Einen Kalender hat jeder zu Hause oder auf dem Smartphone. Darin stehen Geburtstage, Arzttermine, Schulferien, anstehende Festlichkeiten usf., damit man nichts vergisst. Ob mit oder ohne digitale Erinnerung: Kaum jemand fragt sich, warum die Tage und Monate so eigenartige Namen haben. Wir haben uns auf Sprurensuche begeben.
Baldur, der Lichtgott
Unsere Bezeichnungen für die Monate sind ausnahmslos römisch-lateinischen Ursprungs, ganz anders ist es bei den Wochentagen. Im Römischen Reich teilte man das Jahr viele Jahrhunderte hindurch in nur zehn Monate ein, obwohl man wusste, dass ein Sonnenjahr aus mehr als zehn Mondzyklen besteht. Erst der berühmte Gaius Julius Cäsar reformierte den Kalender nach langer Konsultation mit ägyptischen Astronomen im Jahre 47 v. Ch. und führte das Schaltjahr ein. Den zehn Monaten des früheren Kalenders fügte man zwei neue Monate hinzu und stellte sie in der Reihenfolge mitten unter die “alten”. Gaius Julius zu Ehren spricht man seitdem vom Julianischer Kalender. Im 16. Jahrhundert löste der noch genauere Gregorianische Kalender den Julianischen ab, die Monatsnamen blieben aber unverändert. Es ist äußerst interessant, sie etwas genauer zu betrachten.
Göttermonate
Die ersten sechs Monate des Sonnenjahres sind sogenannte Göttermonate, sie tragen allesamt Namen von Göttern. Der Januar hat den Namen von Janus übernommen, dem Gott des Anfangs und des Endes, dem Zwiespältigen und Undurchschaubaren. Er symbolisiert die Gegensätzlichkeit der Erscheinungen (Tag und Nacht, Gut und Böse, Licht und Dunkel, Mann und Frau, Liebe und Hass usw.). Bei ihm, dem Doppelgesichtigen, weiß man nie wirklich, was er einen erwartet. Auf Münzen und Skulpturen stellte man ihn meist mit zwei Gesichtern dar, daher der Ausdruck “Janusgesicht” oder “Januskopf”. Zugleich war er auch Gott des Ackerbaus, der Gesetze , des religiösen Brauchtums.
Der Februar erhielt seinen Namen nach Februus, einem von den Etruskern übernommenen Gott. Er galt in Rom als Kraft der Reinigung und Gott der Unterwelt. “Februare” bedeutet reinigen, am 14. Februar pflegte man den kultischen Tag der Reinigung.
März, bei den Römern Martius, ist, genau wie der Rote Planet, nach dem römischen Gott der Krieges benannt. Vor der Zeit des Julianischen Kalenders begann das römische Jahr nicht mit der Wintersonnwende, sondern mit dem März. Mars war nach Jupiter der am höchsten angesehene Gott, ihm zu Ehren hielt man Prozessionen, Spiele und religiöse Riten ab. Heute denken wir beim März lieber an längere Tage und erste Blüten.
Wem der April seinen Namen verdankt, ist weit weniger klar. Er führt die Menschen witterungsmäßig munter an der Nase herum, mit seinem Namen macht er es genauso. Mit großer Wahrscheinlichkeit geht “April” auf die griechische Göttin Aphrodite, die Göttin der Liebe, zurück. Es ist aber durchaus möglich, dass man mit dieser Annahme in den April geschickt wird.
Falsche Reihenfolge?
Mai und Juni sind einfacher gestrickt. Maia, Göttin der Erde, stand beim Monat Mai Pate, Juno, Gattin des Göttervaters Jupiter, beim Juni. Die Neuzugänge Juli und August erhielten, wie könnte es auch anders sein, ihre Namen vom Kalenderreformator und Herrscher Julius (Cäsar) und seinem Nachfolger Augustus ( “Der Erhabene”).
Octavianus Augustus
Weil die bei der Reform neu dazu gekommenen Monate Juli und August ganz unzeremoniell an die Reihe der Göttermonate angehängt wurden (auch Kaiser galten als göttlich), rutschten mehrere “alte” Monate an die falsche Stelle:
September, der siebte Monat, (septem = 7) wurde zum neunten, Oktober (octo = 8) zum zehnten. November (9 = novem) ist jetzt unlogischerweise der elfte. Der bisher zehnte (decem = 10), trägt den Namen “Dezember” ebenfalls zu Unrecht, denn er steht an zwölfter Stelle.
Es ist schon erstaunlich, dass solch augenscheinliche Fehler seit über 2000 Jahren bestehen und trotz der heutigen Reformwut niemand Anstalten macht, das zu ändern.
Wo bleiben die germanischen Namensbezeichnungen?
Unglücklicherweise hat die Katastrophe des Nationalsozialismus dazu geführt, dass zahlreiche germanische Bräuche und Wörter, darunter viele Bezeichnungen im Jahreslauf, nicht mehr erwünscht waren und in Vergessenheit gerieten. Zahlreiche Reste und Riten germanischer Kultur haben aber überlebt.
Die Religionen der Germanenstämme waren recht unterschiedlich, hatten aber ein gemeinsames Merkmal, die Licht- und Naturbezogenheit. Ihre Götter und Göttinnen, Elfen und Zwerge, Riesen und weisen Frauen verkörpern Erscheinungen und Vorgänge in der Natur. So beziehen sich auch die Monatsnamen nicht auf Personen, sondern auf natürliche Abläufe und Erscheinungen der Natur. Der erste Monat im Sonnenjahr, der härteste und kälteste, trug im germanischen Raum den Namen „Hartung“ (von “hart” = gefroren, schwierig, mühsam. Ein Beipiel dazu ist das dialektale “Das geht hart.”). Der zweite hieß „Hornung”, d.h. die Zeit, in der das Wild sein Geweih oder Gehörn abwirft und ein neues nachzuwachsen beginnt. Die Erneuerung des Geweihs ist ein Zeichen der Frühlingsnähe und der Erneuerung. Im Altenglischen bedeutet “Hornung” aber auch “Bastard”, “der in einem Winkel Gezeugte”, ein Kuckuckskind, das weniger Rechte hatte als in der Ehe Geborene. Bei der Zahl seiner Tage ist der Februar wirklich zu kurz gekommen.
Auf ihn folgt „Lenzing“, der Frühlingsmonat. In den Lenzing (März) fällt die Tages- und Nachtgleiche, es wird wärmer, die ersten Blüten springen auf.
Der April hieß „Ostermond”, Monat der Frühlings- und Fruchtbarkeitsgöttin Ostara. Das Frühlingsfest hat seinen Namen “Ostern” bis heute bewahrt.
Mai als “Winnemond”
Mai war der “Winnemond”. “Winne” nannte man den Austrieb des Viehs auf die Weide oder Alm. Daraus wurde mit der Zeit “Wonnemond”, was aber eine ganz andere Bedeutung hat, nämlich Zeit der Jugend, Freude und Liebe.
Juni hingegen war bei den Germanen der „Brachet“. In diesem Monat wurden in der Dreifelderwirtschaft die Brachen, d.h. die im Vorjahr nicht bestellten Felder, umgeackert. Die Zeit der langen Tage und der Mitternachtssonne in den nordischen Ländern erreicht im Brachet ihren Höhepunkt. Intensiv feiert man in skandinavischen Ländern heute noch das Fest der Sommersonnenwende. Juli, der „Heuert“, steht dagegen für den Hochsommer. Die ersten Früchte werden geerntet und duftendes Heu eingebracht.
Den August nannte man „Ernting“, Monat der Ernte. Viele germanischeStämme feierten um die Monatsmitte ein großes Erntefest. Die Christianisierung wandelte es in das heutige Fest Maria Himmelfahrt, im Volksmund Hochunserfrauentag, um. Auch das Weihen der Blumen- und Kräutersträuße ist auf germanische Bräuche zurückzuführen. Die kalten Monate hingegen (sie enden allesamt auf -r oder -er) gehen auf die römische Nummerierung vor der Kalenderreform zurück. Der erste in der Reihe ist der „Scheiding“(September), Monat des Abschieds von der Pracht und Wärme des Sommers, die Zugvögel fliegen ab, das Vieh kommt zurück und wird “geschieden” (nach Eigentümern sortiert). „Gilbhart” (Oktober) steht für die Zeit der Herbstfärbung, des Vergilbens und Abfallens der Blätter. Die Farbe Gelb hatte bei den Germanen einen ausgesprochen negativen Symbolgehalt, sie steht Eifersucht, Gier, Neid, Missgunst, Falschheit. Davon abgeleitet sind u.a. die bittere Galle und das gelbe Gold. Auch bei uns sagt der Volksmund oft, jemand wird “gelb vor Zorn”.
Düsterer November
Im „Nebelung“(November) ziehen düstere Nebelfelder über das Land. Trolle und Geister steigen aus ihren Höhlen und spielen Mensch und Tier im Schutz von Dunkelheit und Nebel schlimme Streiche. Der Ausdruck “Nebelung” stammt aus der uralten indogermanischen Wurzel “Nedh”, was Feuchtigkeit, Nässe, Wolken und Nebel bedeutet.
Im Julmond (Dezember) tragen in Skandinavien Mädchen bei Feiern und Riten vier Kerzen auf dem Haupt. Die Germanen warteten nicht auf das Christkind, sie erwarteten das Licht, das Länger-Werden des Tages. Unser Adventkranz mit seinen vier Kerzen reicht weiter zurück als das Christentum. Die brennenden Kerzen leuchten den guten Geistern “heim”, sie sollen dem Lichtgott helfen, zu den Menschen zurück zu finden. In diesem Monat feiern die nordischen Menschen die Wintersonnwende teilweise heute nach alter germanischer Art. Im Altisländischen und Altenglischen bedeutet das Wort jul “dunkel”. Das Julfest steht also für die dunkelste Zeit des Jahres und zur Wintersonnwende wird die Niederlage des Riesen der Dunkelheit und die Wiederauferstehung des sanften, blondlockigen Lichtgottes Baldur gefeiert. Seine hellen Haare symbolisieren die wärmenden Strahlen der Sonne. Ab diesem Zeitpunkt nehmen der Tag und das Licht wieder zu, der Kreislauf der Natur beginnt von Neuem.
Margareth Berger