Vor kurzem lud die Raiffeisenkasse Bruneck zu einem Vortrag mit anschließender Gesprächsrunde eines außergewöhnlichen Mannes: Pater Anselm Grün, seines Zeichens Benediktinermönch und der meistgelesene christliche Autor unserer Zeit. Was die größtenteils aus Politik und Wirtschaft stammenden Zuhörer des voll besetzten Raika-Forums an diesem Vormittag erwartete, war ein Appell an das Glücklichsein trotz beruflicher Verantwortung.
Pater Anselm Grün
Über 15 Millionen Bücher hat er verkauft, seine Vorträge und Seminare werden auch von weltweit führenden Konzernen gebucht, und sein Ruf als erfolgreicher Autor und Ökonom reicht international weit über den deutschen Sprachraum hinaus. Klingt wie die Vita eines Mannes, der zu den oberen Zehntausend gehört. Aber trotz allem ist Anselm Grün in erster Linie Mönch und Verwalter eines Klosters. Ein bescheidener und gebildeter Mann. Jemand, der an den Menschen glaubt. Und an die Einfachheit. Und an die Balance von Spiritualität und Weltverantwortung.
Führen mit Werten
Über 280 Mitarbeiter hat er als Cellerar einer Benediktinerabtei unter sich, die in über 20 handwerklichen Betrieben für das Kloster arbeiten. Eigentlich ist er der Inbegriff eines Unternehmers. Und Pater Anselm Grün versteht anscheinend sein Handwerk. Nach einem Studium der Philosophie und Theologie, hängte der Mönch noch die Fachrichtung Wirtschaft an. Und versteht es, diese auf den ersten Blick doch sehr unterschiedlich anmutenden Bereiche meisterhaft miteinender in Einklang bringen. Die Verbindung offenbart sich im Titel der Veranstaltung: „Führen mit Werten“. Denn darum ging es im Wesentlichen in seinem Vortrag. Ökonomie soll dem Leben dienen, und nicht umgekehrt. Diesen Grundsatz vor Augen lancierte Pater Anselm Grün fundamentale Botschaften, die eigentlich für niemanden neu sein dürften und trotzdem für viele der Anwesenden wie eine Offenbarung klangen.
Er möchte nicht den Zeigefinger erheben, sagte der charismatische Mönch gleich zu Beginn seines Vortrages, sondern für „Werte“ werben, denn sie sind die Quelle der Gesundheit, die Befähigung, gut zu leben. Was folgte, war eine Reihe von veranschaulichenden Ausführungen, basierend auf der Grundwerte-Lehre der griechischen Philosophen und den „regula benedicti“, dem Regelwerk, nach dem die Benediktinermönche noch heute ihr Leben ausrichten.
Menschlich bleiben
Mit Aussagen wie „Es gibt keine richtigen Entscheidungen, nur kluge.“, oder „Wer sich alle Türen offen lässt, geht schlussendlich durch keine.“, „Führungskräfte müssen nicht unfehlbar sein, sondern menschlich“, und „Wer alles kontrollieren will, verliert die Kontrolle.“ handelte er auf durchaus einleuchtende Weise die täglichen Herausforderungen von Führungskräften ab. Sein primäres Plädoyer beinhaltete das Vertrauen in die Menschen, und ein grundlegendes Instrument sei, seiner Meinung nach, die Sprache. Wie wir mit und über Menschen sprechen, ist entscheidend. Interessant auch seine Ansichten zum weit verbreitenden Phänomen „Burnout“. Trotz seines Erfolges wirkt Pater Anselm Grün nicht gestresst. „Man muss seine Grenzen erkennen“, lautet die Devise, „wichtig ist ein Zeitmaß. Nur Erwartungen zu erfüllen, kann nicht gesund sein, alles frei nach dem Motto: Ich lebe selber, und werde nicht gelebt!“
Ein inspirierender Vormittag, gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten wie diesen, in denen das Schlagwort „Krise“ allgegenwärtig zu sein scheint, wie auch die Veranstalter der Raiffeisenkasse Bruneck unterstrichen. Und ein nachhaltiger, weil sicher gar einige etwas mit nach Hause nehmen konnten…
jst