Bereits im Jahr 1999 fiel der Startschuss für das „Gewässerbetreuungskonzept (GBK) Untere Ahr“. Mit diesem in Österreich entwickelten Planungsinstrument sollten Hochwasser- und Naturschutz nicht mehr getrennt voneinander betrachtet werden. Vor allem im extrem hochwassergefährdeten St. Georgen sind die positiven Auswirkungen der durchgeführten Maßnahmen ersichtlich. Gleich mehrfach konnte dort die Hochwassergefahr gebannt werden.
Die Gatzaue im aktuellen Zustand. Die Schottergrube (links im Bild) soll geschlossen bleiben. Das Gelände soll entsprechend adaptiert werden.
Mit diesem von Österreich übernommenen Konzept soll versucht werden, den unterschiedlichen Ansprüchen gerecht zu werden und Synergien zu nutzen. In diesem Sinne wird an der Unteren Ahr im Abschnitt von Mühlen bis Bruneck seit 15 Jahren gearbeitet. Dabei wurden Erfahrungen gesammelt, die auch Projekten anderswo in Südtirol zugutekommen. Die anschaulichsten Ergebnisse liefern die bisher zwölf realisierten Revitalisierungsmaßnahmen entlang der Ahr. Auch die Schaffung einer durchwegs guten Vertrauensbasis zwischen allen Beteiligten kann als großer Erfolg gewertet werden.
Die Gatzaue bei Gais im Wandel der Zeit: Der Ursprungszustand 2003...
...im Jahr 2009 machen sich bereits die ersten Veränderungen bemerkbar.
Verschiedene Interessen
Besonders wichtig ist die Abstimmung der unterschiedlichen Interessen und Notwendigkeiten, die im Tauferer Talboden aufeinanderstoßen. Ob bei der Erhebung, bei der Problemanalyse oder vor allem bei der Entwicklung von Lösungen: Von Beginn an waren nicht nur unterschiedliche Experten und Vertreter der öffentlichen Körperschaften, sondern auch Anrainer in das Projekt involviert. Und auch die Bevölkerung wurde laufend über das Projekt informiert.
Als Beteiligungsgremium wurde im Jahr 2000 die sogenannte „Leitbildgruppe Untere Ahr“ gegründet. Unter dem Vorsitz der Landesabteilung Wasserschutzbauten wurden Vertreter der drei Gemeinden Bruneck, Gais und Sand in Taufers, der Landesämter für Jagd und Fischerei, Forst, Landwirtschaft, Raumordnung, Natur- und Umweltschutz, die Ortsobleute des Südtiroler Bauernbundes sowie der Interessensvertreter des Naturschutzes (Naturtreff Eisvogel) und des Tourismus‘ an den gemeinsamen Tisch geladen.
Ausgehend von den bestehenden Problemen hinsichtlich Hochwassergefahr, Flächennutzung und Naturschutz wurde in dieser Gruppe in den Jahren 2001 und 2002 das Leitbild für die Untere Ahr von Mühlen in Taufers bis Bruneck festgelegt. Als wesentliche Aufgaben dabei wurden zum einen der bestmögliche Schutz vor Überflutungen im Siedlungsbereich und zum anderen die Erhaltung und, wo notwendig, die Verbesserung des ökologischen Zustandes der Ahr und der angrenzenden Au- und Feuchtlebensräume festgelegt. Der Wert einer naturnahen Flusslandschaft und ihre Bedeutung als Naherholungsraum wurden ebenfalls sehr hoch eingestuft.
Entlang der Ahr von Mühlen bis Bruneck wurden bereits 12 Revitalisierungs- und Ausuferungsmaßnahmen gesetzt.
Ahr-Festl
Nun, 15 Jahre später, wurden dank der durchgeführten Maßnahmen und der intensiven Beteiligung der Menschen vor Ort bereits viele dieser Ziele erreicht. Dennoch bleibt noch einiges zu tun. Mit einem Fest soll am 13. Juni aber nun erst einmal innegehalten und das bisher Erreichte gefeiert werden. An acht Stationen entlang der Ahr kann von 11 bis 16.30 Uhr erforscht und entdeckt werden, was der Fluss und seine Umgebung bieten. Mit dem dort gewonnen Wissen ist man dann fit für ein Ahrquiz, das die Eintrittskarte für eine Preisverlosung ist. Der Flusspark St. Georgen wird an diesem Nachmittag zum Festplatz: Ab 16 Uhr gibt es dort Spiel und Spaß. Weitere Höhepunkte sind eine Festansprache von Landesrat Arnold Schuler um 18 Uhr, ein Open-Air-Gottesdienst um 19.15 Uhr und ein Freiluftkonzert mit der Two Man Group, das um 20.15 Uhr startet.
Genauere Informationen zum „Ahrfestl“ finden sich auf der Homepage www.wasserschutzbauten.it oder auf www.facebook.com/naturtreff.eisvogel Klaus Graber
Peter Hecher, Abteilung Wasserschutzbauten:
„Hobag-Schotterwerk bleibt geschlossen!“
Was konkret ist ein Gewässerbetreuungskonzept?
Unter dem Begriff Gewässerbetreuungskonzept versteht man einen ganzheitlichen Umgang mit Fließgewässern. Dabei wird der Fluss nicht getrennt von seinem Umland betrachtet, sondern Landschaft und menschliche Nutzung werden als zusammenhängendes System gesehen. Somit wird ein neuer Weg im Bereich der Naturgefahr „Hochwasser“ beschritten, der Hochwasserschutz und Naturschutz verbindet. Dazu braucht es eine intensive Abstimmung der Interessen und Ziele, die nur im offenen Dialog mit Entscheidungsträgern und Beteiligten zu erreichen ist. Das Hauptziel ist der Schutz unseres Lebens- und Naturraumes bei einem bestmöglichen Einsatz öffentlicher Mittel.
Was wurde in den vergangenen Jahren an der Ahr umgesetzt?
Seit 2003 wurden an der Ahr zwölf Revitalisierungsmaßnahmen umgesetzt. Dabei wurde der Fluss Schritt für Schritt durch Aufweitungen auf Flächen des Landesgrundes in Richtung eines naturnahen Zustands zurückgeführt. Wichtig war, die Bewirtschaftung der angrenzenden Flächen nicht wesentlich zu beeinträchtigen. Hinsichtlich des Hochwasserschutzes konnten durch die Ausweitungen erste Verbesserungen erreicht werden. Für einen umfassenden Hochwasserschutz von St. Georgen sind jedoch noch weitere Maßnahmen notwendig.
Ein weiterer wichtiger Aspekt war die Wiedergewinnung wertvoller Naherholungsbereiche für die Bevölkerung entlang der Ahr: Mit einer gezielten Besucherlenkung werden an bestehenden Rad- und Fußwegen die Besonderheiten des Flusses in den Blickpunkt gerückt und an einigen attraktiven Plätzen erlebbar gemacht. Dadurch sollen andere Rückzugsräume der dortigen Tier-und Pflanzenwelt vor dem Besucherstrom verschont blieben.
Wie wird es nun an der „Unteren Ahr“ weitergehen?
Bereits im Herbst dieses Jahres stehen weitere Revitalisierungsmaßnahmen an. Begonnen wird mit der Rückgewinnung einer Auwaldfläche, die durch die Absenkung eines ca. zwei ha großen Geländes in der Gatzaue bei Gais erreicht wird. Dies ist auch dank der Grundeigentümerin, der Fraktion Gais, möglich. Sie profitiert von einer intakten Auwaldfläche nicht zuletzt wegen der schnell wachsenden Erlenbestände, die gefragtes Brennholz liefern. Unterhalb von St. Georgen ist ebenfalls im Herbst eine Flussaufweitung geplant, die mit den Umweltgeldern des Hydros-Werkes in Bruneck finanziert wird. Von den Umweltgeldern des SE Hydropower-Werks in Mühlen wird die Revitalisierung der Mündung des Mühlwalder Baches finanziert. Interessant sind sicherlich auch die Ergebnisse einer flächendeckenden Untersuchung zum ökologischen Zustand und zum Hochwasserrisiko der Unteren Ahr, die in Zusammenarbeit mit den beteiligten Landesämtern, freiberuflichen Experten und der Universität Bozen durchgeführt wird und im kommenden Jahr abgeschlossen werden soll.
Was passiert mit dem ehemaligen Schotterwerk der HOBAG in der Gatzaue?
Für dieses Schotterwerk, das auf den Flächen des öffentlichen Wassergutes liegt, gab es bis 2012 eine Konzession, die in Abstimmung mit der Leitbildgruppe bis Ende 2014 verlängert wurde, um sie zeitgleich mit der 2014 auslaufenden Schotterabbau - Konzession der HOBAG im angrenzenden Abbaugebiet „Talboden“ zu beenden. Im Dezember letzten Jahres wurde auch von der Landesregierung die Beendigung der Schotterverarbeitung in der Gatzaue bestätigt.
Dem Unternehmen „Brunner und Leitner“, das die Anlage übernehmen wollte, wurde vom Amt für öffentliches Wassergut ein Räumungsbescheid übermittelt. Diese Fläche soll umgestaltet werden und wieder einen wichtigen Beitrag zum Hochwasserrückhalt und damit Schutz für die Wohnhäuser in St. Georgen leisten. Die ersten Umgestaltungen dazu sind bereits für diesen Herbst geplant.
Interview: Klaus Graber
Klaus Graber, Naturtreff Eisvogel:
Kompromisslos natürlich
Herr Graber, Sie arbeiten bereits seit 15 Jahren am „Gewässerbetreuungskonzept Untere Ahr“ mit. Was gibt es zu feiern?
Eine ganze Menge: 15 Jahre Gewässerbetreuungskonzept bedeuten für mich unzählige Sitzungen, Lokalaugenscheine und Besprechungen. Doch das Resultat kann sich sehen lassen: Die Ahr wurde an mehreren Stellen aufgeweitet und der Auwald wurde revitalisiert, Naturlebensräume wurden optimiert und die Hochwassersituation für mein Heimatdorf St. Georgen wurde verbessert. Dazu wurden einmalige Naherholungsräume für die Bevölkerung geschaffen. Alleine der Flusspark in St. Georgen oder die Aufweitungen am Hirschbrunnbach sind Grund genug, um zu feiern!
Sie sind Präsident einer Naturschutzorganisation und gleichzeitig Vertreter der Fraktionsverwaltung St. Georgen. War es für Sie oft schwierig, diese beiden Ämter unter einen Hut zu bringen?
Nein, überhaupt nicht. Schließlich geht es im Wesentlichen um zwei wichtige Aufgaben: um die Sicherung von Siedlungsräumen vor Hochwasser und zum anderen um die Verbesserung von Naturlebensräumen. Das eine lässt sich mit dem anderen wunderbar vereinbaren.
Was sind für Sie die größten Herausforderungen in den nächsten Jahren?
Heute suchen im Vergleich zu früher viel mehr Leute in ihrer Freizeit die Flüsse auf. Das heißt für uns, dass geeignete Orte zur Freizeitnutzung und Erholung geschaffen werden müssen. Im Gegenzug brauchen seltene Tiere und Pflanzen sogenannte Ruhezonen, um überleben zu können. Dabei sollte uns immer eines bewusst sein: Die Natur braucht den Menschen nicht unbedingt, der Mensch braucht die Natur aber sehr wohl!
Interview: Reinhard Weger