Gottlieb Hellweger und Benno können Leben retten. Wenn ein Notruf kommt, machen sich der Restaurator aus Rasen und sein Hund auf die Suche nach Vermissten. Aus dem Alltag einer besonderen Seilschaft
Gottlieb Hellweger und Hund Benno Foto: IDM Südtirol/Ivo Corrà, www.wasunsbewegt.com
Eigentlich hätte auch alles ganz anders kommen können. Als Gottlieb Hellweger ein paar Jahre alt war, tapste ihm ein Schäferhund mit der Pfote ins Gesicht. Wie viele Kinder hatte er nach dieser Begegnung Respekt vor Hunden. Das blieb so – bis ihm seine heutige Frau einen Mischling schenkte. Der eroberte sofort einen festen Platz an seiner Seite. Seither kann sich Hellweger ein Leben ohne Hund nicht mehr vorstellen. Im Moment hat der 43-Jährige zwei davon: Benno, einen acht Jahre alten Labradoodle und Ilse, dessen Tochter. Mit Benno verbindet Hellweger mehr als das ohnehin schon besondere Zusammenspiel zwischen Mensch und Tier.
PZ: Sie sind einer von zurzeit 44 Hundeführern des Südtiroler Bergrettungsdienstes. Das bedeutet, dass Sie besonders an Wochenenden oft im Einsatz sind. Warum machen Sie das?
Gottlieb Hellweger: Ich gehe gerne auf den Berg. Deshalb habe ich mich schon lange für die Bergrettung an sich interessiert. Seit acht Jahren bin ich nun bei der Rettungsstelle Rasen-Antholz und mit Benno im Ein-satz. Ich mache es, weil ich Menschen, die in Not geraten sind, helfen will. Außerdem bedeutet mir die Gemeinschaft mit den Kollegen sehr viel, wir ‚Hundila‘ wie uns andere Bergretter nennen, sind eine eingeschworene Gemeinschaft.
Schon die Ausbildung zum Bergretter ist sehr aufwändig und dauert zwei Jahre. Wie wird ein Hund zum Suchhund?
Ich habe damals noch mit Benno gleichzeitig mit der Ausbildung begonnen. Nach zwei Jahren waren wir beide einsatzfähig. Heute muss man zuerst die Bergretter-Prüfung abschließen und kann erst dann den Ausbildungsweg mit dem Tier beginnen. Die Arbeit fängt spielerisch an und bleibt bis zum Schluss eine Überlistung. Es gibt Hunde, die einen Beutetrieb haben, diese bekommen etwas zu fressen, andere haben einen Spieltrieb und machen sich für die Belohnung wie einen kleinen Ball auf die Suche. Das muss natürlich von langer Hand vorbereitet werden und erfordert viele Trainingsstunden und Prüfungen. Irgendwann macht es beim Tier ‚Klick’ und es versteht, was zu tun ist. Benno weiß, wenn er das jetzt macht, bekommt er ein Würstchen. Das ist für ihn ein großer Anreiz.
Es gibt Stöber- und Fährtenhunde. Worin besteht der Unterschied?
Benno ist ein Stöberhund, das heißt er geht zum Beispiel nach einem Lawinenabgang menschlichen Spuren nach. Fährtenhunde sind darauf trainiert, dem Geruch einer bestimmten Person nachzuspüren, etwa wenn jemand abgängig ist. Man führt sie während einer Suchaktion an der Leine, Stöberhunde hingegen laufen frei herum.
Wenn der Notruf kommt, zählt jede Sekunde. Was ist in diesen Momenten besonders wichtig?
In erster Linie geht es darum, möglichst schnell vor Ort zu sein. Wenn beispielsweise eine Lawine abgeht und Menschen verschüttet sind. Dann werden Benno und ich auch oft mit dem Hubschrauber zur Unfallstelle geflogen. Schon wenn ich Benno das Mäntelchen überziehe, weiß er, dass es zu einem Einsatz geht. Er ist hochkonzentriert, aber diese Spannung kann er nicht ewig halten.
Der Hundeführer muss für das Tier mitdenken. Wenn es Anzeichen von Müdigkeit zeigt, dann braucht es eine Pause. Ich muss auf den Wind achten, der den Geruch einer Person auch in eine falsche Richtung tragen kann. Wenn ich den Hund falsch führe, geht er geradewegs an der gesuchten Person vorbei. Wir lernen in der Ausbildung, solche Fehler zu vermeiden. Es ist kein Zuckerschlecken, aber das hat auch seine Berechtigung.
Wie kommunizieren Sie mit Benno?
Vieles lese ich in seinem Gesicht. Wenn er nicht weiterweiß, sieht er mich fragend an, findet er etwas, wedelt er mit dem Schwanz. Ich sehe, ob er glücklich ist oder niedergeschlagen. Als Hundeführer ist es meine Aufgabe, darauf einzugehen.
Wie oft sind Sie im Einsatz?
Im Sommer sind es etwa zehn Einsätze, dazu kommen noch die ganzen Trainingseinheiten. Im Winter hängt es von der Lawinenlage ab. Der Winter 2014/15 war extrem, da bin ich einmal innerhalb von vier Tagen drei Mal ausgerückt.
Hat Benno schon einmal einen Menschen lebend wiedergefunden?
Das ist natürlich der Traum jedes Hundeführers. Für uns hat es bisher noch nicht geklappt. Aber ich war schon bei Einsätzen dabei, wo andere Hunde Menschen aufgespürt haben, etwa eine ältere Urlauberin, die sich in Sand in Taufers vergangen ist und den Weg zurück nicht mehr gefunden hat. Solche Erlebnisse sind eine riesengroße Genugtuung. Der Wirt, bei dem sie untergebracht war, hat uns vor lauter Freude dann alle zu sich eingeladen.
Dann gibt es natürlich jene Einsätze, wo Sie zu spät kommen. Wie verarbeiten Sie das?
Es ist einfach schlimm, was soll man dazu sagen. Wir versuchen, das auch im Gespräch mit der Gruppe aufzuarbeiten. Und vieles macht man am Ende mit sich selbst aus.
Wenn Tourenskigeher außerhalb der Piste unterwegs sind und eine Lawine auslösen, heißt es oft, das sei unverantwortlich den Rettern gegenüber. Wie sehen Sie das?
Jeder soll tun, was er für richtig hält. Während einer Suchaktion mache ich mir darüber ohnehin keine Gedanken, da ist der Körper voller Adrenalin und man handelt einfach nur. Aber natürlich frage auch ich mich, warum manche Leute beim schlechtesten Wetter losziehen. Das ist doch kein schönes Erlebnis in der Natur, wenn sie kaum die Hand vor dem Gesicht sehen können.
Mit acht Jahren ist Benno gerade im besten Alter für Spürhunde. Und wenn er einmal nicht mehr kann?
Dann steht seine Tochter Ilse schon in den Startlöchern. Sie steckt ihre Nase überallhin und schnüffelt ständig am Boden umher. Das ist ein klarer Fall: Sie würde sich besser als Fährtenhund eignen. Ich müsste deshalb wohl mit ihr gemeinsam noch einmal in die Ausbildung.
Interview: Verena Duregger
Zur Person
Gottlieb Hellweger ist Restaurator und vor allem im Fassadenbau tätig. Im Winter arbeitet er als Skilehrerassistent am Kronplatz. Seit acht Jahren ist der 43-Jährige Hundeführer bei der Bergrettungsstelle Rasen Antholz und immer dann im Einsatz, wenn Menschen vermisst oder etwa von einer Lawine verschüttet werden. Sein Engagement ist ehrenamtlich. „Mir reicht ein Dankeschön“, sagt er bescheiden. Auf www.wasunsbewegt.com/hundefuehrer ist ein Video über Gottlieb Hellweger und seinen Hund Benno zu sehen.