„Hosche schun gessn?“

„Na, des isch ollm a Gscherr mit den Geköche!“

 

Das digitale Zeitalter ist angebrochen. Besonders gut beobachten lässt sich das beispielsweise im Zug. Da ziehen Menschen unterschiedlicher Herkunft und Kultur, egal ob Arm oder Reich, das Handy oder iPhone aus der Tasche, streicheln es zärtlich oder tippen mit den Fingern darauf herum. Sofort bestimmen das Piepsen und Klingeln der Geräte oder lautstark geführte Telefongespräche die Geräuschkulisse.

Koeln

„Ein halver Hahn“ – ein Roggenbrötchen mit Käse!

Fast ausnahmslos sind wir zu einer Art von digitalisierten Zweibeinern geworden. Besonders Jugendliche und immer öfter auch kleine Kinder, die gerade erst lesen und schreiben gelernt haben,  kommunizieren häufig mehr über Facebook und Twitter als von Angesicht zu Angesicht. Das mündliche Gespräch, bei dem man dem Gegenüber ins Auge schaut und bei dem man auch von der Stimme auf den Seelenzustand des Gesprächspartners schließen kann, ist zu einem lautlosen Zwie- oder Gruppentippen im Netz geworden. Der Gedankenaustausch erfolgt mithilfe von über die digitale Tastatur schwirrenden Fingern und gebannt auf den Bildschirm starrenden Augen.  

 

Geschriebene Sprache verkümmert

Nun möchte man meinen, dass bei so viel Schriftlichkeit alle hervorragende Kenntnisse der geschriebenen Sprache hätten. Aber Fehlanzeige! Die Klippe der Standardsprache wird einfach umsegelt, man schreibt kurzerhand, wie man spricht – und siehe da: Der Dialekt ist wieder „in“.  Gemäß Definition ist er eine „regional geprägte Umgangssprache, gekennzeichnet durch räumlich geringe Reichweite“ (DaF). Er ist von größter Wichtigkeit, enthält doch jeder Dialekt spezielle Ausdrücke für Gegenstände und Vorgänge, die für die Gegend, in der er gesprochen wird, typisch sind. Er ist also eine große Bereicherung des kulturellen Spektrums.

Trotzdem muss eine Frage erlaubt sein: Warum schreibt eine Generation vor allem junger Menschen, die in einer globalisierten, computerisierten, vielsprachigen Welt, in der man in Australien gewesen sein muss, um nicht als Hinterwäldler zu gelten, aufwächst, im Dialekt - ungeachtet dessen begrenzter Reichweite?

 

Verbindend oder trennend?

Nun, der Dialekt ist ein Ausdruck der Zusammengehörigkeit, lokaler Kultur und Lebensweise. Er erzeugt Gruppensolidarität und grenzt zugleich von anderen genauso ab wie die zu neuen Ehren gekommene Lederhose, die schrillen Farben der Punks oder die Glatze der Skinheads. Daran gibt es überhaupt nichts auszusetzen.   

Gleichzeitig steht die Weigerung, die allgemein verständliche Standardsprache zu benutzen, aber im Widerspruch zur Weltoffenheit der Jugend und zu ihrer  Medienabhängigkeit: Will man von vielen verstanden werden, muss man sich auf einer Sprachebene ausdrücken, die möglichst vielen zugänglich ist. Der Dialekt in der geschriebenen Form erschwert aber die Verständigung mit Menschen aus dem übrigen deutschen Sprachraum, manchmal macht sie sie unmöglich. Oder weiß z.B. ein Hamburger, was  „Vo mi ischs völle guit“ bedeutet, oder kann ein Südtiroler in Köln mit „Ich mach’  ’nen halven Hahn“ etwas anfangen? Wenn der Schreiber wichtige Regeln und Formen der Standardsprache ignoriert und ausschließlich den dialektalen Wortschatz anwendet, kann die Sprache ihre Aufgabe der schnellen Verständigung in der heutigen Welt oft nicht mehr erfüllen. Dafür ist der Wortschatz zu begrenzt, und dafür ist die kulturelle und geographische Reichweite des Dialektes  – bei allem Respekt – zu gering.

Die Rettung wäre vielleicht ein Computerprogramm, das die zahllosen Dialekte und Umgangssprachen eines großen Sprachraums rasant entschlüsselt und „übersetzt“. Ein solches gibt es allerdings (noch) nicht – glücklicherweise muss man wohl sagen,  vermutlich würde uns der „Große Bruder“ ansonsten noch schneller vereinnahmen.

 

Sprachliche Abkapselung

Fürsprecher des Dialekts auch in der geschriebenen Sprache übersehen gern, dass sich Kleinregionen wie Südtirol, das wirtschaftlich vorwiegend vom Tourismus und kulturell von seiner Anbindung an den großen deutschsprachigen Raum lebt, bei zu einseitiger Verwendung des lokalen Dialekts selbst das Wasser abgraben können. Denn geringe Verständlichkeit und fehlendes Bemühen um eine reibungslose Kommunikation führen zur Abkapselung.  

Sicher, die Schweiz ist ein lebendiger Beweis dafür, dass Dialekt sogar zur Amtssprache werden kann. Die Schweiz ist allerdings ein in historischer und kultureller Hinsicht völlig anderes Gebilde. In den deutschsprachigen Kantonen gibt die deutsche Standardsprache mit starkem Dialekteinschlag den Ton an, innerhalb des deutschen Sprachraums ist Schwyzerdütsch aber nach wie vor ein Fremdkörper. Zudem ist das Schweizer Modell auf Südtirol schon aufgrund der völlig anderen politischen Situation nicht übertragbar. 

Für uns, die wir auf einer Sprach(halb)insel - umgeben von anderen Sprachräumen - leben, ist es äußerst wichtig, neben dem Dialekt auch die Standardsprache zu beherrschen. Dem Berliner oder Dresdner macht es sicher Spaß, zwischendurch den etwas exotischen, gutturalen und im Ausdruck beinharten Pusterer Dialekt zu hören. Wollen oder sollen sie ihn aber lesen, ist und bleibt er für sie ein „spanisches Dorf“.

Nicht nur verschiedene Sprachen zu sprechen und zu schreiben, auch die unterschiedlichen Sprachebenen benutzen zu können, ist ein großer Gewinn, eine gute Investition in die Zukunft und ein Beitrag zur Verständigung zwischen Menschen und Völkern.      

Margareth Berger

 

Zusätzliche Informationen

Diese Seite verwendet Cookies!

Durch die Nutzung der Website stimmen Sie zu, dass Cookies gespeichert werden. Mehr darüber

Ich verstehe