, müsse die Betreibergesellschaft ABD den Flugbetrieb gewährleisten, verlautbarte der Senator und verwies auf ein Schreiben der Luftfahrtbehörde ENAC. „Ein Nein-Sieg beim Referendum bedeutet lediglich den Verlust der öffentlichen Kontrolle über den Flugplatz“, so Berger.
In den Augen vieler Gegner würden damit nur mit einer möglichen künftigen Unsicherheit Ängste geschürt. „Ein NEIN der Bevölkerung bedeutet, dass der Flughafen in dieser Form (und erst recht nicht in einer größeren, mit Ausbau und größeren Jets) nicht gewollt ist. Damit ist der Auftrag an die Politik klar vorgezeichnet: Es liegt dann in den Händen der Landesregierung, den Flughafen zurückzustufen und ihn für eine Ausschreibung unattraktiv zu machen“, schreibt beispielsweise die Grüne Fraktion in einer Aussendung.
Ob ein Ausbau des Bozner Flughafens und die weitere Subventionierung letztlich sinnvoll sind, muss jede/r Bürger/in inmitten des ganzen Für und Wider-Gewirrs beim Referendum selbst entscheiden.
Judith Steinmair
Informationen und Zahlen rund um das Referendum:
Wortlaut und Inhalt des Referendums:
„Wollen Sie die Genehmigung des Gesetzentwurfes Nr. 60/15, betreffend „Bestimmungen zum Flughafen Bozen“, zu welchem der Südtiroler Landtag am 4. Dezember 2015 die Anberaumung einer beratenden Volksbefragung beschlossen hat?“
Das bedeutet, dass nicht über den Flugbetrieb selbst abgestimmt wird, sondern nur darüber, ob das Land Südtirol den Flughafen unter den vom Gesetz vorgesehenen Bedingungen finanziell unterstützen soll oder nicht.
Gesetzentwurf 60/15:
Mit ihrem Gesetzentwurf definiert die Landesregierung den Flughafen als „Einrichtung von öffentlichem Interesse“. Sie will die Grundlage schaffen, um einen Flughafen betreiben zu können, ihn aber gleichzeitig auch nur dann führen und finanzieren, wenn Wirtschaftlichkeit und Funktionalität langfristig garantiert sind.
Unter anderem sind folgende Punkte/Auflagen vorgesehen:
- Jährliche finanzielle Unterstützung des Landes Südtirol für den laufenden Betrieb (einschließlich der Kosten für Flugverbindungen und Investitionen):
bis zu 2,5 Mio. Euro ab dem Jahr 2017
bis zu 1,5 Mio. Euro ab dem Jahr 2022
- Ab 1. Jänner 2022 muss der Flughafen eine Mindestzahl von 170.000 Fluggästen pro Jahr erreichen, sonst wird die öffentliche Finanzierung eingestellt
- Erlaubter Flugbetrieb: Linienflüge 6–23 Uhr, Charterflüge 7–22 Uhr
Bindend oder nicht bindend?
Das Referendum ist nicht bindend. Aber Landeshauptmann Arno Kompatscher hat zugesagt, sich an das Ergebnis zu halten. Die letzte Entscheidung liegt allerdings beim Landtag.